Was zuviel ist ist zuviel: Überverpackung

„Was ist denn eigentlich gutes Verpackungsdesign?“, werde ich oft gefragt. Wer sich mit dieser Frage beschäftigt und Rat und Hilfe in einschlägiger Literatur und in Expertenblogs sucht wird meist in Form bunter Bilder fündig. Shelf-impact ist der Begriff, der Hersteller, Handel und Design im Glauben vereint den schnellen Kaufimpuls über die Optik zu erzeugen. Prima! – Gutes Design für Verpackungen ist aber weit mehr, wie uns besonders die schlechten Beispiele vorführen.

Was zuviel ist ist zuviel: Überverpackung

Zum Beispiel das folgende Produkt – offensichtlich tropischer Provenienz, das den Unterschied zwischen schöner Hülle und wirklich gutem Design verkörpert. Dort, wo die Kokosnüsse nur so von den Palmen plumpsen, fließt der Saft der Kokosnuss in Mengen, die es zulassen, den Saft in die Asialäden der ganzen Welt zu verschiffen. Dort steht sie dann, die Verpackung des Pearl-Royal Kokossaftes, an Thailands Gestaden geerntet und verpackt. Toll, aufwändig und auffällig ist diese Kokosnuss-Verpackung! Form und Format sind einer pflückfrischen grünen Kokosnuss nachempfunden, die gerade eben mit gekonntem Machetenhieb servierfertig gemacht wurde.

Der Strohhalm schaut schon appetitlich raus und rein nach der Größe des Kokosnuss-Behälters zu urteilen passt da auch ordentlich was rein. Dem Schutz der Paradiese wird auch noch Rechnung getragen: der Behälter sei kompostierbar, versichert eine Inschrift auf der Bodenseite. Und Kokosnusswasser sei ja so gesund!

Was zuviel ist ist zuviel: Überverpackung

Das Wohlgefühl reißt jäh ab: Nach einem Schluck ist ist gurgelnd Schluss – und man zieht Luft. Was, schon leer? Jetzt muss dem Innenleben dieser hohlen Nuss auf die Grund gegangen werden. Mit wenigen Handgriffen steht man dann fassungslos davor: Im Inneren der Kokosnussform verbirgt sich ein 200ml Combibloc á la Tetrapak und jede Menge Luft. Ja, Ihr lest richtig: Hier hat man ein herkömmliches Trinkpäckchen kurzerhand in eine riesige Kokosnusshülle gesteckt. Lasst uns die Komponenten dieser grandiosen Überverpackung anschauen: SIG Combibloc 200ml, Strohhalm samt Hülle aufgeklebt, Strohhalm in Hülle Nummer zwei, Kokosnussaussenhülle aus kompostierbarem Holzverbund, Schrumpffolie mit Außenaufdruck. Absurd, denn der Combibloc allein zum Beispiel ist ja schon darauf ausgerichtet alle Anforderungen an die Verpackung des Saftes zu erfüllen.

Was zuviel ist ist zuviel: Überverpackung

Überverpackung ist der Fachbegriff für eine solche Materialorgie, auf die die Kunden mittlerweile vor allem in unseren Breiten immer sensibler reagieren. Dabei gibt es durchaus feine Unterschiede in der Akzeptanz: Beim teuren Champagner ist die mitgelieferte Holzkassette durchaus o.k., beim Kokosdrink-to-go geht uns das exzessive Packaging auf die Nuss. Mitunter werden solche Fehlplanungen auch hart abgestraft, z.B. als 2006 die traditionsreiche Firma Cailler eine Packung Frigor Schokotäfelchen von Stararchitekt Jean Nouvel gestalten ließ und das Ergebnis mit sage und schreibe 80g Verpackung pro 150g Packung Produkt zu Buche schlug. Daraufhin beschwerten sich die Konsumenten, der Handel boycottierte Cailler und das Unternehmen musste unter Millioneneinbußen nachkorrigieren. Gutes Verpackungsdesign, das auch ökologisch sinnvoll agiert, muss also auch gut verkaufen können – und dabei angemessen mit dem Material umgehen.

(Autorin: Birgit S. Bauer)

Was zuviel ist ist zuviel: Überverpackung

Was zuviel ist ist zuviel: Überverpackung


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