Warum Mitarbeiterführung viel mit dem Dirigieren eines Orchesters gemeinsam hat.
Prof. Schulz auf einem seiner Seminare
Wie werden aus etwa hundert oder noch mehr Individualisten, die noch beim Einspielen vor dem Konzert ein chaotisch durcheinander spielen, ein einheitliches Orchester?
Wie ein Unternehmen, so ist auch ein Orchester nur dann erfolgreich, wenn es
1. präzise zusammenarbeitet,
2. die Leidenschaft für ein gemeinsames Ziel entwickelt,
3. die Führung durch den Dirigenten gut ist.
Ein Orchester und sein Dirigent sind also in vielerlei Hinsicht der Modellfall eines erfolgreich geführten Unternehmens: Präzision im Zusammenspiel, aufeinander hören, Leidenschaft für ein gemeinsames Ziel, Balance zwischen Individualität und Geschlossenheit – das sind entscheidende Faktoren des Erfolges.
Doch oft sieht das Handeln einer Führungskraft ganz anders aus. Unklare Botschaften, eine Körpersprache, die aufgesetzt wirkt oder im Widerspruch zu den Inhalten steht oder eine technokratische Sprache, die keine positiven Emotionen weckt.
Führen hat immer einen hohen Anteil an Psychologie und Kommunikation. Nur emotionalisierte Mitarbeiter sind bereit, Außergewöhnliches zu leisten. Die Begeisterungsfähigkeit des Führenden ist also von entscheidender Bedeutung. Doch wie entwickelt man diesen emotionalen Führungsstil.
Einen tollen Ansatz lernte ich bei einem Workshop auf dem Trainercamp des BDVT letzte Woche kennen. In seinem Workshop “Dirigieren und Führen” gab Prof. Gernot Schulz einen Einblick, was er Führungskräften in seinen Seminaren beibringt. Und zwar nicht theoretisch, sondern durch praktisches Tun. Hier ein paar Beispiele:
- Wie kann man herausfinden, wie gut ein Team harmoniert?
Im Workshop ließ er uns, eine Gruppe von ca. 100 Trainern, Moderatoren und Coaches, einen Ton singen. In der ersten Minute waren natürlich viele verschiedene Töne zu hören, denn es war kein Ton vorgegeben. Aber man konnte hören, wie wir uns nach einer Weile einander anglichen und tatsächlich nach einer Weile alle denselben Ton sangen. Ohne jede Führung – nur mit der Zielvorgabe: Singt einen Ton!
Lerneffekt: Ein klares Ziel zu kommunizieren ist wichtig. Und so kann aus einer Gruppe von Individuen ein Team werden. Andererseits ist es für das Team wichtig, genau wahrzunehmen, was um einen herum passiert, nur so kommt es zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit.
- Führen heißt: die Richtung vorgeben.
Dazu braucht es klare Signale der Führungskraft. Einige aus dem Workshop konnte das gleich ausprobieren. Vier Töne, jeweils eine Terz höher wurden dem Publikum zum Singen vorgegeben und die “Dirigenten” sollten durch Ihre Handbewegungen zeigen, wie wir diese vier Töne singen sollten. Wann beginnen? Wie lange jeden Ton? Wie laut oder leise?
Lerneffekt: Unklare Zeichen führten zu keinem gemeinsamen Singen. Je klarer der Dirigent wusste, was er wollte, umso bereitwilliger folgten wir ihm und umso besser klangen die vier Töne.
- Klare Signale – aber nicht dominieren.
Beim Probe-Dirigieren im Workshop kamen sehr unterschiedliche Führungspersönlichkeiten zum Vorschein. Während einige zurückhaltend vor die Gruppe traten, schwangen andere kraftvoll die Arme und gaben uns sehr energisch die Einsätze.
Hier mahnte Schulz vor einer übertriebenen Zeichensetzung. Dadurch würden sich Musiker (oder Mitarbeiter) bevormundet oder nicht richtig ernst genommen fühlen und seien dann eher demotiviert.Wie man mit minimalen Hinweisen dirigieren kann, zeigt hier Leonard Bernstein:
Dirigieren lernen für Führungskräfte.
Was wir in dem kurzen Vortrag erleben konnten, macht Prof. Schulz auch gestandenen Führungskräften in seinen Seminaren mit einem richtigen Orchester möglich. Denn das Dirigieren eines Orchesters ist die direkteste Art der Menschenführung.
Der Dirigent erhält durch den von ihm durch seine Führungsvorgaben erzeugten Wohlklang beziehungsweise Missklang des Orchesters ein unmittelbares Feedback seiner Führungsintentionen und -qualitäten. Nicht erst in Monaten durch schlechte Ergebnisse oder im Jahresendgespräch.
Die vier wichtigsten Gemeinsamkeiten für die Entfaltung der kreativen Kraft eines Orchesters oder eines Arbeitsteams sind nach Prof. Schulz:
1. Kultur der Wahrnehmung
Dazu gehört einerseits die Eigenwahrnehmung des Musikers oder Mitarbeiters. Er muss ständig an sich üben, um das eigene “Spiel” zu verbessern.
Gleichzeitig bedarf es der Fremdwahrnehmung. Miteinander Musizieren ist Teamarbeit, bedarf also einer ständigen Wahrnehmung dessen, was die Anderen machen. Isolierte Höchstleistungen von Einzelnen können dem Team schaden, wenn sie aufgrund fehlender Fremdwahrnehmung nicht auf das gemeinsame Ziel hin gerichtet sind.
Hinzu muss die Wahrnehmung des Dirigenten kommen.
So wie die Führungskraft muss er/sie möglichst schnell und fein wahrnehmen, wenn sich Fehler oder Unstimmigkeiten im Team einschleichen.
2. Qualitätskultur
Musizieren auf professionellem Niveau beinhaltet tägliches mehrstündiges Üben und Verbessern. Auch das Orchester probt vor jedem Konzert, um für sein Publikum (die Kunden) eine optimale Leistung zu erbringen. Insofern praktizieren ein Orchester und sein Dirigent eine hoch entwickelte Vorbereitungs- und Qualitätskultur, wie sie auch in Abteilungen, Teams oder Unternehmen möglich ist.
3. Die fachliche Kompetenz des Dirigenten
Leonard Bernstein sagte mal zu angehenden Dirigenten:
Ihr seid die Stellvertreter der Komponisten. Die sind meistens tot und können sich nicht mehr wehren. Ihr habt die Verantwortung für ihre Werke. Ihr habt nur dann das Recht, euch vor ein Orchester zu stellen, wenn ihr der Kompetenteste im Raum seid.
4. Die Kommunikation der Führungskraft
Diese Kompetenz teilen Dirigent und Führungskraft durch ihre Kommunikation mit. Dazu braucht man vor allem die Aufmerksamkeit des Orchesters. Diese erreicht man durch:
- Gut dosierte Impulse.
Zu wenige Führungsimpulse sorgen für Unsicherheit, die Mitarbeiter wissen nicht, wo es lang gehen soll.Zu kleinteilige häufige Impulse sind auch schlecht. Dann fühlen sich Musiker wie Mitarbeiter unterschätzt und es fehlt das Aufzeigen der großen Handlungs- und Spannungsbögen.Durch überflüssige Impulse verliert man den Respekt und untergräbt seine fachliche Autorität.Zu viele Impulse verbreiten Langeweile und Unaufmerksamkeit.Ein Meister der minimalen Signale war auch Herbert von Karajan. Durch seine auf das Mindestmaß reduzierten Führungsimpulse steigerte er die Aufmerksamkeit seiner Musiker auf ein Höchstmaß.
- Vermittlung von Ziel und Vision
Eine Symphonie ist zunächst nicht mehr als eine Ansammlung von schwarzen Punkten und Linien auf weißem Papier. Daraus etwas Faszinierendes entstehen zu lassen, das ist der Kern der Führungsverantwortung als Dirigent.Neben der technisch-handwerklichen Perfektion hinaus muss der Dirigent den Inhalt, den Geist, den Sinn des Ganzen den Musikern vermitteln. Nur dann werden sie sich mit ihrer Aufgabe identifizieren. Und nur dann lassen sie sich auch emotional darauf ein.
Und Emotionen sind die stärkste Verbindung zwischen Menschen. Diese überträgt sich im besten Fall auch auf das hergestellte Produkt.
Und wie weckt man diese Emotionen? Sicher nicht durch Vorschriften. Besser als technische Anweisungen zu geben, ist es, in Bildern, Fantasien und Metaphern zu sprechen, um am Ende Emotionen in den Köpfen und Herzen der Musiker oder Mitarbeiter entstehen zu lassen.
Bei meinem Seminar “Emotionale Intelligenz” 5. – 7. Juni
sind noch 2 Plätze frei!
Dieser Prozess kann sich dann auch auf das Publikum übertragen, wie jeder, der mal bei einem mitreißenden Konzert war, schon erlebt hat.
Nicht was wir tun, sondern wie wir es tun, was wir tun, löst Begeisterung aus.
Neugierig geworden?
Er ist langjähriger Berliner Philharmoniker, von Karajan und Bernstein geförderter Musiker und Pädagoge, und heute ein international gefragter Dirigent.
Erreichen können Sie ihn über seine Website: http://dirigierenundfuehren.com
Welche Parallelen sehen Sie zwischen Führen und Dirigieren?
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