Was würde ein Konzert mit vier Uraufführungen kosten, wenn Komponisten nicht nach bulgarischen Tarifen bezahlt würden?

Die Flagge der Neuen Musik

Die Flagge der Neuen Musik

Sodala… was haben Komponisten und Bulgaren gemeinsam?

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1. Beide mögen krumme Taktarten.

2. Beide werden mies bezahlt.

Darum heute der Aufruf: diese Diskriminierung muss aufhören! Wer krumme Taktarten liebt, soll genausoviel verdienen wie ein Taktart-Normalo, sei er Österreicher (3/4), Deutscher (2/2, z.B. Badenweiler) oder Bayer (acht Halbe) – und zu diesem Zweck rechne ich heute vor, was die gerechte Entlohnung krummer Taktarten kosten würde!

Nehmen wir an, es handle sich um ein Festivalkonzert mit vier Uraufführungen. Das Ensemble besteht aus zehn Musikern.

Jeder Komponist braucht vier Monate, um ein etwa 15-minütiges Werk zu verfassen. Okay, manche Komponisten brauchen nur zwei Monate. Andere dafür sechs. Wer nicht Bruno Mantovani heißt, braucht jedenfalls mehr als 14 Tage. Um was halbwegs Neues und Aufregendes zu erkunden und nicht nur Altbekanntes zu reproduzieren, scheinen vier Monate jedenfalls nicht zuviel.

Nun ist “Komponist” ein hochspezialisierter Beruf – 4000 Euro Monatsgehalt scheinen da nicht zu hoch. Gewiss, als IT-Spezialist oder Unternehmensberater kann man auch 6000 verdienen. Aber wir wollen ja mal nicht nach den Sternen greifen. Damit kommen wir bei 16.000 Euro für vier Monate Arbeit raus bzw. bei 64.000 Euro für die vier Komponisten des Festivalkonzerts.

Nun zu den Musikern! Da die Komponisten in intensiver viermonatiger Arbeit ein hochkomplexes Werk geschaffen haben, braucht es sicherlich 10 Proben pro Werk, um es angemessen aufzuführen. “Angemessen” heißt dabei noch nicht, dass die Aufführung jenen Grad an Perfektion hätte, der von jedem Profimusiker bei einem Werk von Beethoven oder Mendelssohn als selbstverständlich vorausgesetzt würde. Aber es heißt doch, dass die Musiker nicht über mehrere Viertel oder gar Takte auseinander sind, dass Einsätze gleichzeitig stattfinden, dass Rhythmen und Tonhöhen zu erkennen sind, kurz gesagt: dass die Musiker den Notentext hinreichend gut drauf haben, um anfangen zu können, Musik zu machen. Das sollte in 10 Proben möglich sein (in weniger allerdings kaum).

Wenn wir nun weiter annehmen, dass die Musiker vormittags und nachmittags je eine Probe à drei Stunden absolvieren und fünf Tage pro Woche proben, kommen wir auf exakt 10 Proben pro Woche und damit auf einen Monat Probenzeit für die vier Stücke des Konzerts. Da Musikerarbeit nicht weniger wert ist als Komponistenarbeit, bekommt jeder Musiker ein Monatsgehalt zu 4000 Euro. Macht 40.000 Euro für zehn Musiker.

Aber halt! Sollen denn die Musiker ohne die Komponisten proben? Dass Komponisten gratis an den Proben teilnehmen, ist schließlich keineswegs selbstverständlich. Bezahlen wir also auch die Komponisten für ihre Probenzeit, d.h. für eine Woche Probenarbeit ein Viertel Monatsgehalt = 1000 Euro, mal vier Komponisten, macht 4000 Euro insgesamt.

Damit haben wir alles in allem:

Auftragshonorare: 64.000 €

Musikerhonorare: 40.000 €

Probenhonorare Komponisten: 4.000 €

Total: 108.000 €

Wohlgemerkt für ein einziges Konzert. Und alles noch ohne die Gagen für Dirigent, Techniker, künstlerische Leitung und Organisation, sowie ohne alle Sachkosten. Wenn wir annehmen, dass zum Konzert 400 Zuhörer kommen, beläuft sich der Preis einer Eintrittskarte, nur um die obigen Kosten zu decken, auf stolze 270 Euro.

Wie sieht nun die Realität aus?

Die Komponistengage bewegt sich deutlich unter der Hälfte der Obgenannten. Wer 6000 Euro bekommt, hat schon Riesenglück. Realistischer sind 4000, 3000, 2000 oder garnix. Sagen wir mal, dass der Komponist 3000 Euro bekommt. Da er ein Idealist ist, arbeitet er trotzdem vier Monate an seinem Stück. Macht 750 Euro pro Monat. Das ist ungefähr das, was ein Kraftfahrer oder Buchhalter in Bulgarien verdient.

Nehmen wir weiter an, der Komponist investiert während dieser vier Monate sechs Stunden pro Tag in die Komposition, an fünf Tagen pro Woche (JAA: seine Gedanken sind auch noch vor dem Einschlafen bei seinem Stück. Manchmal träumt er sogar davon. Außerdem schreibt er Mails, telefoniert, organisiert, plant, hört Musik, um auf Ideen zu kommen… aber wir wollen ja mal nicht nach den Sternen greifen.) – Das macht also 120 Arbeitsstunden pro Monat bzw. 480 Stunden für den ganzen Zeitraum. Inklusive Probenzeit etwa 500 Stunden, was einen Stundenlohn von 6 Euro ergibt.

Nun zu den Musikern! Sie sind weniger idealistisch und veranstalten für ihre Gage – sagen wir realistischerweise: 400 Euro für das ganze Projekt – keine zehn Proben pro Stück, sondern nur zwei. Nehmen wir aber an, sie wären so verrückt. Dann ergäbe das 400 Euro Monatslohn. Soviel wie in Bulgarien ein angelernter Arbeiter verdient. Der Stundenlohn wäre 3,33 Euro.

Das alles ist keine absurde Spielerei. Das sind die echten Zahlen, die wirklich und wahrhaftig gelten (oder gelten würden), wenn Komponisten und Instrumentalisten ihre Aufgabe ernst nehmen und Musik auf hohem Niveau machen wollen.

Soviel zum Zustand der Neuen Musik…


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