Was denkt sich der Künstler?

Von Lukas Röthlisberger @Adekagabwa

Wenn man durch ein Kunstmuseum bummelt, so ist es eine schöne Abwechslung, nach den vier unterschiedlichen künstlerischen Grundhaltungen zu fahnden. Was hatte wohl der Künstler für eine innere Einstellung zu seinem Werk? Welche Überzeugungen und Wünsche hat er mit und für sein Bild? Dieselben Grundhaltungen finden sich natürlich auch in der Fotografie oder Literatur.

Erste Grundhaltung: Realismus

Der Wunsch des Künstlers: Ich will die Wirklichkeit auf meine Art realistisch wiedergeben!
Sein Kriterium: Nimmt der Betrachter/Leser die Realität so wahr, wie ich es mir wünsche?
Beispiele in der Kunst: Impressionisten, Realisten, Monet, Manet, Warholl

Ich überlege, ob der Maler, Künstler oder Fotograf wohl eine Situation oder Szene einfach so darstellen wollte, oder ob ihm etwas zusätzliches, ganz anderes wichtig war? Bei Fotodokumentationen und Reportagen erwartet man diese Form. Caspar Wolf hat so die Schweizer Alpen im Auftrag seines Gönners dokumentiert.

Bei mir sind es vor allem die Zeichnungen in meinen Tagebüchern, die als Beispiel für Realismus gelten können.
Aber auch bei Landschaftsbildern im Atelier (links das Tessin) oder aber bei einigen Portraits will ich einfach nur die Wirklichkeit in einem gewissen Stil wiedergeben

Zweite Grundhaltung:  Strukturismus

Der Wunsch des Künstlers: Ich will die Wirklichkeit verstehen und strukturierend beherrschen!
Sein Kriterium: Folge ich konsequent meinem ästhetischen Ordnungsprinzip (zB. Goldener Schnitt)?
Beispiele in der Kunst: Renaissancemaler, Pointilisten, Kubisten, Cesanne

Bei Bildern in Bildbänden lege ich manchmal eine Klarsichtfolie drauf und versuche mit einem Filzstift die Struktur oder Gesetzmässigkeit zu kennzeichnen, die der Künstler in das Bild/die Fotografie gelegt hat. Manchmal merkt man so, warum dieses Bild so „ästhetisch“ wirkt.

Ich habe relativ wenig Bilder, in denen ich bewusst ein formelles ästhetisches Kriterium verfolge. Manchmal hält man sich automatisch an gewisse Richtlinien (wie die Dreierregel).
Bei den vielen Mandalas, die ich gemalt habe, ist bei mir immer die Struktur als Aussageform im Vordergrund. Symbole kommen dann sekundär. 

Dritte Grundhaltung:  Romantisch

Der Wunsch des Künstlers: Ich will meine Gefühle in meinem Werk zum Ausdruck bringen!
Kriterium: Konnte ich mein subjektives Erleben der Realität im Bild kommunizieren?
Beispiele in der Kunst: Expressionisten, Abstrakte, Gauguin, Van Gogh, Romantik

Hier versuche ich zu erraten, in welchem emotionalen Zustand der Maler wohl war. Selbst bei Fotografien gelingt das oft. Weshalb ist ein Bild zornig und ein anderes depressiv? Welche seelische Energie kommt bei Van Goghs Ährenfeld rüber?

Immer wieder male ich Bilder direkt aus einem Gefühl heraus, die nichts weiter als meine emotionale Meinung zu einem Moment oder einer Information ausdrücken sollen. Diese Bilder sind meistens Abstrakt, denn sobald ich Figuren male, beginne ich automatisch zu deuten!

Vierte Grundhaltung: Symbolistisch

Der Wunsch des Künstlers: Ich will die Dinge der Wirklichkeit Deuten!
Sein Kriterium: Konnte ich einer tieferen Bedeutung verständlich Ausdruck verleihen?
Beispiele in der Kunst: Symbolisten, Blake, Munk, Ensor,

Bei manchen Bildern ist es offensichtlich, dass da eine unmenge Symbole und Bedeutungen hineingelegt wurden. Für Bilder der Renaissance oder des Manierismus kann man ja Symbol-Lexikas kaufen, in denen die Bedeutung der Dinge erklärt sind, die in den realistisch wirkenden Bildern vorkommen!

Ich habe den Eindruck, dass bei meinen Bildern diese Grundhaltung am häufigsten vorkommt. Ich male gerne Trolle, Götter, Geister oder andere weise Wesen. Bei vielen Bildern kann ich aber die Bedeutung der Bildinhalte dann nur schwer in Worte fassen. Genauso geht das wohl vielen Symbolisten: die Bilder kann man nicht einfach so deuten.


Wenn du selber malst, fotografierst, Texte oder Gedichte schreibst, so ist es auch da eine gute Übung sich zu fragen:

  • Welche der vier Grundhaltungen sprechen mich am meisten an?
  • Habe ich eine Vorliebe beim Malen?
  • Fotografiere ich mit einer anderen Haltung als ich texte schreibe?