Was ist wertvoller: Ein Goldstück oder ein Samenkorn?

Von Wernerbremen


Ihr Lieben,
ich möchte Euch heute Abend eine Geschichte von Monika Endres erzählen:
„Nur ein Samenkorn“
„Es lebte einmal ein sehr alter Mann. Der Mann besaß ein großes Stück Land, dass er ein Leben lang bestellt hatte und das er über alles liebte. Auf diesem Land wuchsen die seltensten Kräuter, die buntesten Blumen und das süßeste Obst.
Da der Alte nun spürte, dass er selbst bald ein Teil dieser Erde sein würde, überlegte er, wemm er sein Land vererben sollte.
Der Mann hatte zwei Söhne, die er beide sehr lieb hatte.
Beide Söhne waren fleißig und gut geraten.
 
So fiel dem Alten die Entscheidung besonders schwer, welchem von beiden er sein Lebenswerk hinterlassen sollte. Eines Tages rief er beide Söhne zu sich und sagte:
„Bringt mir bis morgen das, was Ihr für Euch das Wertvollste ist!“

Die beiden jungen Männer gingen und brachten am anderen Tag dem Vater,
was er verlangt hatte.
Der Alte fragte zuerst den Älteren: „Nun, mein Junge, was hast Du mir mitgebracht?“
Der Junge öffnete seine Hand und darin lag ein funkelndes Goldstück.
„Das hab ich Dir gebracht“, sagte der älteste Sohn, „denn Gold ist ein wunderschönes Metall und es steckt viel Schweiß und Arbeit darin, um aus einem Klumpen eine Münze zu fertigen. Und wer viel Gold besitzt, ist reich und kann sich alles kaufen.“
„Ja, Gold ist etwas sehr Wertvolles“, meinte der Vater, Du hast gut gewählt.“
Dann fragte er den Jüngeren, was er Wertvolles habe.
Der zweite Sohn öffnete seine Hand und darin lag ein kleines Getreidekorn.

Das ist für mich das Wertvollste“, sagte der Junge ehrfürchtig. „Was für eine wundervolle Kraft steckt in diesem Samenkorn. Lege ich es in die Erde und lasse es vom Regen nass werden und von der Sonne wärmen, dann wird eine große, starke Pflanze daraus, die schwere Ähren trägt, und aus diesen Ähren wird wohl das Wichtigste bereitet, das ich kenne: Das Brot.“

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„Mein Bruder hat vorhin gesagt, dass man für Gold alles kaufen kann.
Aber wenn es keine Samenkörner mehr gibt und nichts mehr wachsen kann, dann nützt auch eine ganze Welt aus Gold nichts mehr, wir müssten alle sterben. Darum habe ich dieses unscheinbare Getreidekorn gewählt.“

Der Vater nickte lächelnd und sagte: „Auch Du hast gut gewählt, mein Junge, und ich weiß jetzt, dass nur Du mein Land bekommen kannst, wenn sich meine Augen für immer geschlossen haben.“

„Du aber“, sagte er zum ältesten Sohn, „Dich schicke ich zu einem Goldschmied. Du sollst die Kunst erwerben, aus einem Klumpen Gold schimmerndes Geschmeide zu fertigen.“


Ihr Lieben,

zunächst einmal erfüllt mich tiefe Freude, wenn ich eine solche Geschichte lese, dass ich in unserer heutigen Zeit leben darf. Auch unsere heutige Geschichte ist sehr lehrreich, aber der geschichtliche Hintergrund, in den sie eingebettet ist, gefällt mir gar nicht:

In dieser Geschichte ist nur von dem Vater und seinen beiden Söhnen die Rede:
Wo waren die Mutter, die Großmutter, die Schwestern?
Frauen spielten damals gesellschaftlich leider gar keine Rolle.
Alle Entscheidungen hatten die Väter zu fällen und die Söhne waren die Einzigen, die etwas erbten.
Zum Glück hat sich das inzwischen geändert
und wir leben im Zeitalter der Gleichberechtigung.

Nun aber zu unserer Geschichte:
Wohlstand und auch Gold sind sicher nicht zu verachten. Und Gold mag eine gute Reserve für schlechtere Zeiten sein. Aber, wie der jüngere Sohn so richtig bemerkte, in Notzeiten kann man Gold nicht essen und wenn keiner mehr da ist, der mein Gold kaufen möchte, dann kann ich damit wenig anfangen.

Aber mir geht es heute Abend weniger um das echte Gold und das echte Getreidekorn, mir geht es heute Abend vor allem darum, dass wir erkennen, dass Wohlstand und Reichtum nicht das Beste, das Wichtigste im Leben sind.
Wären sie es, dann müssten alle Reichen auf dieser Welt die glücklichsten Menschen auf dieser Erde sein.
Wer ein wenig mit offenen Augen die Zeitungen liest und das Fernsehen verfolgt, wird sehr schnell feststellen, dass es sehr viel unglückliche reiche Menschen gibt.

Was wir wirklich brauchen,
sind Freude, Friede und herzerweichende Freundlichkeit
sind Liebe, Lob und ein strahlendes Lächeln
sind Ermutigung, Hoffnung und niemals aufgebende Zuversicht
sind Zuversicht, Zuwendung, Zärtlichkeit und Zeit für uns selbst und Andere

Wer diese Dinge sein Eigen nennen kann, zu dem kommt das Glück zu Besuch und nimmt bei ihm Wohnung.
Wer diese Dinge aber nicht sein Eigen nennen darf, ist wahrhaft ein armer Wicht!

Das Allerwertvollste an diesen aufgezahlten wunderbaren Dingen aber ist,
dass sie sich vermehren, wenn wir sie weitergeben.

Ein Goldklumpen, den wir in die Erde legen, bleibt allein, er vermehrt sich nicht.
Ein Goldklumpen, den wir verschenken, ist unwiederbringlich weg.

Liebe, Ermutigung, Zuwendung – um nur drei zu nennen – aber vermehren sich, wenn wir sie verschenken wie das Getreidekorn. Deshalb sollte es unsere Lebensaufgabe sein, wo wir gehen, stehen oder liegen, Liebe, Ermutigung und Zuwendung und alle die anderen wunderbaren Dinge weiterzugeben.
So machen wir Andere glücklich und auch uns selbst.
Ich wünsche Euch eine gute Nacht, die Euch erquickenden Schlaf bereitet und grüße Euch ganz herzlich wieder einmal aus meinem Garten
Euer fröhlicher Werner aus Bremen

Quelle: Karin Heringshausen