Ganz grundsätzlich finde ich Kulturimport eine spannende Sache. Wenn jeder, der hierher kommt, ein Stück seiner Kultur mitbringt und sie mit uns zusammen auslebt, ergibt das meiner Meinung nach eine Mischung, die weitaus schmackhafter ist, als wenn jede Volksgruppe für sich alleine ihr traditionelles Süppchen kocht. Dem Versprühen von Lebensfreude sollte man keine Grenzen setzen, finde ich. Na ja, fast keine Grenzen, müsste ich vielleicht der Ehrlichkeit halber sagen. Bei Weisswürsten, Dirndl, Bierhumpen und Wiesn-Lobhudeleien hört bei mir die Toleranz nämlich auf und zwar schlagartig.
Versteht mich bitte nicht falsch, meine lieben Mitmenschen aus München. Es käme mir nicht im Traum in den Sinn, euer Oktoberfest zu kritisieren. Ist zwar nicht mein Stil, aber es zwingt mich ja keiner, zu euch zu kommen und mitzufeiern. Die billigen Oktoberfest-Kopien, die man hierzulande seit einigen Jahren veranstaltet, finde ich zwar peinlich, solange die Leute aber nicht vor meiner Haustüre saufen und schunkeln, kann mir auch das egal sein.
Wenn jetzt aber die Läden in der Schweiz plötzlich vollgestopft sind mit Wiesn-Kitsch aller Art, packt mich das nackte Grauen. Jede zweite Schaufensterpuppe steckt in einem grellen Dirndl, so weit das Auge reicht ist alles blau-weiss und jeder Weber glaubt, er sei witzig, wenn er irgend etwas mit “O’zapft is!” zusammenschreibt.
Was soll dieser Blödsinn? München ist doch weiss Gott nahe genug, damit jeder, der sich unbedingt ein paar überteuerte Mass Bier in die Kehle schütten will, hinfahren kann. Zudem bin ich mir ziemlich sicher, dass nicht ein einziger heimwehkranker Zuwanderer aus Deutschland je in einem Schweizer Geschäft nach Wiesn-Kram gefragt hat. Das Argument “Der Kunde will das halt…”, das bei “Vegeta”-Würzmischung und türkischem Strudelteig – und von mir aus auch bei Weisswürsten – durchaus angebracht ist, zieht also in diesem Fall nicht.
Einen einzigen, klitzekleinen Vorteil sehe ich dennoch in der ganzen Sache: Solange die Regale vollgestopft sind mit Oktoberfest-Kitsch, hat’s dort keinen Platz für Halloween-Kitsch.