Es ist mal wieder soweit: Der Käfer, der alle unsere Kinder mal kurz gestreift hat, so dass sie ein paar Stunden lang ein wenig kränklich waren, hat mich niedergestreckt. Das ist immer so, wenn mal wieder alles ein bisschen viel wird. Und viel war es in den letzten Wochen eindeutig. Zu viel, wie mein Brummschädel, meine Gliederschmerzen und meine zittrigen Beine sagen wollen. Was nicht weiter schlimm ist, denn Au Pair sei Dank kann ich endlich wieder einmal krank machen, wenn ich krank bin und muss nicht durchbeissen bis zum Wochenende, wenn ich eigentlich schon längst wieder gesund wäre, mich aber dann aus Trotz doch noch einen Tag ins Bett lege. Nein, diesmal ist das Kranksein schon fast Genuss: Schlafen, soviel wie nötig, auf dem Sofa liegen und schreiben, wenn ein Text da ist, dem Gequassel der Kinder lauschen und mich daran freuen, dass ich krank sein darf.
Eines aber gab mir heute früh schon zu denken: Da sorgten „Meiner“ und das Au Pair dafür, dass die Kinder satt und sauber aus dem Haus gehen konnten und ich lag im Halbschlaf im Bett und wartete auf das übliche Geschrei. Aber das Geschrei kam nicht. Alles blieb so still, dass ich hin und wieder sogar ganz in den Schlaf abdriftete. Es war beinahe schon unheimlich: Kein Tobsuchtanfall von Luise, weil die Lieblingshose noch nicht gewaschen ist, kein Herumbrüllen von „Meinem“, weil der FeuerwehrRitterRömerPirat mal wieder keinen Wank tat, kein Gejammer von Karlsson, weil er seine Hausaufgaben nicht finden konnte. Der Zoowärter und das Prinzchen noch in seligem Schlummer, weil sie für einmal vor dem üblichen Radau verschont blieben.
So langsam begann ich, mir Sorgen zu machen. Ich meine, irgend etwas kann doch nicht stimmen, wenn die selben Kinder, die mich Morgen für Morgen fast in den Wahnsinn treiben, auf einmal so friedlich und folgsam sind. Und wie wir Mütter eben so sind, fing ich an, mir selber Vorwürfe zu machen. „Du bist eben einfach zu ungeduldig mit den Kindern, darum habt ihr jeden Morgen Krach“, meldete sich eine Stimme zu Wort. „Und du bist in deiner Morgenmuffeligkeit eben einfach so unausstehlich, dass man dich kaum ertragen kann“, meinte eine andere Stimme. Eine dritte warf mit vor, ich müsste mir eben jeden Morgen etwas Spezielles einfallen lassen, dann würden die Kinder auch fröhlicher in den Tag starten. So lag ich da, lauschte den Stimmen und wartete darauf, bis endlich das grosse Chaos vor der Schlafzimmertüre ausbrechen würde, doch das Einzige, was ich hörte, waren die Schritte der Kinder, als sie sich kurz vor acht Uhr fröhlich auf den Weg machten. Was meinem Selbstbewusstsein einen weiteren Stoss versetzte. Warum sind die immer so störrisch, wenn ich Dienst habe und kaum bin ich mal krank, sind sie lammfromm und tun, was Papa und Au Pair von ihnen erwarten?
Die Sache setzte mir derart zu, dass ich nicht mehr weiter schlafen konnte. Also kämpfte ich mich aus dem Bett, um mal aufs WC zu gehen. Und da sah ich auch gleich, weshalb unsere entzückenden Kinder heute so brav aus dem Haus gegangen waren: Draussen fiel der erste Schnee.