In der neuen Verordnung des Bundesrats zum Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) findet sich ein bemerkenswerter Passus über die Unabhängigkeit der Mitglieder. Wurde da eine «Lex Prasser» geschaffen?
«Was macht eigentlich…?» ist in Zeitschriften eine beliebte Rubrik, um dem Publikum Stars und Sternchen längst vergangener Zeiten in Erinnerung zu rufen. Die Frage kann aber durchaus auch im Fall von noch aktiven Persönlichkeiten von Bedeutung sein. «Was machen eigentlich die Mitglieder des ENSI-Rats im Hauptberuf?», fragte sich die «SonntagsZeitung» sinngemäss im Frühling 2011. Die Antwort darauf führte innert Wochen zum Rücktritt von Ratspräsident Peter Hufschmied. Dieser amtet als Verwaltungsratspräsident des Tropenhauses Frutigen, welches von der BKW mitfinanziert wird. Und da die BKW nicht nur das Vorzeigeprojekt für das Potential der Geothermie, sondern auch das vom ENSI kontrollierte AKW Mühleberg betreibt, wurde Hufschmied ein geradezu klassischer (wenn auch von ihm verneinter) Interessenskonflikt zum Verhängnis.
Um die Unabhängigkeit der Mitglieder des Gremiums zu gewähren, hat der Bundesrat die Verordnung über das ENSI und damit auch über den ENSI-Rat präzisiert – und dabei einen merkwürdigen Passus eingefügt. Zulässig ist demnach für die Mitglieder des ENSI-Rats «die Anstellung bei einer Hochschule in einem Fachbereich, der keine vom ENSI beaufsichtigten Kernanlagen betrifft». Der Verdacht liegt nahe, dass da eine «Lex Prasser» geschaffen werden soll, denn Professor Horst-Michael Prasser, Spezialist für Kernenergiesysteme, unterrichtet an der ETH Zürich, und diese betreibt tatsächlich keine eigene Kernanlage. Prasser selber ist jedoch alles andere als unabhängig von der Atomindustrie. Sein Lehrstuhl wird von Swissnuclear bezahlt, der Vereinigung der Schweizer AKW-Betreiber. Auch sein Engagement als Dozent für leserbriefschreibende Atomfachleute zeugt nicht eben von einer unvoreingenommenen Haltung.
Beim UVEK reagierte man gemäss «Bund» ungehalten auf die Frage, ob man den Passus extra wegen Prasser eingefügt habe. Und wenn auch: Selbst die Ausnahme in der Verordnung dürfte das Ende des Professors als Mitglied des ENSI-Rats nicht verhindern. Wer nämlich etwas weiter forscht, findet unschwer ein weiteres Engagement von Horst-Michael Prasser: als Vorsteher des «Laboratory for Thermal-Hydraulics» am Paul-Scherer-Institut in Würenlingen. Das Paul-Scherrer-Institut jedoch betreibt sehr wohl einen nuklearen Forschungsreaktor, der unter die Zuständigkeit des ENSI fällt. Es gilt damit als eine «vom ENSI beaufsichtigte Organisation» – und ein Job bei einer solchen ist Mitgliedern des ENSI-Rats verboten. Der umtriebige Professor und Dozent dürfte damit bei der anstehenden Wiederwahl des ENSI-Rats keine Chance haben. «Lex Prasser» hin oder her.