Was ich letztes Wochenende gemacht habe

Nach dem vorherigen, klobigen und über meinen Verbleib bzw. meine Unternehmungen nichts sagenden Eintrag nun wieder etwas Erlebniserzählungs-Ähnliches: Wie bisher an jedem Wochenende hieß es auch am vergangenen Sonntag: Ab an den Baikal.

Ein Tag auf der „Krugobajkalka“ sollte es werden. Genauer: Ein Tag in einem Bummelzug, der auf der ehemaligen Strecke der Transsibirischen Eisenbahn gut 80 Kilometer entlang des Baikal-Südufers fährt. Im Schritt- bzw. Lauftempo. Das klingt an sich nach einer Senioren-Kaffeefahrt, langweilig und zum Gähnen. Aber: drei Dinge sind während einer Fahrt auf der „Krugobajkalka“ mehr als sehenswert. Erstens: der Baikalsee an sich; zweitens: die Eisenbahnstrecke, die vor über hundert Jahren erbaut wurde, durch unzählige Tunnel und über zahlreiche Brücken führt; drittens und zu guter Letzt die russischen Tagesausflügler, die über zehn Stunden lang essen, essen, essen. Und trinken. Es ist ein Gelage auf Rädern.

Fast nirgens ist es so einfach, Leute kennen zu lernen. Man wird angesprochen, mit allem Möglichem versorgt, in Gespräche verwickelt. Was mich immer wieder begeistert, ist die Neugier und die Offenheit, die einem Europäer in Sibirien entgegenschlagen. Keine Spur von Misstrauen oder der mir wohlbekannten „Was-willst-denn-du-hier“- und „Kehr-doch-dorthin-zurück-woher-du-kommst“-Mentalität. Ja, ich gerate immer wieder ins Schwärmen.

Aber nun ab mit der rosaroten Brille. Naja, Moment. Also noch ein bisschen rosa muss sein: Ich saß im Zug, blickte aus dem Fenster. Ich genoss den Anblick der steilen Uferflanken und des Baikals, der sich in der Sonne glitzernd unterhalb der Eisenbahnstrecke bis zum Horizont ausbreitete. Traumhaft. Und die Fernsicht – eine Wucht. Ich konnte die schneebedeckten Berge am anderen Ufer sehen. Unglaublich schön. Und die rauchenden Schlote…Wumm, Brille am Boden. Was ich da am Horizont ausmachen konnte, war das BZBK – die Baikalsker Papier- und Zellulosefabrik.

Ja, sie ist immer noch in Betrieb und verschmutzt munter vor sich hin. Es soll nun zwar einen geschlossenen Wasserkreislauf inklusive Kläranlage geben; wer’s glaubt. Jedenfalls wurde die Umwelt in den vergangenen 45 Jahren schon empfindlich geschädigt. Dem oft vorgebrachten Argument, dass der Baikalsee ohnehin so groß sei, dass er diese Abwässer ruhig verkrafte, kann nicht stattgegeben werden; es wurden beispielsweise bereits Giftrückstände im Fettgewebe der Baikalrobben, auch als Nerpas bekannt, gefunden. Es ist ein schleichender Prozess, der den See keinesfalls zum Umkippen bringt – wie manch eine Horrormeldung schon behauptete. Dennoch: Die Giftstoffe sammeln sich an und das kalte Wasser konserviert sie noch zusätzlich. Was passiert, wenn es in dieser Art weitergeht, kann niemand vorhersagen. Gutes ist sicherlich nicht zu erwarten.

Was ich letztes Wochenende gemacht habe

Als ich mit einem Fahrgast aus Moskau über das BZBK sprach, fragte er mich am Ende unseres Gesprächs: „Und, warum glaubst du, dass diese Fabrik immer noch in Betrieb ist?“ „Putin.“ „Bravo, richtig erkannt!“

„Es gibt die da oben – und uns“, diese Aussage höre ich häufig. Viel Vertrauen in die Politik, so scheint es mir, herrscht in Russland nicht. Noch weniger als anderswo. Korruption und Vetternwirtschaft forderten ihren Tribut. Neben einem Gefühl der Wut, Verbitterung und Gleichgültigkeit hat sich mit der Zeit aber auch eine Eigenschaft entwickelt, die uns Europäern zum Großteil fehlt: Das „Ich-nehme-es-selbst-in-die-Hand“-Prinzip. Mit Staunen beobachte ich oft, was mit ein wenig Eigeninitiative und Willen zustande gebracht wird. Und sinniere darüber, wie verweichlicht, verwöhnt und träge wir sind.



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