Es ist Wahlkampfzeit in Deutschland. Hochsaison für Spin-Doktoren, Phrasendrescher und Plakatekleber. Es ist jedoch immer auch wieder erstaunlich, welch unterschiedliche Zielrichtungen sich bereits im Wahlkampf erkennen lassen. Denn obwohl die äußere Form nur ihrem Plakaten am Straßenrand gleich scheint, verfolgen die Parteien unterschiedliche Ziele. Heute: die AfD.
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Die AfD ist neu im deutschen Parteienspektrum, noch kaum ein Jahr alt. Sie entstand aus der Anti-Euro-Haltung der deutschen Wirtschaftswissenschaften heraus und hat es bemerkenswert gut geschafft, sich den für neue Parteien üblichen Haufen an Spinnern, Extremisten und Querulanten vom Hals zu halten und ihr Profil als bürgerliche Alternative zu CDU und FDP beizubehalten. Wie bei den Piraten auch versuchte man, den Ein-Themen-Vorwurf durch Schaffung eines Programms zu kontern. Im Fall der AfD liest sich dieses recht ähnlich wie das von CDU und FDP, nur pointierter (das Prärogativ der Oppositionsparteien aller Lager).
Dazu gehört die weitgehende Ablehnung regenerativer Energien, einer Besinnung auf konservative Gesellschaftsleitbilder, eine wirtschaftsliberale Wirtschaftspolitik und ein Bekenntnis zu Europa als politischem und gesellschaftlichem Projekt.
Der letzte Teil dürfte auf den ersten Blick etwas merkwürdig erscheinen und stellt für die AfD eines der größten kommunikativen Probleme dar. Die Partei ist nicht gegen die EU, sie ist gegen den Euro. Dieser Spagat ist in der aktuellen politischen Atmosphäre, in der das Bestehen der EU seit 2010 unmittelbar an die Existenz des Euro gekoppelt wird, ein der Intuition widersprechender und stellt die AfD vor diverse Probleme, von denen das Label der „Anti-Europäer“ das gefährlichste ist. Es ist nicht ohne Ironie, dass gerade dieses Label sonst für die LINKE reserviert war, deren Position – für eine andere EU – ebenfalls ständig mit dieser Dissonanz konfrontiert war.
Gleichzeitig ist die AfD für das Überschreiten der 5%-Hürde genauso wie die Piraten essenziell auf die Unterstützung der Protestwähler angewiesen. Die „eigentliche“ AfD, die bürgerliche Partei der Wirtschaftsprofessoren, übt auf diese Schicht aber in etwa so viel Anziehung aus wie die wirtschaftlichen Vorstellungen der LINKEn auf den Parteivorstand der AfD. Die AfD hat sich daher offensichtlich dazu entschlossen, in ihrem Wahlkampf auf einen sanften Rechtspopulismus zu setzen – ein gewagtes Spiel, das leicht nach hinten losgehen kann, weil es Vorwürfe des Einnehmens von rechtsextremen Positionen geradezu provoziert (was sich nicht zuletzt an den Attacken von Linksextremen auf AfD-Wahlkämpfer zeigt, die in ihnen offensichtlich ein veritables Feindbild erkennen).
Man muss dabei klar zwischen dem unterscheiden, was die Partei ist und fordert, und dem, was sie suggeriert. Denselben Spagat hat etwa Oskar Lafontaine 2005 ebenfalls unternommen, nicht ohne Erfolg. Die Partei vertritt keine rechten Positionen. Sie spielen in ihren Politikvorschlägen keine Rolle. Wer ihre Parteiwerbung und ihr öffentliches Auftreten genau untersucht wird auch zu dem Schluss kommen, dass dies nicht der Fall ist. Die Materialien und Aussagen sind aber absichtsvoll etwas ambivalent gehalten, gerade genug, um dem flüchtigen Beobachter die Schlussfolgerung zu ermöglichen, dass die Partei tatsächlich sei, als was man sie zeichnet.
Für die AfD bietet dies die Möglichkeit, zweigleisig zu fahren und das Potenzial der Protestwähler anzuzapfen, indem man auf deren Missverständnis über die Positionen der Partei hofft. Gleichzeitig verwendet das Personal der AfD, besonders der Parteichef Lucke, alle Energie darauf, bei der eigentlichen Zielgruppe genau diesen Eindruck zu zerstreuen.
Diese Strategie ist nicht gerade ohne Risiko. Die Positionen der AfD sind nicht leicht nachzuvollziehen, und für denjenigen, der über ihre Lernplattform – die Auflösung des Euro – seine Wahlentscheidung trifft, vermutlich ohnehin nicht radikal genug. Im aktuellen politischen Klima aber ist es vermutlich die einzige Chance der Partei, den unwahrscheinlichen Einzug in den Bundestag doch noch zu schaffen.