Erinnert Ihr Euch an meinen Tagesmutter-Frust?
Dauernd war eines ihrer Kinder krank oder sie selber. Dann machte sie drei Wochen eine Vertretungsstelle im Kindergarten, in dem sie eigentlich arbeitet – sie ist gerade in Elternzeit bis 2016.
Ich war nicht so ganz glücklich.
Und nun kam es noch viel heftiger:
Ich bekam von ihr im Dezember eine Rechnung über rund 120 Euro und nahm an, dies sei für die Eingewöhnungsphase, da diese ja vielleicht nicht vom Jugendamt vergütet wird und zahlte.
Im Februar bekam ich noch eine Rechnung in ähnlicher Höhe.
Nun wurde ich stutzig. Von Zuzahlungen neben dem Elternbeitrag hatte niemand etwas erwähnt. Auch stand davon nichts im Vertrag, den ich mit ihr geschlossen hatte. Ich sah noch einmal nach: Da stand nur, dass sie für ein zu spätes Abholen 7 Euro pro angefangene Stunde berechnen würde. Dies war die einzige genannte Zahl. Ich fand es irgendwie seltsam, dass man keine finanzielle Konditionen in einen Vertrag schrieb und wunderte mich – mein Bauchgefühl meldete sich leise.
Sie war ja gerade in ihrem Vertretungsjob und ich konnte nicht wirklich arbeiten.
Also nahm ich mir kurz Zeit, um dem Jugendamt zu schreiben und flott nachzufragen.
Mir war es irgendwie peinlich gewesen, die Tagesmutter selbst zu fragen. Die Situation kam mir doof vor: Ich bekomm ‘ne Rechnung und frag “Hey, wofür latz’ ich das denn eigentlich?”
Ich hatte ja noch nie eine Tagesmutter und dachte, vermutlich weiß jede Mutter selbstverständlich Bescheid, nur ich nicht …
So schilderte ich das dem Jugendamt und erhielt als Antwort zusammengefasst:
“Jegliche Zuzahlungen sind seit 1. August 2014 illegal. Nun sind wir in Kenntnis gekommen, dass Frau XY unerlaubt Zuzahlungen annimmt und müssen Schritte einleiten.”
Oh Mann.
Die echt supernette Mitarbeiterin klügelte daraufhin mit mir innerhalb von 18 (!) E-Mails eine Strategie aus, mit der sie der Sache nachgehen konnte ohne dass das Verhältnis zwischen der Tagesmutter und mir gestört würde. Mein Name sollte natürlich nicht fallen – ich hatte sie ja auch nicht anschwärzen, sondern mich nur informieren wollen. Ich solle auch die letzte Rechnung nicht begleichen, sondern abwarten.
Letztlich schrieb sie ihr allgemein, dass “in unserer Stadt mehrfach noch Tageseltern unerlaubt Zuzahlung annähmen und man bitte darum, unerlaubt angenommene Zahlungen an die betreffenden Eltern zurückzugeben.”
Ich betonte mehrmals, davon auszugehen, dass die Tagesmutter sicherlich vom Verbot nichts gewusst habe und es sich um ein Versehen handeln müsste. Nummer 2 konstatierte, dies sei ganz sicher ein bewusster Betrug. Warum auch immer ich naiver als meine Elfjährige bin – ich bin es.
Als ich wieder bei der Tagesmutter war, sprach sie das Thema nicht an und ich wartete ab. Ich wusste nicht, woran ich war.
Also sagte ich nach ein paar Tagen, dass sie ja noch Geld von mir bekäme. Ich ließ die Formulierung vage, damit ich diplomatisch auf die erlaubte Forderung nach dem Essensgeld umschwenken konnte, falls sie doch irgendwie bereits Bescheid wusste.
Daraufhin bekam ich dann ihren Zorn zu spüren:
“Wieso? Ihr kriegt doch was von mir! Ihr habt euch doch da beim Jugendamt gemeldet!”
kam es vorwurfsvoll von ihr. Dann regte sie sich auf:
“Ich hab mich so geärgert! So ein Schwachsinn! Ich hatte mit der Vorgängerin von der Frau Dingsda beim Jugendamt abgesprochen, wie viel Geld ich nehmen soll. Sie hat gesagt, die anderen Tagesmütter nehmen sechs Euro. Und das hab ich auch gemacht. Ganz toll, jetzt lohnt sich meine Arbeit ja gar nicht mehr!”
Von uns nahm sie die Zuzahlungen auch nach dem Verbot über das sie schriftlich informiert worden war, was sie im August mit ihrer Unterschrift bestätigt hatte, unerlaubt an. Von den Eltern mit den zuvor geschlossenen Verträgen nahm sie es auch, aber eben nach dem alten Recht legal. Diesen Umstand erfuhr ich später vom Jugendamt, nicht von ihr. Sie gab nicht zu, wissentlich gehandelt zu haben, erwähnt diese Möglichkeit auch überhaupt nicht. Sie regte sich nur auf.
Ich war ziemlich erschlagen, weil sie nun ja doch augenscheinlich wusste, dass ich der Anlass der Nachfrage vom Jugendamt war und mich niemand dahingehend vorgewarnt hatte.
Und ich war irritiert davon, dass sich nun ihre ganze Arbeit nicht mehr lohnte, weil sie auf unsere 60 Euro verzichten müsste. Ich dachte mir, dass es ärgerlich sein muss, für die gleiche Arbeit weniger Geld zu bekommen, aber ich sah es ja nicht ein, etwas zu bezahlen, dass ich nicht bezahlen muss.
Zuhause angekommen schilderte ich das Ganze kurz und recht sachlich der Dame vom Jugendamt. Diese ärgerte sich über die uneinsichtige Tagesmutter und sagte, ich solle auf die Rückzahlung bestehen. Ich erwähnte, dass mein Vertrauensverhältnis nun auch nicht mehr das beste sei, nachdem ich argwöhnen müsste, dass sie vielleicht doch vom Zuzahlungsverbot gewusst habe.
Ich erfuhr, dass die Tagesmutter hatte sich wohl gleich denken können, dass ich mich beim Jugendamt gemeldet hatte. Da sie von den anderen ja rechtmäßig Geld verlangte und nur von mir eben nicht. Sie hatte angerufen und war zu einem Gespräch eingeladen worden. Man hatte alles besprochen und sie sagte zu, das Geld zurückzuzahlen.
Beim meinem nächsten Besuch war sie nett und freundlich. Sehr sogar.
Die Rückzahlung sprach sie nicht an.
Ich beschloss, das Thema mal von meiner Seite zu erläutern, wenn sie mir das Geld dann bald zurückgeben würde. Das wäre sicher ein guter Zeitpunkt, das leidige Thema vielleicht abzuschließen und das Verhältnis wieder zu verbessern.
Ich würde ihr dann sagen, dass ich schließlich auf 150,- Betreuungsgeld verzichte, dann noch 80,- Elternbeitrag zahlte und wenn ich auch noch 60,- im Monat an sie abdrücke, dann würde ich für eine ermöglichte Reinarbeitszeit (ohne Bringen und Abholen) von vielleicht 12 Stunden pro Woche ja auf fast 300,- verzichten, um innerhalb dieser 12 Stunden sehr viel verdienen zu müssen, damit sich das überhaupt lohnt. Ein eigentlich politisches Thema, aber es ist nun mal einfach so. Auch meine Arbeit soll sich lohnen.
Ich würde ihr auch sagen, dass im Vertrag die Zahlungen eben nicht erläutert seien und ich daher beim Jugendamt nachgefragt hatte. Ich hatte ja nicht ahnen können, dass ich damit auf etwas Verbotenes aufmerksam machte. Klar hätte ich berechtige Forderungen gezahlt, aber doch keine unberechtigten.
Dann wäre meine Sicht auch dargelegt. Denn so war ich die doofe, geizige Petze und sie die arme, schuftende und unterbezahlte Tagesmutter.
Es nicht mehr zur glättenden Aussprache:
Gestern drückte sie mir die Kündigung in die Hand.
Leider seien nun zu viele Kinder bei ihr, weil der kleine Paule-Peter nun doch im August keinen Kindergartenplatz bekommen würde und dann wären es einfach zu viele. Im Angesicht der Qualitätssicherung ginge das nicht. Nummer 4 sei das zuletzt zu ihr gekommene Kind und müsse daher gehen. Sie habe ihn so gern gewonnen, es falle ihr wirklich furchtbar schwer.
Nummer 4 kam im Dezember. Ein anderer kleiner Junge ist erst seit zwei Wochen bei ihr … dieser kam definitiv zuletzt. Log sie mich gerade dreist an oder hatte sie den Eltern dieses Kleinen vielleicht schon vor uns im letzten Jahr zugesagt und ihn erst jetzt genommen?
Es fühlte sich wie eine Lüge an und ich wollte auch gerne nachfragen, aber was sollte es bringen, jetzt auf Konfrontation zu gehen? Ich blieb ruhig.
Ich raste eigentlich nie aus – ich bin nicht impulsiv. Aber ich komme auch leider nicht immer zu meinem Recht … genau wegen der fast manischen Impulskontrolle.
Nun brauchten wir jedenfalls ab 1. Juni eine neue Tagesmutter.
Also wendete ich mich wieder an die mir inzwischen gut bekannte Dame vom Jugendamt, damit sie mir eine vermitteln konnte.
Kaum hatte ich die Mail abgeschickt, klingelte das Telefon.
Sie wolle nun mit mir persönlich sprechen, sie sei total geschockt und sauer über so eine Frechheit. Sie habe meine Mail zwei Mal lesen müssen und habe bereits beim Lesen des Betreffs (“Kündigung durch Frau XY/Bitte um Vermittlung einer neuen Tagesmutter”) schlucken müssen.
Sie war viel wütender als ich.
Ich war hauptsächlich getroffen, dass jemand mein innig geliebtes Nummer 4chen rausschmeißt. Das Nummer 4chen, das sich immer so darauf freut, mit den anderen Kleinen dort zu spielen. Das immer selbst den Klingelknopf drücken will und sich in dem Grüppchen wohl fühlte. Das tat mir einfach weh.
Doch die Mitarbeiterin des Jugendamtes war richtig sauer. Sie sagte, das sei schlichtweg gemein und charakterlich so schwach, dass sie findet, Kinder sind bei so einer Person nicht gut aufgehoben.
Erst illegal Geld verlangen, sich dann nicht mal entschuldigen, sondern uneinsichtig herumpampen und am Ende kündigen? Es sei offensichtlich, dass das eine Retourkutsche sei. Völlig offensichtlich, da Nummer 4 definitv nicht das letzte zu ihr gekommene Kind sei.
Neben ihr saß derweil ihre Kollegin, die bereits neue Tagesmütter heraussuchte.
“Lassen sie uns schnell mal gucken, dass wir jemanden finden, der sofort kann. Dann ziehen wir ab sofort die Zahlungen an Frau XY zurück. Das würde mich persönlich freuen. Unmöglich so ein Verhalten! Die Kinder in diesem Alter durchleben schließlich eine Charakterbildung und dazu brauchen sie Vorbilder, die über genau das verfügen – da scheint Frau XY wenig geeignet,” kam es so ungefähr von ihr.
Ich sagte: “Ja, die Mischung aus Selbstlügen und Lügen muss ich auch erst einmal verdauen. Aber gut. Rein fachlich kann ich nichts Negatives über Frau XY sagen.”
“Wenn man sich so verhält, dann nützt reines Pädagogikwissen auch nichts. Überlegen sie mal, dass ihr Sohn Zeit mit so jemanden verbringt. Da können sie fast froh sein, dass sie nun wissen, was für ein Mensch sie ist. Wir finden jemanden für sie, keine Sorge.”
Ich erhielt die Nummer einer Tagesmutter, die ab sofort einen Platz hat und die ich morgen anrufen werde.
Die Mitarbeiterin sagte dann noch so ungefähr:
“Wir beide haben so etwas hier noch nie erlebt. Das tut uns wirklich leid. Wir wünschten, wir könnten das sanktionieren. Aber da haben wir keine vorgesehene Handhabe. Allerdings vermitteln wir die Kinder zu Frau XY. Und das können wir auch einfach lassen. Niemand zwingt uns, deren Nummer zu nennen, wenn Mütter hier anfragen. Wer Böses tut, darf auch mal Schmerzen leiden. Und bisher hat sie niemals erwähnt, nur drei Tageskinder haben zu wollen. Wir rechnen damit, dass sie statt ihres Sohnes in Zukunft ein anderes Kind übernehmen will und da machen wir dann nicht mit. Zuerst hat sie gesagt, es lohne sich nicht, wenn sie 60 Euro weniger bekommen würde. Wenn nun noch die 330 Euro des Jugendamtes wegbleiben, dann hat sich das Ganze für sie sicher ganz toll gelohnt.”
Ich muss jetzt mal sortieren, wie ich das Ganz finde.
Ich brauche ja immer ein bisschen, um meine Gefühle alle wahrzunehmen, denn das übe ich noch nicht sooo lange.
Aber nun horche ich mal in mich hinein, wo es so verdächtig still blieb, während die liebe Frau vom Jugendamt so wütend war.
Da ist sicherlich eben doch etwas los in mir.
Okay, ich schau mal hin:
Sauer bin ich und auch verletzt, weil es mir wehtut, dass mein Holzwürmchen aus der süßen Gruppe fliegt. Ich bin angewidert von einem Charakter, der so viel lügt – vor mir und sich selbst. Es ist genau das, was mir an Menschen übel aufstoßen kann: Unreflektiertes und Unehrliches. Wenn man Fehler macht, kann man diese einsehen und sich entschuldigen oder es wieder gutmachen. So wächst man seelisch und reift, man lernt dazu, oder?
Unerlaubt Kohle zu verlangen, in der Hoffnung, nicht aufzufliegen, ist gierig und kurzsichtig. Letzteres kann geistiges Unvermögen sein, damit kann ich leben. Aber die Gier dahinter finde ich abstoßend. Dauernd ausfallen, niemals Alternativtermine dafür an anderen Tagen anbieten, aber voll abrechen – illegal abrechnen – das ist wirklich eine Hausnummer.
Anschließend alle Schuld ausschließlich bei Anderen suchen und die dann als Sündenbock unter geradezu beleidigend fadenscheinigen Lügen rauswerfen – das ist echt … bäh.
Ich weiß schon, warum ich die Wahrheit so gerne mag. Auch die unangenehme, die man vor sich selbst eingestehen muss – das formt den Charakter, was nicht unbedingt zum Schlechten ist. Grrr …
Als arbeitende Frau mit der lieblichen Steuerklasse 5 wird man einfach nicht reich, das kenne ich. Habe auch schon meinen Halbtagsmonatslohn komplett in den Tank für die Fahrten zum Büro und in der Sommerferienbetreuung der Kinder versenkt. Kenne ich. Fühlt sich doof an. Man muss sich sagen, dass das gemeinsame Einkommen von Mann und Frau dann etwas höher ist, aber das der Frau halbiert sich eben.
Man fühlt sich n bisschen wie in der Beschäftigungstherapie, aber gut. Ma darf nicht alles negativ sehen. Ich hatte nette Kollegen, interessante Aufgaben, kam beruflich vorwärts, war chic angezogen und durfte alleine zur Toilette – das allein hat mir die Zeit im Büro total versüßt, echt.
Wenn die Tagesmutter vom Jugendamt für die drei zu betreuenden Kinder 990,- bekommt (und anscheinend noch Zuzahlungen der anderen Eltern mit den Verträgen von vor dem 1.8.2014), dann wird die Hälfte davon in Steuern und Versicherungen verschwinden. Das mag sich blöd anfühlen. Aber das berechtigt doch nicht zu unerlaubten Zahlungsaufforderungen. Wenn einem das als Aufwandsentschädigung/Verdienst zu wenig ist, dann kann man vielleicht einfach nur seine Elternzeit genießen und nicht drei zusätzliche Kinder betreuen. Wem das Freude bereitet, der macht es eben. Reich wird man durch Tagespflege ganz sicher nicht, aber ich weiß, dass es dennoch vielen Frauen und Männern Spaß macht.
Na, was sagt Ihr zu diesem wunderbaren Erlebnis in meine Welt der tagesmütterlichen Kinderbetreuung?