Ich wurde gebeten, auch mal was zu diesen Thema zu schreiben, hiermit tue ich es: Derzeit sammelt eine europäische Bürgerinitiative unter dem Motto “Wasser ist ein Menschenrecht” Unterschriften gegen die geplante Erleichterung der Privatisierung von Wasserbetrieben.
Genannte Ziele der Initiative:
1. Wasser und sanitäre Grundversorgung als Garantie für alle Menschen in Europa.
2. Keine Liberalisierung der Wasserwirtschaft.
3. Universeller (globaler) Zugang zu Wasser und sanitärer Grundversorgung.
Das sind natürlich absolut okaye Ziele, gerade angesichts der Tatsache, dass wegen der Eurokrise noch mehr Privatisierungsdruck als üblich herrscht – Griechenland und Portugal wurden bereits dazu gezwungen, Teile ihrer öffentlichen Wasserversorgung zu privatisieren – angeblich um Geld zu sparen. Dabei kann man doch am Beispiel unserer Bundeshauptstadt Berlin erleben, was eine (Teil-)Privatisierung von Wasserbetrieben tatsächlich bedeutet: Nämlich zu allererst einmal höhere Preise! Von sparen kann überhaupt keine Rede sein, zumindest nicht für die betroffenen Verbraucher: In der Regel gibt es pro Region exakt einen Wassserversorger und der kann die Preise ganz in seinem Sinne gestalten, nämlich nach oben. Weil die Bürger ja nicht einfach eine Leitung in die Nachbarkommune legen können, wo das Wasser vielleicht noch ein paar Euro billiger wäre. Der viel gepriesene Markt kann in solchen Monopolsituationen logischerweise gar nichts regeln, obwohl die EU-Kommissare ja auch in diesem Zusammenhang nicht müde werden, von Markt und Wettbewerb faseln, was nicht nur in diesem Fall totaler Unsinn ist.
Wasser ist Menschenrecht.
(Bild zeigt ein Werbeplakat der Berliner Wasserbetriebe beim Sommerfest 2011)
Apropos Berliner Wasserbetriebe: Der Berliner Wassertisch kämpft seit einiger Zeit darum, dass die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe wieder aufgehoben wird. Hier hat die Große Berliner Koalition mit den privaten Investoren RWE und Veolia Geheimverträge abgeschlossen, die angeblich der Tilgung öffentlicher Schulden dienen, tatsächlich aber eine staatliche Maximalrendite für die privaten Investoren garantieren. Das kennt man ja schon vom Berliner Bankenskandal, aber die Berliner Politiker lernen einfach nicht dazu – wozu auch, sie kommen mit ihrem Murks auf Kosten der Allgemeinheit ja immer wieder davon. Verbesserungen für die betroffenen Bürger gibt es keine, dafür aber hohe Wasserpreise. So viel zu den Segnungen der parlamentarischen Demokratie, die nichts anderes ist, als das Diktat des dümmst-denkbaren Kompromisses. Auf Kosten der Allgemeinheit versteht sich – denn das Kapital muss bekanntlich bei Laune gehalten werden, sonst flieht es wie ein scheues Reh.
Als notorische Meckerliese muss ich weiterhin zu bedenken geben, dass mir diese Initiative nicht so richtig durchdacht erscheint und entsprechend in ihren Forderungen viel zu bescheiden ist. Warum denn nur Wasser?! Wasser braucht man, keine Frage, wie so vieles andere auch – wenn Wasser ein Menschenrecht sein soll und sich doch erstaunlich viele Menschen einig sind, dass Wasser niemanden zu gehören hat, und entsprechend auch Wasserversorger in öffentlicher Hand sein sollen, dann frag ich mich doch, warum man das nicht konsequent weiter denkt: Warum darf dann Grund und Boden irgendwelchen privaten Großgrundbesitzern gehören?! Hat nicht jeder Mensch auch ein Recht auf ein Stück Land? Und wenn wir schon dabei sind: Hat nicht auch jeder Mensch ein Recht auf eine vernünftige Wohnung?! Warum dürfen privaten Investoren riesige Häuserkomplexe gehören?! Sollten die Wohnungen nicht der Einfachheit halber den Leute angehören, die darin wohnen? Und warum sollte es als Geschäftsmodell okay sein, wenn irgendwelche Säcke anstrengungslos von den Mietzahlungen der anderen reich werden können, während es nicht okay ist, mit teuren Wassergebühren Reibach zu machen?! Wo zum Teufel ist da der Unterschied?! Es ist so oder so NICHT okay.
Hat nicht auch jeder ein Recht auf seinen Anteil an der Firma für die er oder sie arbeitet?! Warum dürfen sich die Chefs die Früchte unserer Arbeit einstecken?! Warum hat nicht jeder seinen Anteil an der Bahn – ich finde, dass auch Mobilität ein Menschenrecht sein muss! Warum muss sich jeder ein Auto kaufen müssen?! Mag sein, dass Autos für den einen oder anderen Zweck besser geeignet sind, als Schienenfahrzeuge, aber können dann nicht Autos Allgemeingut sein?! Wer eins braucht, nimmt eins, tut, was immer er oder sie damit tun muss, und stellt es wieder ab. Und, wie konnte ich das vergessen – zum Leben braucht man nicht nur Wasser, sondern auch Bier und Wein und Brot. Ja, auch Gemüse, Obst und ab und zu ein Stück Schokolade. Über die Spekulation mit Lebensmitteln regen sich viele auf. Warum nicht auch über die Tatsache, dass es überhaupt ein Geschäftsmodell ist, dass der Mensch jeden Tag essen muss?! DAS ist ein Skandal, liebe Leute! Ich will keinem ehrbaren Bäcker zu nahe treten und keiner ehrbaren Gemüsezüchterin – aber ist es nicht ungeheuerlich, dass Menschen genötigt werden, sich erst einmal Geld verschaffen zu müssen, wenn sie einfach nur ihren Hunger stillen möchten? Ja, Wasser ist ein Menschenrecht, das finde ich allerdings. Aber Nahrung, Wohnung, Kleidung, Fortbewegung, Kommunikation und so weiter sind es auch!
Und last but not least: Hat nicht auch jede und jeder ein Recht auf ein Leben ohne Ausbeutung?! Auf ein Leben in Würde, wie unser Grundgesetz gleich am Anfang betont?! Leben ist Menschenrecht! Und zwar mit allem drum und dran!
Liebe europäische Bürgerintiative, denkt noch einmal darüber nach: Es gäbe noch so viel mehr zu fordern als eine öffentliche Wasserversorgung. Ja, irgendwo muss man anfangen. Aber ich fürchte, dass ihr viel zu früh aufhört.