Bei geringer Wahlbeteiligung wurde am Sonntag ein starker Nichtraucherschutz in Bayern beschlossen. Raucher sind unzufrieden, durchaus verständlicherweise, und ich habe mich für ohrfunk.de um eine sachliche Analyse gekümmert. Übrigens zur Information: Ich bin zwar Nichtraucher, habe aber keine persönliche Leidenschaft. In meiner Wohnung ist Rauchen selbstverständlich gestattet, es sei denn, Nichtraucher bitten im konkreten Fall darum, es einmal anders zu halten. Von jeder Art von Militanz bin ich also weit weit entfernt.Bayern hat das schärfste Rauchverbot in öffentlichen Räumen eingeführt, dass es in Deutschland gibt. Und zwar mit Hilfe eines Volksentscheids. An diesem Entscheid beteiligten sich rund 38 Prozent der Wahlberechtigten, und rund 61 Prozent davon stimmten für das Rauchverbot: Das sind rund 23 Prozent der Wahlberechtigten bayerischen Bevölkerung. Der Streit ums Rauchen, der mit harten Bandagen geführt wurde, und der die Menschen in Bayern mehr zu beschäftigen schien als Sparpaket und Eurokrise, als Afghanistaneinsatz und Bundespräsidentenwahl, ist damit natürlich nicht beigelegt. Die Verlierer, allen voran die FDP, warnen vor dem Verbotsstaat und befürchten eine Einschränkung der persönlichen Freiheit der Mehrheit, die von einer Minderheit von knapp einem Viertel durchgesetzt worden sei. Eben diese Freiheitseinschränkung sehen die Befürworter des Rauchverbots als legitimen Schutz der körperlichen Unversehrtheit an. Außerdem hätten eben mehr Leute zur Wahl gehen sollen, wenn man sich beschwere, dass nur so wenige für – oder gegen – das Rauchverbot gestimmt hätten. die Bevölkerung habe die Freie Entscheidung gehabt, und die müsse man nun auch respektieren und nicht klein reden. Wütende Raucher geben im Kurznachrichtendienst Twitter zu Protokoll, dass sie nun nirgendwo mehr Rücksicht auf Nichtraucher nehmen würden, die Nichtraucher verstehen das ganze Problem nicht, schließlich sei das Rauchen nicht verboten worden, sondern müsse halt im Freien stattfinden, was den ungewollt passiv mitrauchenden Menschen sehr nütze. Und natürlich wird über Sinn und Unsinn von Volksentscheiden debattiert. Wie sinnvoll sind diese Volksentscheide, fragt sich wohl ausgerechnet die FDP, die sonst immer für Freiheit ist, wenn sie nicht mehr den Willen der Mehrheit, sondern nur noch den Willen der wenigen Mobilisierten ausdrücken?
Das Thema ist interessant und wichtig und muss erörtert werden, aber eigentlich nicht aus der Perspektive von Rauchern oder Nichtrauchern. Es gab Raucher, die haben sich offen für das Rauchverbot ausgesprochen, weil sie ja in ihren eigenen vier Wänden oder draußen rauchen könnten und die Gesundheit der Anderen ebenfalls respektieren und schützen wollten. Es gab Nichtraucher, die sich gegen das Rauchverbot aussprachen, weil sie sich nicht vom Staat entmündigen lassen wollten, auch wenn der Staat in diesem Falle die Mehrheit der zur Abstimmung gehenden Bürger war und nicht nur die kleine Gruppe der Politikerinnen und Politiker. Es ist also sinnvoll, das Ganze etwas abstrakter zu analysieren.
Die persönliche Freiheit ist eines der höchsten Verfassungsgüter, die wir haben. Viele glauben aber fälschlicherweise, diese Freiheit erlaube jedem Einzelnen, zu tun, was immer er wünsche, was immer ihm gefalle. Die persönliche Freiheit findet aber ihre Schranken in der Beschränkung der Freiheit Anderer, noch bevor die Verpflichtung zur Einhaltung der allgemeinen Gesetze greift. Viele Freiheitsapostel vergessen, dass das Recht der Persönlichen Freiheit auch seine Wurzel als Abwehrrecht gegen den Staat hatte, nicht gegen andere Bürger, die ebenfalls mit Rechten ausgestattet waren und sind. Unter Freiheit darf man nicht Rücksichtslosigkeit verstehen, und schon deshalb sollte ein Nichtraucherschutz selbstverständlich sein. Zumal auch die Nichtraucher ein hohes Rechtsgut zu ihren Gunsten anführen können: Die körperliche Unversehrtheit. Rauchen, so kann man es immer wieder nachlesen, schadet der Gesundheit, und zwar auch der Gesundheit der Passivraucher. Darauf ist Rücksicht zu nehmen. Wo sich Raucher und Nichtraucher gemeinsam aufhalten wollen, dort solte dem Schutzbedürfnis vor dem Freiheitswunsch der Vorrang gebühren, zumal sich Raucher, die ihre Freiheit ausleben wollen, auf eigenen Wunsch an einen anderen Ort zurückziehen können. Das Leben ist voller Kompromisse, und beide Seiten gehen sie ein. Trotzdem muss das Schutzbedürfnis nach Leben und körperlicher Unversehrtheit mehr Beachtung finden als der Wunsch, an jedem beliebigen Ort seiner persönlichen Leidenschaft fröhnen zu können. Diese Einsicht sollte von Jedem erwartet werden können. Genauso selbstverständlich ist natürlich, dass man Raucher nicht wegen ihres Rauchens diskriminieren darf. Solange sie nur ihrer eigenen Gesundheit schaden, ist das ein Ausdruck jener Freiheit, die wir unbedingt schützen und hochhalten sollten.
Und dann zur Frage, ob Volksentscheide gut oder schlecht sind: Sie sind gut, denn sie sind ein Schritt hin auf dem Weg zu mehr Demokratie. Sie sind schlecht, weil das Volk manipulierbar ist, das wusste schon der alte argentinische Diktator Peron, oder Stalin, Hitler, Napoleon und Nero, um nur einige zu nennen. Also was nun? Wagen wir mehr Demokratie? Ja, sagen manche, solange meine Meinung siegt. Das kann nicht das Herangehen an Demokratie sein. Volksentscheide bringen aber den Willen der Mehrheit zum Tragen, ohne dabei auf die Belange der Minderheit Rücksicht zu nehmen. Andererseits taugt das auch nicht als Argument gegen Volksentscheide, denn die repräsentative Demokratie schützt die Minderheit auch nicht ausreichend. Trotzdem bin ich für Volksentscheide. Denn alles in allem braucht es für die Manipulation der Hälfte der Wahlberechtigten doch eines viel größeren Aufwandes als für die Manipulation der Hälfte der Parlamentarier. Hier muss man Millionen für Campagnen ausgeben, die- wie in Bayern gesehen – auch wirkungslos bleiben können, dort muss man nur ein paar Bestechungsgelder zahlen.
So, und jetzt lasst den Rauchern ihre Zigarrette draußen vor der Tür, und setzt euch trotzdem drinnen zusammen und spielt wieder miteinander. Basta!