Neulich hat Hertha BSC schlecht gespielt. Das heißt, der Torwart hat Fehler gemacht. Über diesen Torwart zog die Presse her, was nichts Neues ist und ihr zusteht, aber sie tat es in einem überzogenen und entwürdigendem Maße. Nun boykottiert die Mannschaft die Presse und gibt keine Interviews.
Ich finde das gut. Ich finde das gut, weil es ein Zeichen setzt, ein richtiges – meiner Meinung nach. Und ich finde es gut, weil es genau dasselbe meint wie ich neulich, als ich mich über die Häme gegen Guttenberg aussprach, hier. Die meisten Leser haben mich falsch verstanden (weil sie offenbar nicht genau lesen) und dachten, ich verteidige Guttenberg. Habe ich nicht, im Gegenteil. Es geht mir nicht um Guttenberg, abschreiben, Torwarte oder Fehler.
Es geht mir um Häme und Hetze im Allgemeinen. Früher haben wir Menschen an den Pranger gestellt, auf dem Dorfplatz, und mit Eiern und Mist beworfen.
Technisch haben wir uns seitdem weiterentwickelt, charakterlich nicht. Dieses Ungleichgewicht ist ein Armutszeugnis. Heute werfen wir mit virtuellem Mist. Das Internet bietet dem Mob noch mehr Möglichkeit, sich hochzuschaukeln und johlend über ein Opfer herzufallen. Genußreich machen wir davon Gebrauch und fühlen uns toll und überlegen. Warum eigentlich?
Es geht mir nicht darum, inweit die Opfer solcher Häme und Hetze Täter sind. Manche sind es, nehmen wir Guttenberg, andere sind es vielleicht nicht, wieder andere waren einfach nur einmal ungeschickt, nehmen wir den Torwart. Mir geht es darum, wie wir uns jenen gegenüber verhalten, die unten liegen, ganz gleich warum. Ich bin so erzogen worden, dass man solchen Menschen die Hand reicht, um ihnen aufzuhelfen, oder dass man zumindest nicht mit Absicht darauf tritt. Auch nicht, weil man dem Mob folgt. Auch wenn sie im Gefängnis sitzen, auch wenn dies gerechtfertigt sein sollte, muss man die Eier nicht durch die Gitterstäbe werfen und sich daran aufgeilen. Es stellt uns auf dieselbe Stufe wie den Täter, wenn nicht darunter.
Die Macht des Internets kann positiv sein. Ich bin sehr für sachliche, wohlgemerkt: SACHLICHE Aufklärung und Diskussion, sei es bei einem Guttenberg oder dem Ungeschick eines Torwarts. Ich finde es wunderbar, wenn das Internet zur Ergreifung eines Mörders oder zum Erfolg einer Revolution führen kann. Aber ich schäme mich für die überflüssige Häme und Hetze, für das widerliche sensationsgeile schadenfrohe Feixen, für die Fußtritte in den Medien, ob Internet oder Presse. Wir sauen den Golf von Mexiko mit Öl ein, und darüber regen sich dieselben Leute auf, die auf ihre Art den menschlichen Umgang mit ebenso ekligem Unrat vollsauen. Dass die Boulevardpresse dies tut und immer schon tat, und dass sie gelesen wird, ist schlimm genug. Dass sich neuerdings jeder, der nichts Besseres zu tun hat, auf Facebook und Foren dazu berufen fühlt, ist jämmerlich.
Und deswegen finde ich es gut, dass wenigstens die Mannschaft eines Zweitligaclubs ein Zeichen setzt, und wenn es noch so klein und unbeachtet ist.