Für Außenstehende ist oft schwer verständlich, wieso ich in Hannover wohne. Und das auch noch gerne. Messestadt. Umsteigebahnhof. Autobahnkreuz. Gibt’s da sonst noch was?
Hannover ist das Mauerblümchen unter den deutschen Großstädten. Unscheinbar steht es da, zwar mitten auf der Deutschlandkarte, aber doch kaum wahrgenommen. Andere Städte stehlen Hannover die Schau. Hamburg und München haben einfach mehr Glamour, neben ihrem Funkeln kann Hannover nicht mithalten. Hannover hat keine berühmten Bauwerke wie Köln, Dresden oder Leipzig. Keine lebendige Geschichte wie Nürnberg oder Heidelberg. Keine Hochhäuser wie Frankfurt. Keine bedeutende Universität und noch nicht mal eine erfolgreiche Fußballmannschaft. Hannover liegt weder am Meer noch in den Bergen. Und Berlin ist Hannover schon gleich gar nicht. Hannover ist einfach nur da, und niemand weiß genau, wieso.
Ich bin über beide Ohren in meine Mauerblümchen-Stadt verliebt. Es war keine Liebe auf den ersten Blick, kein Hals-über-Kopf in die Liebe geschleudert werden. Es war ein schleichender, kaum merklicher Prozess, ohne wüste Gefühlsausbrüche, ohne Tränen. Meine Liebe zu Hannover ist kein flammendes Feuer, lodernd in meiner Brust. Es ist mehr ein sanftes eingelullt sein in warmen, weichen Wellen der Glücksseligkeit. Dass ein Mauerblümchen mehr Tiefe hat, als man von außen merkt, weiß ich als ehemaliges Profi-Mauerblümchen nur allzu gut. Eine Stadt wie Hannover lernt man nicht an einem Tag kennen und lieben. Dazu braucht es mehr Tiefgang, mehr Verständnis, mehr Geduld.
Obwohl ich nicht aus Hannover stamme, bezeichne ich die Stadt mittlerweile als meine Heimat. Und ich weiß, dass es nicht nur mir so geht. Hannover ist generell beliebter bei seinen Bewohnern als bei Besuchern. Denn Einwohner sehen eine Stadt meist mit anderen Augen als Touristen. Für Touristen sollte eine Stadt möglichst eindrucksvoll sein. Viele Erlebnisse in kurzer Zeit. Für die Bewohner sind es andere Dinge, die zählen.
Im Rahmen ihrer neuen Ausstellung „Typisch Hannover?!“ stellt das Historische Museum Hannover nun genau diese Eigenarten vor, die die Stadt für ihre Bewohner so einzigartig und lebenswert machen.
Ich möchte euch im Folgenden meine ganz persönlichen Punkte vorstellen, die für mich das Leben in Hannover ausmachen und die in meinen Augen einfach typisch Hannover sind. Die Punke 1 bis 3 decken sich mit den Punkten in der Ausstellung „Typisch Hannover“, die anderen nicht. Natürlich gibt es in der Ausstellung noch einige weitere Punkte, die für mich aber nicht das typische Hannover darstellen, wie ich es in meinen Augen sehe.
Wie stellt man sich eigentlich den typischen Hannoveraner vor? (Aus der Ausstellung „Typisch Hannover?!“
Typisch Hannover #1: Parks und Grünflächen
Was ich an Hannover am meisten liebe, sind seine vielfältigen Grünflächen. Egal, wo ich mich gerade in der Stadt befinde, ein Park ist nie weit entfernt. Hannover ist Deutschlands grünste Stadt (gemessen an Grünfläche in km² pro Einwohner).
Neben den vielen kleinen Parks gibt es aber auch große zusammenhängende Grünflächen. Wie die Eilenriede, ein riesiger Wald, der im Osten des Zentrums beginnt. Der Maschsee liegt im Süden des Zentrums und lädt Jogger, Fahrradfahrer und Skater zu einer 6 km langen Umrundung im Grünen ein. In den Herrenhäuser Gärten im Norden des Zentrums wiederum treffen sich die Studenten zum Grillen und Feiern im Georgengarten. Der nächste Park ist 400 m von meiner Haustür entfernt. Und 600 m in der anderen Richtung. Von dort aus schaffe ich es, bis ans andere Ende der Stadt zu gelangen und – bis auf kurze Unterbrechungen um eine Straße zu überqueren – nur im Grünen unterwegs gewesen zu sein.
Parks und Grünflächen sind für mich ein wahres Qualitätsmerkmal einer Stadt, vor allem zum Wohnen. Nur, wenn ich mich in einer Stadt auch innerhalb von Grünflächen erholen kann, kann ich mich in der Stadt auch wohlfühlen und dort glücklich werden.
Der Blick von Neuen Rathaus – Grün, soweit das Auge reicht, und das mitten in der Innenstadt!
Typisch Hannover #2: Straßenkunst
Straßenkunst ist in Hannover allgegenwärtig. Ob hängende Autos an der Hochstraße, die Skulpturenmeile am Cityring oder die bunten Nanas von Nikki de Saint-Phalle am Hohen Ufer. Die Straßenkunst in Hannover ist viel mehr als nur Streetart und Graffiti. An vielen Ecken und Straßen finden sich Skulpturen oder Mosaike. Meist völlig unaufdringlich, so, dass man sie im Vorbeigehen kaum bemerkt. Und trotzdem ist sie da. Auch wenn ich eher ein Kunstbanause bin und ich eine versteckte tiefere Bedeutung der Stücke oft nicht bemerke oder verstehe, macht mich die bloße Anwesenhenheit von Kunst doch fröhlich. Etwas Buntes in der Stadt zu haben, ist auf jeden Fall nie verkehrt.
Die Skulptur „Another Twister“ vor dem Sprengel Museum
Ob die auch einen tieferen Sinn haben? Kunst an der Georgstraße
Flohmarkt am Hohen Ufer bei den Nanas
Typisch Hannover #3: Hannoversche Architekturschule
Häh? Architekturschule? Noch nie gehört. So bedeppert stand nicht nur ich im historischen Museum, als die Hannoversche Architekturschule als Typisch Hannover vorgestellt wurde. Bei der Hannoverschen Architekturschule handelt es sich nicht, wie ich zuerst dachte, um ein Schulgebäude, sondern um eine architektonische Bauweise. Sie soll mittelalterlich anhauchen und ist geprägt und Verzierungen und Schmuckelementen an Gebäuden wie Wohnhäusern, Kirchen, aber auch an Industriebauten oder Schulen. Die Häuser, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach der Hannoverschen Architekturschule erbaut worden sind, haben beispielsweise schmückende Giebel, kleine Skulpturen und Köpfe an der Fassade oder Türmchen. Das Stadtbild ist in vielen Straßen von der Architektur der Hannoverschen Architekturschule geprägt. Am markantesten sind wohl das Alte Rathaus und die Christuskirche.
In der Anfangszeit der Beziehung zu meinem Freund sind wir oft einfach durch die Straßen Hannovers gelaufen, haben uns die Häuser angeschaut und diskutiert, in welchem der Häuser wir später wohnen wollen. Eins mit Türmchen und Balkon soll es sein, in Hannover nicht so schwer zu finden.
Mehr Infos zur Hannoverschen Architekturschule findet ihr bei Wikipedia.
Das Rathaus darf in keinem Artikel über Hannover fehlen …
Typisch Hannover #4: kurze Wege
Hannover ist eine sehr kompakte Stadt. Länger als eine halbe Stunde brauche ich nie, um von A nach B zu kommen, auch wenn diese Strecke einmal quer durch die Stadt ist. Das liegt zum einen am gut ausgeklügelten öffentlichen Nahverkehr, der alle Himmelsrichtungen mit der Stadtbahn schnell erreichbar macht. Egal, wo man hinwill – mit der Stadtbahn muss man maximal einmal umsteigen, denn alle Linien treffen sich in der Stadtmitte an der Station Kröpcke. Aber auch mit dem Fahrrad oder gar zu Fuß ist die Stadt sehr kompakt. Oft bin ich mit dem Fahrrad schneller als mit der Bahn oder zu Fuß schneller als mit dem Bus.
Typisch Hannover #5: Fahrrad fahren
Der Punkt ergibt sich quasi direkt aus den Punkten 1 und 4. Seine vielen Grünflächen und die kurzen Wege machen Hannover zu einer äußerst fahrradfreundlichen Stadt. Dass ich mit dem Fahrrad einmal quer durch die Stadt komme, und dabei fast ausschließlich im Grünen unterwegs bin, hatte ich ja oben bereits geschrieben. Dazu kommt, dass es innerhalb der Stadt außer an ein paar Brücken kaum nennenswerte Steigungen gibt. Einige mögen das vielleicht langweilig finden, ich bin jedoch einfach froh drum, dass ich mit dem Fahrrad dadurch so gut vorankomme.
Das Fahrradfahren wird innerhalb der Stadt auch immer öffentlicher. Lange Zeit galt Hannover als „autofreundliche Stadt“, aber das Image ändert sich zum Glück langsam ab. Es kommen immer mehr Radwege auf den Straßen dazu. Auf vielen großen Straßen gibt es Fahrradspuren und Fahrradampeln. Um Radwege verbreitern zu können, werden teilweise die Straßen sogar verengt. Eine wie ich finde sehr erfreuliche Tendenz weg von der autofreundlichen Stadt hin zur fahrradfreundlichen Stadt. Mittlerweile gibt es an fast allen größeren Straßen gute Regelungen, wo Fahrradfahrer fahren können und wie sie abbiegen sollen, was zeigt, dass das Fahrradfahren auch in der Stadtplanung und der Politik immer wichtiger wird und sich immer weiter an das Autofahren annähert.
Skyline Hannover (aus der Ausstellung „Typisch Hannover?!)
Das sind meine Punkte, wieso ich Hannover so liebe. Die Stadt ist wirklich liebenswert zu ihren Bewohnern. Wir können hier im Park entspannen, uns im öffentlichen Raum Kunstwerke anschauen, in wunderschönen Häusern wohnen und müssen für all dies nie weite Strecken zurücklegen. Wirklich fantastisch. Bisher hatte ich dieses Gefühl von Heimat, vom einfachen Glücklichsein, wenn ich mich durch die Straßen bewege, in keiner anderen Stadt. Hannover ist die Stadt, in der ich durchatmen kann. Hannover hat in mein Herz eingeschlagen – ganz langsam und leise.
Und das denken Hannoveraner über ihre Stadt (aus der Ausstellung „Typisch Hannover?!“
Typisch Hannover – Die Ausstellung im historischen Museum Hannover
Ausstellungszeitraum: 31.08.2016 – 06.08.2017
Adresse: Historisches Museum Hannover, Pferdestr. 6, 30159 Hannover
Öffnungszeiten: Di 10-17 Uhr, Mi-Fr 10-18 Uhr, Sa-So 10-19 Uhr
Preis: Erwachsene 5 €, Kinder ab 5 Jahren 1 €, Kinder ab 12 Jahren 4 €
Webseite: Historisches Museum Hannover
Vielen Dank an das Historische Museum Hannover für eine kostenlose Führung im Rahmen des Instawalks.