Was sagen uns wetterbedingte Stromüberschüsse? Die vorhandenen Ausgleiche müssen zügig durchgesetzt, gebaut und belohnt werden.

In den vergangenen Tagen wurde von überschüssigem Strom berichtet, der über die Bundesgrenzen geleitet werden musste. Das IWR hat errechnet, dass am frühen Nachmittag des 16. Juni erstmals über 60 Prozent der gesamten Stromerzeugung von Wind- und Sonnenenergie bestritten wurden. In der Mittagshitze kamen gut zwei Drittel von Solaranlagen. Ebenso können bei starken Winden Überschüsse entstehen, die ausgeglichen werden müssen, um das Netz stabil zu halten. Da diese Schwankungen auch die Nachbarstaaten tangieren, ist es für den europäischen Verbund wichtig, bereits vor Ort möglichst viel auszugleichen – dezentral. An der Pariser Börse hat man in diesem heißen Moment für den Stromverbrauch Geld erhalten – wenn wir nur in diesen Momenten ausreichend speichern könnten! Der Ausgleich dieser Schwankungen ist eine der größten Herausforderungen in der Energiewende. In meinen Recherchen für diesen Gastartikel zeigte sich, dass Andreas Kühl hier bereits ein halbes Kompendium zum Thema geschrieben hat. Ergänzend dazu beschreibe ich heute eine passende Studie vom Bundesverband Erneuerbare Energien, in welcher ausreichende technische Ausgleichsmöglichkeiten festgestellt worden sind – es muss nur gemacht werden.

BEE-Studie: „Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus erneuerbaren Energien“

Die Studie belegt, dass auch bei 100% regenerativen Energien ausreichende technische Ausgleichsmöglichkeiten bestehen – sofern das Stromnetz nach den Anforderungen der erneuerbaren Energien weitestgehend ausgebaut wird. Bei Verzögerungen im Netzausbau werden einige Kompensationsmöglichkeiten deutlich früher sinnvoll.

In der BEE-Studie kann man sich einen guten Überblick zu den unterschiedlichen Ausgleichsmöglichkeiten verschaffen. Zu diesen vermag ich hier nur einen kurzen, unvollständigen Einblick zu geben:

Mit dem “Demand Side Management” kann die netzgebundene Stromnachfrage in Industrie, Gewerbe, Kommunen und Privathaushalten durch Lastmanagement gesteuert werden. Es geht dabei ums Timing: Wenn viel Strom da ist, werden bestimmte Anlagen genutzt, und wenn wenig Strom da ist, werden mögliche Pausen eingelegt. Die Studie stellt besonders heraus, dass dabei auch Wärmepumpen bedarfsgesteuert mitwirken können.

Mit einer am Strombedarf orientierten Fahrweise können Biomasseanlagen ebenfalls für Ausgleiche sorgen. Mit Gas- und Wärmespeichern arbeiten die Blockheizkraftwerke in Biogasanlagen flexibel. Mit Wärmespeichern ist dies ebenfalls bei fester Biomasse möglich. Es muss dafür in technische Erweiterungen investiert werden. Auch fossil betriebene Kraft-Wärmekopplungs-Anlagen können stromgeführt werden, wenn man Wärmespeicher einbaut und die Anlagen vergrößert.

Selbst bei der schnellsten und klimaschonendsten Auslegung der Energiewende müssten für eine gewisse Zeit fossile Kraftwerke weiterlaufen. Flexibilität kann über das „Retrofit“ (Nachrüsten) vorhandener Kraftwerke und den Neubau hochflexibler thermischer Kraftwerke erbracht werden. Der Haken hierbei ist, dass durch die steigende Flexibilität des Gesamtsystems die Wirtschaftlichkeit dieser einzelnen Kraftwerke abnimmt.

Als Speicher dienen Pumpspeicher, Druckluftspeicher, Batteriespeicher und das große Gasnetz. Im Gasnetz können Biomethan und Gas aus umgewandelten Strom-Überschüssen mittels “Power-to-Gas-Technologie” gespeichert werden.

In der Studie sind zu allen Ausgleichsmöglichkeiten der Stand der Technik, das Leistungspotenzial, die Bereitstellungsdauer, die Wirtschaftlichkeit und die Umsetzungshemmnisse beschrieben – wirklich lesenswert.

Noch fehlen politische Anreize für Speicher und Lastmanagement

Die zweite Hauptbotschaft der Studie verstehe ich so, dass die technischen Potenziale vorhanden sind, aber die politischen Rahmenbedingungen fehlen. Für die Wirtschaftlichkeit der Ausgleichsmöglichkeiten müssen Anreize geschaffen werden und Hemmnisse abgebaut werden. Nach den Zielen aus dem Energiekonzept der derzeitigen Bundesregierung müssen nun also fleißig Anreize für Ausgleichsmöglichkeiten ausgearbeitet und durchgesetzt werden, um eine Energiewende in die Tat umzusetzen. Auch dazu bietet die Studie wichtige Hinweise, von denen ich hier Auszüge der kurzfristigen politischen Maßnahmen aufschreibe:

„Die am Strombedarf orientierte Fahrweise von KWK- und Biomasse-Anlagen sollte stärker gefördert werden, so dass die erforderlichen Zusatzinvestitionen refinanziert werden können, ..“

„Die Erschließung der Lastmanagement-Potenziale in der Industrie sollte unterstützt werden, damit diese im Bedarfsfall bei entsprechenden Preissignalen schnell einsetzbar sind.“

Studie zum Nachlesen: Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus erneuerbaren Energien.

Am Ende des Tages müssten die Anreize so gesetzt werden, das die Gesamtkosten der Energiewende optimiert worden sind und bitte mindestens die Klimaschutz-Ziele der Bundesregierung angepeilt werden. Dabei können Netzausbau- und Optimierung an vielen Stellen billiger sein als Speichertechnologien. Wir brauchen also einen Anreiz-Mix, der die Wirtschaftlichkeit und die Vielfalt in der Dezentralität reflektiert.

Aus meiner Sicht kann die Antwort auf derartige Berichte über Schwankungen bei extremen Wettersituationen nur die Anpassung an fluktuierende Naturgewalten sein. Die Überschüsse verraten uns aber auch, dass keine wirkliche Mangelsituation entsteht, wegen der man fossile Grundlastkraftwerke bräuchte. Gerade der Neubau hauptsächlich statischer Kohlekraftwerke hilft nicht bei der Anpassung, sondern hemmt die Energiewende. Zeitgemäß ist für mich nur, was  – mit moderner Informationstechnik vernetzt – dem Wetter gerecht wird.


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