Wir bemühen uns hierzulande keine noch so kleine soziale Gruppe zu diskreditieren. Im Gegenteil sind wir hypersensibel. Jene die es dennoch wagen zu diskriminieren oder denen diesbezüglich ein Fauxpas passiert, werden schnellstmöglich und umfänglich abgestraft und/oder geächtet.
Niemand in unserem Land würde also den Versuch überstehen, dass Einparkverhalten von Schwarzafrikanern gegenüber Weißen ins Verhältnis setzen zu wollen. Es gilt als verwerflich bei Straftaten auf die Nationalität der Täter hinzuweisen, weil dies zu Vorurteilen gegenüber Menschen anderer Nationalitäten führen könnte. Jemanden aufgrund seiner Religion zu diskreditieren ist ebenso ein Tabu.
Nur beim Geschlecht, da lassen wir uns so einiges gefallen. Männer in Misskredit zu bringen geht immer. Diese Form der Diskriminierung von Männern geschieht offen, täglich und ohne, dass jemand die Verursacher zur Rechenschaft zieht.
Hier ein Beispiel aus der regionalen Presse. Zur Veranschaulichung ändere ich das Geschlecht des Originaltextes von männlich in weiblich.
Der Originaltext beschäftigt sich mit ´Kerlen´, mit ´Typen´, die sich in Internetportalen einer Künstlerin offenbarten, ohne zu ahnen, welche Absichten diese mit den 1.200 männlichen Avancen hatte. Nun hängen die Männer nachgezeichnet, karikiert, in einer Ausstellung der HBK Braunschweig. Können die 1.200 ´Kerle´ eigentlich gegen diese Art ihrer Vermarktung ´wehren´?
Meine in die weibliche Form geänderte Textversion:
Weiber, Weiber, Weiber, Weiber, Weiber, Weiber…
In der HBK Braunschweig zeigt der Künstler Ulf Helmbold Zeichnungen von 1200 kontaktwilligen Frauen.
´Eigentlich könnte ich stolz sein´, sagt Ulf Helmhold und blickt sich im Raum um. 1200 kleine Bildchen hängen da, Bilder von Frauen, von ihm gezeichnet. Es sind Frauen, die auf einem Online-Partnerportal mit ihm in Kontakt treten wollten. „Und ich hätte noch viel mehr machen können!“
Aber er sagt das eher gallig. Er ist nicht stolz. Eher entsetzt. Diese Matronen! Mit unverhohlenem Zorn deutet er auf das Bild einer hängebusigen „Katzenfreundin“ in Bikinihöschen. „Wie kann man…“ für einen Moment scheint der Künstler tatsächlich noch immer sprachlos zu sein. „Wie kann man sich mit so einem Busento derart halbnackt dahinfläzen! Breitbeinig! Völlig ungeniert! Ekelhaft!“
Die Ausstellung des Braunschweiger HBK Professors in der Galerie der Hochschule heißt „Carpe diem“ (Nutze den Tag). Den Titel hat er gewählt, sagt der Künstler, weil viele Frauen den Spruch in ihren Profilen als Lebensmotto genannt hätten.
Das Irritierende an der Bilderflut: Das sind ja keine Schnappschüsse. Keine Zufallsknipsereien. Sondern es sind doch Ich-Aussagen, ausgewählt, einen Mann zu beindrucken oder doch zumindest für die Frau zu interessieren. So gesehen ist die Betrachterin denn doch auch irritiert von den Geschlechtsgenossinnen.
Natürlich gibt es die Matronen, die ihren mehr oder minder definierten Oberkörper zur Geltung bringen, gern in Pools. Aber dann doch auch wieder mit so einer naiv angeberischen Pose, dass man den da herauswachsenden Köpfen doch nicht recht traut. Aber okay: Die haben immerhin was vorzuweisen.
Doch wird eben nicht nur bei der „Katzenfreundin“ der Busento ganz selbstverständlich ins Bild geschoben, mal in blanker Fülle, mal nachlässig verhüllt. Was ist das? Was wollen die Damen damit sagen?
Ulf Helmhold meint: gar nichts. Diese Bilder, sagt er, seien einfach weibliche Setzungen. Da werde nichts kaschiert, da werde über die Wirkung gar nicht viel nachgedacht. Die werde einfach vorausgesetzt. Das bin ich, fertig.
Manche Frauen verstecken sich hinter Fratzen, viele auch hinter Sonnenbrillen (wie es sich offenbar überhaupt zu großen Teilen um Urlaubsbilder zu handeln scheint). Eine hat zusätzlich einen dicken Unterarm mit Tätowierung vors Gesicht gehalten.
Für eine erstaunliche Nachlässigkeit, um nicht zu sagen: Geringschätzung des virtuellen männlichen Gegenübers stehen Frauen, die noch das Handy im Bild haben, mit dem sie ihr Selfie geschossen haben, oder die sich gar beim Sekttrinken ablichten. Viele posieren mit Haustier. „Die haben doch ihr Liebstes schon neben sich“, wundert sich Ulf Helmhold.
Natürlich gibt es auch die Masse der Normalos, Langweilerinnen, die Passbilder präsentieren, es gibt auch sympathische Köpfe, es gibt solche, die durch Gesichtsausdruck, Körperhaltung Bildausschnitt oder Accessoires wie Räucherstäbchen ihre Seelentiefe ausdrücken wollen.
Die Filzstift-Zeichnungen sind mit prägnantem Strich und teilweise expressiver Farbgebung aufgeladen, Konzentriert auf das Charakteristische der Physiognomie. Ulf Helmhold entlarvt das oft achlos-selbstgefällige, oft befremdlich bornierte, oft klischeehaft inszenierte Selbstbild von vermeintlich ganz normalen Mittelklasse-Frauen, indem er es in Kunst aufhebt.
Dabei geraten die Blätter naturgemäß leicht in die Karikatur. Aber eben nur leicht. Ulf Helmhold verzerrt nicht mit dem bösen Blick wie etwa Otto Dix oder Manfred Deix. „Ich habe nur fassungslos gestaunt und gezeichnet“, sagt er.
Hier geht´s zum Originaltext von Martin Jasper.