Was die Fotografie ausgelöst hat!

Von Lukas Röthlisberger @Adekagabwa

Über Jahrtausende war die Malerei primär Gegenständlich, auch wenn die Motive früher oft „phantastisch“ waren, aus dem Umfeld von Sagen, Religionen, Legenden und Mythen. Kunst wurde immer für einen bestimmten Ort erschaffen, eine Kirche, einen Palast, ein Grab oder ein Salon.

Ich bin immer wieder fasziniert, was die Erfindung der Fotografie ausgelöst hat! Plötzlich war es nicht mehr notwendig, dass ein Maler möglichst wirklichkeitsgetreu malte.
Im Gegenteil – gegenüber der Fotografie war das kein Vorteil mehr.

Also versuchten die Maler nun eine Form in ihre Bilder zu bringen, welche die Fotografen bis dahin nicht interessierte. Es entstanden die verschwommenen Bilder der Impressionisten (ein-druck), oder die Farbfeuerwerke der Expressionisten (aus-druck). Ab 1900 ahmten Fotografen die neuen Maler nach (diese Fotografen nannte man “Pictorialisten”). Dann wagten die ersten Künstler vollkommene Abstraktionen - Bilder, auf denen man nicht mehr erkennen konnte, was sie abbildeten!

Erst die Fotografie ermöglichte diese Explosion von Stilrichtungen in der Moderne und der Gegenwartskunst!

Durch die Fotografie kam aber noch ein zweites Phänomen: bisher gab es ein Gemälde lediglich als Original. Nur ganz selten einmal wurde in tagelanger Arbeit eine Kopie hergestellt. Mit der Fotografie entstanden plötzlich von allen bekannten Kunstwerken tausende von Kopien! Von bekannten Malern hat man heute als Kunstliebhaber oft fast alles schon mal gesehen – in den vielen Bildbänden und Katalogen. Und wenn man einmal die Gelegenheit hat, das Werk in Natura zu bewundern, dann steht man fasziniert vor dem Original einer Kopie, die man bereits kennt. Die Bildaussage tritt in den Hintergrund, interessant ist ja vor allem, dass man endlich mal selber das richtige Original gesehen hat!

Heute ist dasselbe Phänomen bei vielen anderen Dingen auch zu beobachten – und man merkt es kaum. Man sieht im Fernseher detaillierte Naturaufnahmen von Tieren in Afrika, und wenn man die Safari dann selber macht, dann ist man stolz, dass man das jetzt auch mal sieht, was man vom Film her schon kannte. Selbstverständlich wird man erklären, dass die Realität ganz anders sei, und währenddessen wird gefilmt und fotografiert, denn die Wirklichkeit muss primär dokumentiert werden – und das unmittelbare Wahr-nehmen geht trotz allen Beteuerungen verloren.

Die Fotografie war nur der Anfang, es folgten Tonaufnahmen, Filmaufnahmen, Dreidimensionale Filme, Virtuelle Realität mit 3D Brillen, echtzeit Landkarten (GPS) usw. Die Entwicklung in all diesen Bereichen hat erst richtig begonnen.

Wir Mensch tun gut daran, bei all dieser Virtualität wieder eine tiefmenschliche Fähigkeit zu kultivieren: nämlich das Jetzt zu erleben, den Raum und die Zeit wahrzunehmen und die wirkliche Wirklichkeit bewusst einzuatmen.

BILD OBEN:
Ich oder Du? / 66cm x 46cm / Mischtechnik auf Aquarell-Papier / 2006/ Nr.06-013


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