Es geht um nichts weniger als die Zukunft Irans und die Verteilung der Macht im Land der Schiiten. Eine Weichenstellung für die nächsten Jahre sehen manche Beobachter in der am 14. Juni 2013 angesetzten Präsidentschaftswahl. Vermutungen, Spekulationen und wenig Greifbares kursiert unter Iranern, denn offiziell gibt es die Kandidaten für die kommenden Wahlen noch nicht. Wovon man aber getrost ausgehen kann ist, dass es grob gesehen drei Lager gibt, die offiziell natürlich dem Obersten Führer voll ergeben sein müssen, weshalb es schwierig wird positive Konsequenzen für den zukünftigen Stellenwert von Freiheit (Meinungsfreiheit, Bildungsfreiheit, usw, usf) und Rechten im Iran zu bestimmen. Die mit dem Teufel tanzen
Iran führt den offiziellen Beinamen Islamische Republik und hat ein in der Welt einmaliges System, dass von dem Gründer der I.R.I. und Vorbereiter des jetztigen Regimes Ayatollah Khomeini Herrschaft des Obersten Rechtsgelehrten genannt wurde. Vielen Voraussetzungen für diesen Obersten Rechtsgelehrten mussten nach dem Tod Khomeinis abgespeckt werden, damit der Kleriker und Kämpfer Ali Khamenei die Würden erfüllen konnte. Seither ist er redlich bemüht sich Glaubwürdigkeit und Legitimation zu verschaffen. Und da er nicht kurzerhand wie Khomeini Fatwas1 erlassen kann, ist er auf viele Aktivitäten2 und Entscheidungen angewiesen, die hinter dem offiziellen Geschehen stattfinden, um sein Gesicht zu wahren, aber seine Agenda der Machterhaltung und Machtausweitung voran zu bringen.
Um also verfassungskonform sich im Haifischbecken des politischen Establishments im Iran zu bewegen, muss man zumindest den Anschein erwecken dem Führer gegenüber loyal zu sein. Ein Tanz mit dem Teufel. Einige Protagonisten, die gefährlich werden könnten für den Obersten Führer, werden zunächst benutzt und dann aber auch schnell fallen gelassen und entsorgt3. Wer es wagen sollte die aufgebauschte Legitimität des Obersten Führers und seines Systems zu gefährden, würde ein hohes Risiko für sich und seine Familie eingehen. Den Teufel an den Haaren packen
Eine der wenigen Chancen die Gesellschaft aus den Krallen des Systems zu führen bevor es eine militärische Intervention von Außen gibt, kann darin liegen etwas gegen den Obersten Führer in der Hand zu haben. Das wäre ein gewisser Schutz vor seinen Nachstellungen. Einer, der sich auf diese Weise abgesichert haben muss, ist der derzeitige Präsident Mahmoud Ahmadinedschad. Oberflächlich gesehen gibt er den braven Mann seines Obersten Führers und weist immer wieder darauf hin, dass er nicht zu weit4 gehen darf, aus Respekt vor dem Obersten Führer. Ahmadinedschad beherrscht das Spiel der dosierten Provokationen. Er scheint genügend Munition in der Hinterhand zu haben.
Aus Geheimdienstkreisen ist durchgesickert, dass ein gewisser Esfandiar Rahim Mashaie sich im Informationsministerium zu Unterlagen durchgearbeitet hat, die den Obersten Führer und seinen ambitionierten Sohn Modschtaba Khamenei in sehr dunkle Machenschaften verwickelt schildern. Diese Unterlagen sind in den Händen von Ahmadinedschad und sicherlich hat er den Obersten Führer dies wissen lassen. Der Plan
Nachdem Präsident Ahmadinedschad in seiner ersten Amtsperiode das Herz des Obersten Führers sicherlich erfreut hat und als willige Marionette des Manns im Schatten agierte, hat er sich in seiner zweiten Amtszeit mehr und mehr emanzipiert. Das heisst, Ahmadinedschad hat in seiner ersten Amtszeit sein Netzwerk erweitert und in wichtige Posten gehievt und sein Team geformt, um in der zweiten Amtszeit die Zeit nach seiner Zeit in seinem Sinne zu lenken. Hier kommt der schon erwähnte Esfandiar Rahim Mashaie ins Spiel. Im Iran munkelt man Mashaie würde von Ahmadinedschad als sein Nachfolger vorbereitet.
Mashaie ist ein enger Vertrauter von Präsident Ahmadinedschad. Er ist auf mehrfache Weise mit dem Präsidenten verbunden. Mashaie leitete die Präsidentenkanzlei und wurde kürzlich zum Leiter des Sekretariats der Blockfreien Bewegung ernannt. Iran hat 2012 den Vorsitz der Blockfreien für drei Jahre übernommen. In der vom Präsidenten unterzeichneten Ernennung bezeichnet Ahmadinedschad die Freundschaft und Zusammenarbeit mit Mashaie als „ein Geschenk Gottes und große Ehre für mich“. Laut Ahmadinedschad werde Mashaie auf seinem neuen Posten für das Vaterland „weitaus größere Dienste leisten". Mashaie's Tochter ist mit Ahmadinedschads Sohn verheiratet. Ein Mann mit besonderer Ausstrahlung
Mashaie ist nicht unumstritten im Establishment der I.R.I. Konservative Prinzipalisten und loyale Anhänger Khameneis bezeichnen ihn als Anführer der „abweichlerischen Strömung“. Als Ahmadinedschad Mashaie zu Beginn seiner zweiten Amtsperiode zu seinem ersten Vizepräsidenten ernannt hatte, zwang ihn der Oberste Führer die Ernennung zu widerrufen. Daraufhin übergab Ahmadinedschad die Leitung seiner Kanzlei Mashaie. Ahmadinedschad wirft man vor unter dem Zauber Mashaies zu stehen. Mashaie vertritt eine Politik der Inklusion im starken Kontrast zu der großen Mehrheit der Revolutionäre innerhalb des politischen Establishments. Er fällt immer wieder durch Äußerungen zu einer toleranten und liberalen Kultur auf. Zum Beispiel behauptete er in einem Interview mit einer türkischen Zeitung es gäbe im Iran keinen Kopftuchzwang für Frauen - ein Affront für die Staatsmullahs. Was ihm jedoch die meiste Kritik eingebracht hat, war seine Einführung einer "Iranischen Denkschule", die sich von der "Islamischen Denkschule" abhebt. Die "Iranische Denkschule" will den arabischen Einfluss auf Religion und Kultur abwehren und an Werte anknüpfen, die mit den persischen Großkönigen vor 2000 Jahren zu tun haben.
Was die Mullahs weiter an Mashaie fürchten und unter vorgehaltener Hand kritisieren ist die Neigung Mashaies zu Mystik. Manche vermuten, dass er sich an einem unbekannten Meister der Mystik orientiert. Ein No-Go in der Ideologie des Velayat-e faghi. Angeblich soll er einen indischen Fakir aus Indien nach Qom geholt haben und einigen Mullahs eine praktische Lektion in Levitation gezeigt haben. Dergleichen mehr Geschichten ranken sich um Mashaie. Es wird ihm eine Ausstrahlung zugesprochen, die Menschen um sich für sich zu gewinnen. So sei ihm Ahmadinedschad auch verfallen. Werdegang Mashaies
Er wurde 1960 in Mashakalayeh, einer Vorstadt von Ramsar im Norden Irans geboren. In den frühen 80er Jahren trat er in den Geheimdienst der Pasdaran in der Provinz Mazandaran ein. Später diente er in der Kurdischen Provinz als die Kurden sich gegen Khomeini erhoben. Es wird berichtet, dass er die Politik der eisernen Faust zu Gunsten einer an Kultur orientierten Zugangsweise fallen liess, um die Sicherheitsprobleme der Region zu lösen. Sein erster Kontakt mit Ahmadinedschad stammt aus der Zeit als dieser Gouverneur von Khoy war. Danach wechselte er ins Innenministerium und wurde auch Direktor der Radiokanäle Payam und Tehran. Als Ahmadinedschad Bürgermeister von Teheran wurde fiel seine Wahl für den Posten des Sozial und Kulturressorts auf Mashaie. Mögliche Konkurrenten
Ahmadinedschad tritt schon länger als Kämpfer für Gerechtigkeit und gegen Korruption auf. So hat er vor seiner ersten Wahl zum Präsidenten den sehr einflussreichen Rafsandschani mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert. Vor kurzem ging er die Familie Laridschani mit dem Parlamentspräsidenten Ali Laridschani heftig an. Beide könnten sich als nächste Präsidentschaftskandidaten gerieren, vielleicht auch als Verbündete. Hier versucht Ahmadinedschad seine Gegner rechtzeitig vor der Wahl in die Ecke zu drängen. Das zweite Lager könnte sich um den derzeitigen Bürgermeister von Teheran scharen: Mohammad-Baqer Qalibaf gilt als aufsteigender Stern am Himmel, der dem Obersten Führer sehr recht sein könnte, da er noch nicht so viel Macht wie Rafsandschani oder Ahmadinedschad hat sammeln können und dadurch ein willigeres Instrument in den Händen Khameneis wäre. Unter all diesen Umständen sollte man aber auf jeden Fall nicht vergessen, dass Ahmadinedschad frohen Muts ist. Das kann er nur sein, wenn er etwas in der Hand hat. So liess er sich bei offiziellen Feierlichkeiten in Teheran feiern und animierte die Menge in Anlehnung an die Parole vom "Arabischen Frühling" auch den Frühling zu preisen.
Ahmadinedschad am 9. Februar 2013 in Teheran Das Bild soll einen symbolischen Wert darstellen. Die Botschaft Ahmadinedschad's vor dem Tor der Freiheit in Tehran: "Sehr her! Mit mir kommt der Frühling zur Freiheit!" Manche Beobachter sprechen Ahmadinedschad auch den Willen zu, eine viel größere Massenbewegung in Gang zu setzen als die "Grüne Bewegung" 2009, wenn sich die Dinge nicht so entwickeln sollten, wie er es vor hat. Ob das ein hohler Traum ist oder tatsächlich den Bürgerinnen und Bürgern Irans einen Weg in bessere Zeiten bereitet bleibt abzuwarten. 1. Rechtsgutachten eines hochstehenden Ayatollahs, das für seine Anhänger verbindlich ist. Wir erinnern an die Todesfatwa Khomeinis gegen Salman Rushdie. 2. Wir erinnern an die Kettenmorde an Politikern, Schriftstellern und anderen Kritikern aus den 90er Jahren. 3. Diese Formulierung ist sehr drastisch, gibt aber die Menschen verachtende Gesinnung und Handlungsweise des Obersten Führers wider. Wir erinnern an Said Emami, der für die Kettenmorde verantwortlich gemacht wurde und im Gefängnis an einer Portion angeblich freiwillig geschlucktem Haarentfernungsmittel verstorben ist. 4. Hinweis M. Ahmadindschads am 10. Februar 2013 bei einer öffentlichen Staatsfeier in Tehran nachdem er einige Tage zuvor den Parlamentspräsidenten Ali Laridschani und seine Familie mafiöser Machenschaften während einer Sitzung des Parlaments bezichtigt hat und eine offene Schlammschlacht zwischen Laaridschani und Ahmadinedschad entbrannt ist.