“Was für ein lahmer Drecksplanet ist das – Ich habe nicht das geringste Bisschen Mitleid!”

Ich sitze und warte auf den Weltuntergang. Er muss ja kommen, nicht nur die Mayas haben es vorausgesagt. Auch die Vogonen müssen ja irgendwann einmal eintrudeln. Zwar ist heute nicht Donnerstag, sondern Freitag, aber einen Tag Verspätung kann sich auch eine intergalaktische Bauflotte leisten.

So entspannt war ich in letzter Zeit selten: Keine Arbeit für den Ohrfunk mehr, Politik verschwindet ganz und gar aus meinem Kopf, und endlich kann ich mich den schönen Dingen des Lebens widmen. Z. B. der Nachfrühstückszeitung. Seit einem Jahr lese ich die TAZ, und heute besonders ihren Weltuntergangsliveticker. Ich weiß nun: Alles ist vorbei. Mein Rucksack ist gepackt, mein Handtuch ist auch dabei, der Sub-Äther-Winker liegt bereit, es kann los gehen. Ich bin dabei, meinem irdischen Joch und Los zu entfliehen und mich auf eine höhere Bewusstseins- und Eventebene heben zu lassen.

 

Ich frage mich nun also: Was wird heute noch passieren? Wie verbringe ich die letzten Stunden des irdischen Jammertals? Im Bademantel, um wie Arthur Dent meine Reise durch den Kosmos anzutreten? Mit einem guten Freund, einem sehenden Physiker, am Fernrohr, damit der mir “Planet X” zeigt, der in diesen Minuten irgendwo auf die Erde fallen soll? Komisch: Irgendwie bleibt die Spannung aus, mich ergreift eher heitere Gelassenheit. Ich fühle mich befreit. Das Radio schweigt, die Tretmühle steht still, ich halte innere Einkehr. “Calling occupants of interplanetary craft”, so möchte ich mit den Carpenters in die Welt rufen, und darüber hinaus. Und ich höre die Stimme des Vogon-Kommandanten, der mit seiner Bauflotte gekommen ist, weil die Erde einer Hyperraum-Umgehungsstraße platz machen soll. In seinem Epos “Per Anhalter durch die Galaxis” lässt Douglas Adams ihn bei der Vernichtung der Erde ausrufen: “Ein lahmer Drecksplanet ist das! Ich habe nicht das geringste Bisschen Mitleid!”

 

Dem kann ich nur zustimmen. Aber jetzt bin ich ja vom Weihnachtsstress und allen anderen irdischen Sorgen befreit, ich kann einfach den Nachmittag genießen, solange er eben dauert. Und das alles nur, weil die Mayas das Ende der Welt vorausgesagt haben in ihrem Kalender…

 

In Wahrheit hatten die Mayas übrigens drei Kalender: Einen zivilen, einen rituellen und die sogenannte “lange Zählung”. Mit ihr ließen sich sehr genaue Datumsangaben machen. Wie wir die Tage des Monats haben, so entsprach der “Monat” der Mayas, Uinal genannt, 20 tagen, die sie Kin nannten. 18 dieser Uinal entsprachen einem Tun, das damit 360 Tage umfasste und am ehesten mit unserem Jahr vergleichbar ist. 20 Tun nannten die Mayas Katun, das sind 7200 Tage, und 20 Katun waren 144.000 Tage, ein Baktun genannt. Am 21. Dezember 2012 könnten nach Meinung einiger Forscher, deren Annahmen allgemein genutzt werden, seit dem Beginn der Kalenderrechnung 13 Baktun vergangen sein. Die 13 war für die Mayas eine heilige Zahl, und so nannten sie ihr erstes Baktun das dreizehnte. Das kehrt nun wieder. Es ist nicht die letzte von den Mayas gemachte Datumsangabe, natürlich würde es, gäbe es noch Mayas, ein vierzehntes und vermutlich auch ein neunzehntes Baktun geben, bis die nächsthöhere Zwanziger-Einheit beginnt. Oder nach dem 13. Baktun beginnt wieder das erste, wobei dann die nächsthöhere Zwanziger-Einheit vorangestellt wird. Kalender enden nicht, sagen die Wissenschaftler, es endet nur ein Zyklus, wie unser Jahr zum Beispiel. Das Gerede über einen drohenden Weltuntergang ist also Unsinn.

 

Schade, und ich hatte mich so darauf gefreut. Trotzdem: Die TAZ hat einen Liveticker, und irgendwas muss doch dran sein?

 

Schönen Weltuntergang an alle, ich begebe mich jetzt auf eine kosmische Reise in die Weisheit, auch Weihnachtsurlaub genannt. Und bis spätestens heute Abend will ich nichts mehr vom Ohrfunk, irgendwelchen Literaturecken, Candlelight-Sendungen, Weihnachtstellern, Hörspielsendungen und Jahresrückblicken hören. Überhaupt nichts! Verstanden?


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