Von Stefan Sasse
Es ist Wahlkampfzeit in Deutschland. Hochsaison für Spin-Doktoren, Phrasendrescher und Plakatekleber. Es ist jedoch immer auch wieder erstaunlich, welch unterschiedliche Zielrichtungen sich bereits im Wahlkampf erkennen lassen. Denn obwohl die äußere Form nur ihrem Plakaten am Straßenrand gleich scheint, verfolgen die Parteien unterschiedliche Ziele. Heute: die CDU.
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Das Ziel der CDU ist klar: Merkel soll Kanzlerin bleiben, und je mehr Abgeordnete man hat, umso besser. Auch ist wenig überraschend, dass Merkel der SPD nicht den Gefallen tut, konkret zu werden. Dabei kann eine Regierungspartei nur verlieren. Kurios im Vergleich zu früher ist vielmehr der Hauptgegner, den man ausgemacht hat: die Grünen. Während noch vor kurzem ausgemacht schien, dass die Große Koalition ein Revival erleben würde, ist die Euphorie dafür mittlerweile deutlich gesunken.
Eine ganze Reihe von Annahmen über die schwarz-gelbe Koalition, die 2009 angestellt wurden, haben sich als nichtig erwiesen, vor allem die Erwartung eines neoliberalen Kahlschlags. Die FDP ist innerhalb weniger Monate praktisch implodiert und spielt seither für die CDU den Mehrheitsbeschaffer in einer Manier, wie es die SPD zwischen 2005 und 2009 nicht besser gekonnt hätte. Einer Neuauflage von Schwarz-Gelb steht damit nichts im Wege - zumindest keine zu erwartende offene Flanke bei den Sozialthemen wie noch 2009.
Es spricht sehr für die aktuelle Stärke der CDU, dass selbst Überlegungen über eine Strategie zum Erreichen der absoluten Mehrheit, wie sie kurz in der Presse kursierten, nicht völlig fantastisch scheinen. Es dürfte aber niemanden überraschen, dass Merkel auf Nummer sicher spielt. Daher vermeidet sie auch konsequent, wie bereits 2009, jegliche inhaltliche Diskussion.
Die CDU spielt auf ihre Stärken und profitiert indessen von der Schwäche der SPD, die keine Angriffe starten kann und es auch nicht versucht. Die Stärken der CDU sind klar und teils ohne Basis. Sie wirkt wie die natürliche Regierungspartei und gibt sich auch entsprechend. Ihr Wahlsieg steht fest.
Normalerweise ist das gefährlich, weil es auf die eigenen Anhänger demobilisierend wirkt; in diesem Falle aber, da Merkels Strategie ohnehin auf breite Demobilisierung abzielt, passt es ins Konzept. Zudem genießt Merkels Politik breite Zustimmung. Dieser Punkt ist nicht einmal besonders verwundernswert: konkret wird es bei Merkel nicht, Alternativen sind kaum auszumachen und die postulierten Grundprinzipien genießen breite Zustimmung.
Folgerichtig werden sie auch beworben: solide Finanzen, Wachstum, Sicherheit, Vorhersehbarkeit. In den unruhigen Zeiten der Finanzkrise sind solche Werte natürlich gefragt. Da die SPD wegen ihrer eigenen Schwammigkeit als CDU-Klon als Negativfolie ausfällt, kommt für den CDU-Wahlkampf den Grünen umso höhere Bedeutung zu. Denn das Behaupten solcher Werte ist kein Alleinstellungsmerkmal der CDU; die SPD versucht - erfolglos - mit demselben Thema Wahlkampf zu betreiben.
Effektiv wird das Ganze erst, wenn man die Werte verteidigen muss. Die Grünen mit ihrem Steuererhöhungsprogramm, den liberalen Werten und der progressiven Grundeinstellung sind da ideal. Kritisiert man die Grünen möglichst scharf, fällt nicht auf, dass man selbst eigentlich auch keine reine Weste hat.
Für die CDU aber erfüllen die Grünen die Funktion, die früher die SPD hatte. Sie stehen entgegen der „konservativen Werte“, die bei der CDU eine zunehmend geringere Rolle spielen und die so leicht beschworen werden können. Ihre Pläne erfordern eine expansivere Ausgabenpolitik, gegen die man sich leicht als Hüter eines ausgeglichenen Staatshaushalts präsentieren kann, was angesichts der Ausgabenpolitik der CDU (siehe Elterngeld) Schwachsinn ist, aber nicht thematisiert werden kann.
Die Grünen stehen für alles, was CDU-Anhänger hassen. Ohne sie hätte Merkel ein größeres Problem, und es erklärt auch, warum etwa die konservativen Blätter wie „BILD“ und „Welt“ so fanatisch auf die Grünen eindreschen und die CSU in ihren Attacken schärfer als die CDU ist – sie bieten eine wunderbare Reibungsfläche und erlauben eine Selbstpräsentation, die angesichts der Regierungsbilanz eigentlich nicht möglich sein dürfte.
So oder so wird Merkel die Kanzlerin der nächsten Legislaturperiode sein, ob mit der FDP – was eine durchaus wahrscheinliche Möglichkeit ist – oder mit der SPD, dem auch nichts im Wege steht. Was sicherlich nicht passieren wird und ein reines Hirngespinst der Presse ist, ist Schwarz-Grün – schon alleine aus den oben genannten Gründen.
Im Wahlkampf sollte man daher von der CDU mehr von dem erwarten, was man bisher gesehen hat: Demobilisierung und das Vermeiden jeglicher Diskussion über irgendwelche Politikansätze. Alles andere würde Merkel Optionen verschließen, und nichts hasst die Kanzlerin so sehr, als sich festlegen zu müssen. Und das ist eine Eigenschaft, die sie mit ihrem Volk teilt.