Sie ist eine von sieben, der man nachsagt, dass sie eine Todsünde sei. Invidia, zu Deutsch der Neid, ist ein psychologisches Phänomen, dem sich Grischka Voss im Off-Theater auf die Fersen heftet.
Der Neid hat viele Facetten
Das Ergebnis ihrer ausgedehnten Untersuchung dieses Themas ist derzeit in der Produktion „Invidia – Der böse Blick“ zu sehen und wider Erwarten im Gegensatz zur harten Thematik höchst vergnüglich. „Tanztheater Performance über die Geschichte des Neides“ ist der Abend untertitelt, wobei sich die Geschichte auf eine Kernfamilie konzentriert. Vater, zwei Schwestern und eine spätere Männerbeziehung einer der beiden.
Die Farbe Gelb
Am Beginn steht er im Mittelpunkt: Der Neid selbst, dargestellt durch Peter Beil, der auch für die restliche Choreografie der Inszenierung verantwortlich ist. In schwefelgelben Outfit, wie es die antike Überlieferung der Säftelehre verlangt, tanzt er in gebückter Haltung und mit ausdrucksstarken Gesten den Tanz eines Menschen, den der Neid durch und durch erfasst hat. Nahekommen möchte man ihm nicht wirklich. Ganz so wie im realen Leben, in dem man um neidbesetzte Menschen am liebsten einen großen Bogen macht.
Die Farbe Rot
In einer späteren Sequenz wird er ganz in Rot mit Zylinder und Frack, jedoch mit nacktem Oberkörper, noch einmal einen Solotanz vollführen und dabei so manchen aus dem Publikum gefährlich nahekommen. Im Mittelalter wurde Satan mit dem Neid in Verbindung gebracht. Und als solcher gebärdet sich der Tänzer und Choreograf auch und versucht, ganz einem alten Sprichwort verpflichtet, einzelne Besucherinnen und Besucher buchstäblich aufzufressen.
Psychologischer Ausgangspunkt – die Erziehung
Wie es überhaupt zu so einer Charaktereigenschaft kommt, rollt Voss gemeinsam mit ihrer Partnerin Rosa Braber in einzelnen, kurzen Szenen auf, wobei sich Schattenspiele hinter einem Vorhang und Szenen vor demselben abwechseln.
Zu Beginn müht sich ein kleines Menschlein vergeblich ab, eine Mutterbrust zu erhaschen, bald danach erfährt man von Rosa Braber so Einiges über ihre schwesterliche Hassliebe, die aus der Bevorzugung des Vaters einer Tochter resultiert. Im Laufe des Geschehens erwecken ungleich verteilte Begabungen neidvolle Gefühle, und schließlich ist Invidia auch maßgeblich daran beteiligt, dass eine Mann-Frau-Beziehung scheitert, in welcher jedoch – Gender sei Dank – einmal der Mann der Böse ist. In einem Pas-de-deux, anfangs ganz in Harmonie getanzt, gehen sich Voss und Beil letztlich an den Kragen.
Humor würzt auch zutiefst Schwarzes
Der Humor, der den Szenen jedoch beigemischt ist, übertüncht so manchen schwer ertragbaren Beziehungsumstand. Trotz der Gesichtsschminke, welche die Mitwirkenden wie traurige Clowns im Schattenreich aussehen lässt, spricht die Mimik von Voss und Braber Bände.
Das komödiantische Talent der beiden Frauen trägt das Publikum über so manch harte Szene. Da werden Sangeskünste und tänzerische Begabungen lächerlich gemacht, da wird das Märchen um Schneewittchen in einer wunderbaren 3-Minuten-Persiflage wiedergegeben, da würdigt ein Mann seine Frau keines Blickes, während ihm die andere huldigt. Immer ist es dabei das höchst lustvolle Spiel, mit welchem die beiden Schauspielerinnen ihr Publikum zu unterhalten wissen.
Grün vor Neid
Die Musik von KMET bietet nicht nur eine atmosphärenkreierende Untermalung, sondern auch komplette Songs mit englischen Texten, in welchen der Neid von unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet wird. Bis hin zu jenem Statement, in dem der Musiker selbst als Dr. Envy – Jack in einem grün schillernden Bühnenfrack auftritt. Dabei verkörpert er das Böse in jedem Menschen, das sich nicht ausrotten lässt, sondern das sich in seiner Version auch noch als Fortschrittsmacher generiert.
Die kurzweilige Show – mit wenig englischsprachigem Text – wurde vom Publikum mit Bravorufen und Standing Ovations quittiert.
Weitere Termine auf der Homepage des Off-Theater.