In der Weihe hat die Kirche das Wasser rein gemacht. Rein von den dunklen Gewalten, die in ihm schlummern. Das ist kein leeres Wort! Wer eine fühlende Seele besitzt, der hat ihn schon gespürt, den Zauber der Naturgewalt, die sich aus dem Wasser erhaben kann. Und ist´s bloß Natur-Gewalt? Nicht etwas Dunkles, Außer-Natürliches? In der Natur, in all ihrem Reichen und Schönem ist auch das Böse, das Dämonische. Die seelenverstumpfende Stadt hat gemacht, daß der Mensch dafür so oft keinen Sinn mehr hat. Aber die Kirche weiß darum, und „reinigt“ das Wasser von allem Widergöttlichen, und „weiht“ es, und bittet Gott, daß er es zum Mittel seiner Gnadenkraft mache. Wenn nun der Christ Gottes Haus betritt, dann netzt er Stirn und Brust und Schulter, das heißt, sein ganzes Wesen mit dem reinen und reimmachenden Wasser, auf daß seine Seele lauter werde. Ist das nicht schön? Wie in diesem Brauch sich zusammenfinden die entsündigte Natur und die Gnade, und der nach Reinheit verlangende Mensch, im Zeichen des Kreuzes?
Oder am Abend. „Die Nacht ist keines Menschen Freund“, sagt ein Sprichwort. Es ist etwas Wahres daran. Wir sind für das Licht erschaffen. Sobald der Mensch sich in die Gewalt des Schlafes, des Dunkels gibt, darin das Licht des Tages erloschen und das Licht des Bewusstseins, dann bezeichnet er sich wohl mit dem Zeichen des Kreuzes und heiligem Wasser, dem Sinnbild der befreiten, entsühnten Natur: Gott möge ihn schützen vor allem, was finster ist! Und wenn er morgens aus dem Schlaf, aus Dunkelheit und Unbewußtsein wieder hervorgeht, und sein Leben neu beginnt, tut er es wieder. Es ist dann wie eine leise Erinnerung an jenes heilige Wasser, aus dem er in der Taufe zum Licht Christi hervorgegangen ist. Schön ist auch dieser brauch. Darin begegnen sich die erlöste Seele und die erlöste Natur im Zeichen des Kreuzes. (Von heiligen Zeichen; Romano Guardini 1927)