Die Erkenntnis: Seit ich Mutter unter massivem Schlafentzug bin, bin ich zu einem extrem intoleranten, leicht reizbarem Wesen geworden. Beim ersten Schuss des Fußballnachwuchses saß ich wie eine 1 im Bett. Erst mal pöbelte ich vor mir hin, murmelte meinem Mann kurz zu wie unmöglich das ist um die Zeit und machte dann schnell das Fenster im Kinderzimmer zu, um nicht auch noch den kleinen Schlafterroristen in helle Aufregung zu versetzen. Dann legte ich mich wieder hin und lauschte dem Geboller. Mit jedem Schuss wuchs meine Aggression und mein Unverständnis und dann war es so weit, das Baby wurde natürlich von dem Gekicke wach und schrie und schrie und schrie. Mein Stresspegel war locker auf 10 und nebenher das Geboller des Fußballs gegen die Hauswand. Zum Glück hatte das Szenario um 22.30 Uhr ein Ende und auch das Geschrei hatte ich bis dahin im Griff, so dass endlich an Schlaf zu denken war und es mir erspart blieb im ausgeleierten Werbe-T-Shirt und Schlüppi pöbelnd im Garten aufzulaufen.
Früher, pre-Baby, ausgeschlafen, fit und seeeehr tolerant hätte ich es zwar komisch gefunden, dass so etwas im Mehrfamilienhaus um die Zeit normal gefunden wird, aber letztlich wäre es mir herzlich egal gewesen. Heute sieht das anders aus und zwar nicht nur in dieser Situation.Auch wenn ich netterweise Pakete für die Nachbarn annehme, die es aber eine Woche für unnötig halten sie bei mir abzuholen werde ich schnell ungehalten. Vor einigen Wochen hatte ich die Sommerreifen der Nachbarin eine Woche im Wohnzimmer stehen! Eine Woche! Ich hatte schon DHL um Abholung gebeten, als die Nachbarin reumütig mit einer Packung "merci" in der Tür stand und wir endlich wieder Platz im Wohnzimmer hatten... Naja gut, mit Schokolade besänftigt man mich dann doch schnell. Oder alte Menschen... wie oft habe ich es inzwischen erlebt, das die Oma mit Rollator plötzlich laufen kann wie eine 15-jährige beim Hollister-Sale, nur um vor mir und dem Kinderwagen im Fahrstuhl zu sein und nicht 2 Minuten auf den Nächsten warten zu müssen.... Woran mag das wohl liegen? Ich war immer mega tolerant und entspannt. Aber die Zeiten sind vorbei.
Ich schiebe es auf den permanenten Erschöpfungszustand und die bleiernde Müdigkeit, dass da einfach keine Energie mehr für Nettigkeit und Toleranz gegenüber meinen Mitmenschen übrig ist. Schlafentzug ist eben nicht umsonst eine beliebte Foltermethode, gemein ist sie, sehr sehr gemein.Ich hoffe ehrlich gesagt, dass es sich, sobald der Sohnemann vielleicht mal durchschläft (allein das Wort macht mich schon froh...) wieder legt und ich zurückkehren kann zu meinem toleranten Ich, denn so eine pöbelnde, meckrige Hexe will ich ja nun auch nicht sein.Bildquelle: Sonja Langford