Es ist die Pflicht eines jeden Muslims, seine Maxime zu überprüfen!
Das von dem Philosophen und Naturwissenschaftler Immanuel Kant (1724-1804) entworfene Modell der Maximenprüfung ist ein, schon seit mehr als 1400 Jahren in der Lebensvorstellung der Muslime fest verankertes, Grundprinzip.
Nach Ansicht Kants ist der Mensch dazu verpflichtet, bei jeder Handlung zuerst seine Maxime, also sein oberstes Willensziel, zu formulieren und zu überprüfen.
Jeder Ethiker weiß, dass hierbei der oberste Moralgrundsatz die Entscheidung des Menschen bezeichnet, so zu handeln, dass er bei dem, was er tut, zugleich wünschen kann, dass es ein allgemeines Gesetz werde (auch kategorischer Imperativ genannt).
Nun fällt einem doch auf, dass der Grundgedanke, den Kant hierbei hatte, keineswegs unbekannt ist. Für jeden Muslim ist es selbstverständlich, vor einer Handlung seine Absicht (arab. Niyyah) zu überprüfen und nötigenfalls zu ändern. Im Islam zählt bei der Beurteilung einer Handlung nämlich die Absicht, nach der man eine Sache beginnt.
Das heißt konkret: wenn man beispielsweise lernt und seinen Wissensstand um Allahs Wohlgefallen willen erweitert, so kann dieser Akt als Sunnah eingestuft werden und wird, so Gott will, dementsprechend belohnt, da diese Person das Ziel hat, mit dem Lernen Allah zu gefallen. Wenn jedoch gleichgültig nur der guten Note willen gelernt wird, so könnte es als mubah bewertet werden und wird danach weder belohnt noch bestraft, wenn er das Lernen unterlässt, da er hierbei nicht die Absicht hat, die Sache für Allah zu tun. Es handelt sich lediglich um eine wertneutrale Handlung.
Der Muslim also, der sich um Allahs Wohlgefallen bemüht, wird ebenfalls vor einer Entscheidung seine Niyyah kontrollieren müssen. Genauso wie Kant es in seinem Modell der Maximenprüfung erklärt hat. Wie er sich entscheidet, ist allerdings ihm allein gelassen, wohlwissend jedoch, dass Verhaltensweisen, die haram, also verboten, sind unterlassen werden sollten.
Somit sieht man, dass Kants Idee der Maximenprüfung nicht neu, sondern durchaus in der islamischen Welt schon seit längerer Zeit vertreten war. Umgekehrt stellt man fest, dass dich zwischen der Grundidee des islamischen Rechts (arab. fiqh) und moderner philosophischer Ideen Parallelen ziehen lassen, womit erneut bewiesen wäre, dass der Islam enormes Wissen beherbergt, was in der modernen Zeit erst viel später entdeckt und für neu erklärt wird.