Breit und sicher: der historische Weg "Varner Leitern".
Am Bisse Neuf.
"Früher begann der Tag mit einer Schusswunde" hiess doch einst ein Prosaband von Wolf Wondratschek. Der Titel kam mir gestern wieder in den Sinn. Mein Wandertag begann nämlich mit einer Geländewunde. Mit der gewaltigen, obszön nackten, bös grinsenden Felswand, deren Unterkante man entlangfährt im Bus von Leuk nach Leukerbad. Ich durchquerte die Wand von Rumling aus, die steile Zehn-Minuten-Passage heisst "Varner Leitern". Doch die historischen Leitern sind entschwunden; heute ist der Pfad gebändigt, breit, stellenweise mit einem Seilzaun gesichert - der Schreckfaktor der Varner Leitern ist in etwa der des Bergsteigs auf den Grossen Mythen oder der Gemmi. Als die Wand überwunden war, hatte ich auf einen Schlag das Rhonetal vor Augen, weit vorn Siders, unter mir auf ihren hübschen Sonnenterrassen Weindörfer wie Varen und Salgesch und ganz unten im Talboden der finstergrüne Pfynwald. Zwei bequemen Suonen entlang, dem Varner Suon, der auch Grossi Wasserleitu heisst, und dem Bisse Neuf hielt ich vorwärts und am Schluss ein wenig abwärts nach Venthône. Weil ich dort noch nicht müde war, gabs Verlängerung: via Veyras nach Siders. Bahnhofsnah leistete ich mir dort eine Pizza, über der ich ein wenig der Raspille nachgrübelte, die ich höher oben angetroffen hatte; es handelt sich um den Bach, der Ober- und Unterwallis trennt und die Sprachgrenze bildet. Was, wenn man das Wasser der Raspille trinkt, fragte ich mich. Wird man dann auf der Stelle bilingue? Schade, habe ich es nicht ausprobiert.Rumeling - Varner Leitern - Taschunieru - Brand - Blatte/Grossi Wasserleitu - La Poprija - Bisse Neuf - Ziettes - Venthône - Veyras - Siders Bahnhof. Knapp vier Stunden, 266 Meter aufwärts, 680 abwärts.
Markantes Gegenüber: der Gorwetschgrat mit seinen Steinrunsen.