Von Wolfgang Schlichting – Publizist + Buchautor
Ich arbeite beim Jugendamt und weil wir zu wenig Mitarbeiter haben, muss ich mich um Sachen kümmern, die mich eigentlich gar nichts angehen, weil die eigentlich von einer zweiten Sachbearbeiterin gemacht werden müssen, die es aber nicht gibt.
Hektik ist aber nicht nur im Amt angesagt, ich bin auch noch 2. Vorsitzender im Kleingartenverein und mit dem Papierkrieg habe ich bald genau so viel zu tun, wie im Büro und dann muss ich ja auch noch auf allen Parzellen nachprüfen, ob die da nichts Verkehrtes gepflanzt und ihre Hecke ordentlich beschnitten haben und parallel dazu muss ich auch noch zusehen, dass ich pünktlich zum Baumarkt komme, weil wir für unsere Gartenlaube eine neue Regenrinne brauchen, meine Frau mosert jetzt schon jedes Wochenende rum, weil es genau über ihrem Lieblingsplatz auf der Hausbank aus der Rinne runter tröpfelt.
Morgen ist Elternabend in der Schule und da muss ich hin, obwohl ich eigentlich zum Frisör wollte, weil wir übermorgen Skatabend haben und ich da nicht wieder so struppig auflaufen möchte wie beim letzten Mal und dann muss ich mich auch mal ernsthaft mit meiner Frau darüber unterhalten, ob wir uns ein E- Auto oder einen Benziner kaufen, weil der alte Diesel nicht mehr über den TÜV kommt.
Das Wochenende ist auch schon ausgeplant, Samstag sind wir bei Tante Frieda eingeladen, die ihren 70. Geburtstag feiert und Sonntags müssen wir ja immer die Schwiegermutter im Pflegeheim besuchen und dann darf ich auch nicht vergessen, dass ich mal zum Einwohnermeldeamt muss, weil mein Reisepass abgelaufen ist und den Termin bei dem Orthopäden wegen den ständigen Rückenschmerzen und den Zahnarzttermin darf ich auch nicht vergessen.
Am nächsten Sonntag ist Landtagswahl und da wird das richtig eng, da müssen wir erst mal morgens in die Schule wo die Wahl statt findet und das Kreuzchen wie immer bei der SPD machen, weil das ja gewerkschaftlich empfohlen ist, dann zur Schwiegermutter ins Pflegeheim, dann kurz auf den Fußballplatz, wo die Mannschaft von unserem Junior spielt und abends zum Bowling, weil wir das jeden Sonntag machen, da bleibt kaum noch Zeit für den Schrebergarten und wann wir woher wir die Zeit nehmen sollen, um im Reisebüro mal wegen unserem Urlaub vorzusprechen, steht noch in den Sternen. Unser Leben besteht eigentlich nur aus Hektik und wer dann noch die Zeit hat, sich um Klimaschutz und Flüchtlinge zu kümmern ist entweder Hartz IV Empfänger oder Rentner ohne Schrebergarten, Schwiegermutter, Kinder und sonstige familiären Verpflichtungen.