Quelle: Helmut Mühlbacher
Ihr Lieben,heute Abend möchte ich Euch einen Abschnitt aus dem Buch MOMO von Michael Ende aus dem zweiten Kapitel zu lesen geben:
„Eine ungewöhnliche Eigenschaft“
"Von nun an ging es der kleinen Momo gut, jedenfalls nach ihrer eigenen Meinung. Irgendetwas zu essen hatte sie jetzt immer, mal mehr, mal weniger, wie es sich eben fügte und wie die Leute es entbehren konnten. Sie hatte ein Dach über dem Kopf, sie hatte ein Bett und sie konnte sich, wenn es kalt war, ein Feuer machen. Und was das Wichtigste war: Sie hatte viele gute Freunde.
Man könnte nun denken, dass Momo ganz einfach großes Glück gehabt hatte, an so freundliche Leute geraten zu sein -, und Momo selbst war durchaus dieser Ansicht.
Aber auch für die Leute stellte sich schon bald heraus, dass sie nicht weniger Glück gehabt hatten. Sie brauchten Momo und sie wunderten sich, wie sie früher ohne sie ausgekommen waren.
Und je länger das kleine Mädchen bei ihnen war, desto unentbehrlicher wurde es ihnen, so unentbehrlich, dass sie nur nach fürchteten, es könnte eines Tages wieder auf und davon gehen.
Quelle: Astrid Müller
So kam es, dass Momo sehr viel Besuch hatte. Man sah fast immer jemand bei ihr sitzen, der angelegentlich mit ihr redete. Und wer sie brauchte und nicht kommen konnte, schickte nach ihr, um sie zu holen. Und wer noch nicht gemerkt hatte, dass er sie brauchte, zu dem sagten die Anderen: »Geh doch zu Momo!«Dieser Satz wurde nach und nach zu einer feststehenden Redensart bei den Leuten der näheren Umgebung. So wie man sagt: »Alles Gute!« oder »Gesegnete Mahlzeit!« oder »Weiß der liebe Himmel!«, genauso sagte man also bei allen möglichen Gelegenheiten: »Geh doch zu Momo!«
Aber warum? War Momo vielleicht so unglaublich klug, dass sie jedem Menschen einen guten Rat geben konnte? Fand sie immer die richtigen Worte, wenn jemand Trost brauchte? Konnte sie weise und gerechte Urteile fällen?
Quelle: Helmut Mühlbacher
Nein, das alles konnte Momo ebenso wenig wie jedes andere Kind.Konnte Momo dann vielleicht irgendetwas, das die Leute in gute Laune versetzte?
Konnte sie zum Beispiel besonders schön singen?
Oder konnte sie irgendein Instrument spielen?
Oder konnte sie – weil sie doch in einer Art Zirkus wohnte – am Ende gar tanzen oder akrobatische Kunststücke vorführen?
Nein, das war es auch nicht.
Konnte sie vielleicht zaubern?
Wusste sie irgendeinen geheimnisvollen Spruch, mit dem man alle Sorgen und Nöte vertreiben konnte?
Konnte sie aus der Hand lesen oder sonst wie die Zukunft voraussagen?
Nichts von alledem.
Was die kleine Momo konnte wie kein anderer,
das war: Zuhören.
Momodenkmal in Hannover
www.wikipedia.org
Nicht etwa, weil sie etwas sagte oder fragte, was den Anderen auf solche Gedanken brachte, nein, sie saß nur da und hörte einfach zu, mit aller Aufmerksamkeit und aller Anteilnahme.
Dabei schaute sie den Anderen mit ihren großen, dunklen Augen an, und der Betreffende fühlte, wie in ihm auf einmal Gedanken auftauchten, von denen er nie geahnt hatte, dass sie in ihm steckten.
Quelle: Helmut Mühlbacher
Sie konnte so zuhören, dass ratlose oder unentschlossene Leute auf einmal ganz genau wussten, was sie wollten.Oder dass Schüchterne sich plötzlich frei und mutig fühlten.
Oder dass Unglückliche und Bedrückte zuversichtlich und froh wurden. Und wenn jemand meinte, sein Leben sei ganz verfehlt und bedeutungslos und er selbst nur irgendeiner unter Millionen, einer, auf den es überhaupt nicht ankommt und der ebenso schnell ersetzt werden kann wie ein kaputter Topf - und er ging hin und erzählte alles das der kleinen Momo, dann wurde ihm, noch während er redete, auf geheimnisvolle Weise klar, dass er sich gründlich irrte, dass es ihn, genauso wie er war, unter allen Menschen nur ein einziges Mal gab und dass er deshalb auf seine besondere Weise für die Welt wichtig war.
So konnte Momo zuhören.“
Ihr Lieben,
jede, jeder von uns kennt das alte Sprichwort:
Weil in diesem Sprichwort das Schweigen höher bewertet wird, wird das Reden abgewertet, als sei es etwas Schlechtes. Das aber stimmt nicht.
Beides ist wertvoll, sowohl das Silber als auch das Gold!
Wenn das Reden etwas Schlechtes wäre, würde das Sprichwort lauten:
Reden ist Blech, Schweigen ist Gold!Das Einzige, worauf uns das Sprichwort „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“ hinweisen möchte, ist die Tatsache, dass das Schweigen noch wertvoller ist als das Reden.
Ich würde mich freuen, wenn es mehr Menschen geben würde,
die zuhören können wie Momo.
www.hallo-lübbecke.de
Woran liegt das nur, dass wir so schlecht zuhören können?Das hat mehrere Gründe:
…wir sind oft ungeduldig, wir sind kaum bereit, den anderen Menschen ausreden zu lassen, ihm wirklich bis zum Ende zuzuhören.
…sobald der Andere etwas sagt, dass nicht unserer Meinung entspricht, stehen wir in der Versuchung, ihn zu unterbrechen und ihm ein lautes „Ja, Aber“ entgegen zu schleudern.
…wir glauben oft, dem Anderen, der uns etwas erzählt, die Lösung seiner Probleme präsentieren zu müssen, statt die Geduld aufzubringen, ihn die Lösung selbst finden zu lassen.Ich kann Euch allen nur empfehlen, Euch auf ein spannendes Abenteuer einzulassen:Nehmt Euch selbst zurück und lernt, dem anderen Menschen wirklich zuzuhören.
Eure Partnerin, Euer Partner, Eure Kinder und Enkelkinder, Eure Freunde und Bekannten werden es Euch von ganzem Herzen danken.
Denn Menschen, die zuhören können wie Momo, sind soooooooooo selten und sie werden soooooooooo dringend benötigt!!!
Mein geliebter Großvater hat immer zu mir gesagt:
„Gott hat uns zwei Ohren und einen Mund geschenkt.
Das bedeutet, er möchte, dass wir doppelt so viel Zeit damit verbringen, zuzuhören als zu reden. Wenn Gott gewollt hätte, dass wir doppelt so viel reden wie wir zuhören, hätte er uns nur ein Ohr geschenkt und zwei Münder!“
In diesem humorvollen Satz meines Großvaters steckt eine tiefe Wahrheit, denn sie enthält die Lösung, wenn wir unser Reden und unser Zuhören in das rechte Verhältnis zueinander bringen wollen.
Wir sollten uns vornehmen für das Zuhören doppelt so viel Zeit aufwenden wie für das Reden. Wenn wir uns das vornehmen, schützt uns das davor, zu viel zu reden, und hilft uns dabei, anderen Menschen in ausreichendem Maße zuzuhören.
Ihr Lieben,
ich wünsche Euch ein heiteres geruhsames Wochenende und grüße Euch herzlich aus dem frühlingshaften BremenEuer fröhlicher Werner
Quelle: Karin Heringshausen