Was das Volk will

Freveln wir mal. Es ist ja einer der Grale linker Konzeptionen, dass man das Volk fragen solle. Nicht nur bei Wahlen, sondern immer mal so grundsätzlich zwischendurch. Das was das Volk will, das ist demokratisch. Nur so einfach ist die Welt nicht. Sie ist viel komplexer, als manche naive Idee es vorgibt zu sein. Ist das Resultat der letzten drei Landtagswahlen eine höchst demokratische Erscheinung? Falls ja, dann bitte, kein Wort mehr darüber. Wenn das Volk gesprochen hat und man glaubt, dass eben dieses Volk auch mit Plebisziten herrschen soll, dann muss man den Weg akzeptieren und gehen und braucht nichts mehr dagegen tun. Vox populi vox Dei. So einfach wäre das. Selbst wenn man den Schlachter wählt.

So einfach ist es aber nicht. Oder sollte es nicht sein. Dahinter steckt ja auch Nihilismus, wenn man sagt: Na, nicht unken, das Volk hat gesprochen, wehrt sich gegen den Kurs. Wenn man das so hinnehmen kann, hat man vergessen, dass Demokratie verdammt nochmal kein Urzustand ist. Sie muss sich wehren. Demokratie muss man machen, sie ist nicht einfach da. Man kann nicht pazifistisch in die Demokratie gehen, das ist naiver Humanismus, naiver Liberalismus, ja eben verdammter Nihilismus, der Glauben an das große Nichts, das über uns kommen darf, wenn es nur das Volk als Souverän so will. Aber man muss vielleicht die Demokratie in manchen Zeiten vor ihrem Souverän schützen. Wie ein machtgeiler König ist es ja nicht sakrosankt. Und es wird mir speiübel bei Ideen zur Volksbefragung in unseren Tagen. Darüber habe ich ja schon mehrfach geschrieben. Man muss es mit der Mitbestimmung bei solchen Tendenzen ja nicht übertreiben.
Dasselbe Volk fragen, das sich nun nach rechts bewegt, es fragen, ob zum Beispiel die Euro-Politik genehm ist oder selbst nicht ganz so explosive Themen wie ein einheitliches Schulsystem im ganzen Bundesgebiet? Das führt doch nicht zu noch mehr Demokratie, sondern eher zum Gegenteil. Wenn einem das Volk nicht gefällt, dann kann man sich kein anderes Volk wählen, wie es Bertolt Brecht mal formulierte. Man kann es aber wenigstens nicht so sehr in die Entscheidung hieven, dass es gefährlich wird; man kann die Demokratie so gestalten, dass sie nicht völlig zum Spielball niederster Beweggründe wird. Man hat den Bundespräsidenten neulich erst wieder gerügt, weil er die Basisdemokratie skeptisch abtat. Der Mann ist selbst natürlich auch skeptisch anzuschauen, aber nach den Landtagswahlen muss man schon sehen, dass er derzeit recht hat.

Nein, es ist eben keine gute Idee, Menschen nach bestimmten Grundrichtungen der nationalen und internationalen Politik zu fragen, die auch eine Partei wählen, die offen für die Diskriminierung von Homosexuellen, Transsexuellen, Alleinerziehenden und anderen (Rand-)Gruppen einsteht. Nein, man sollte Rassisten und Sozialdarwinisten nicht unbedingt die Verfügungsgewalt über die Weichen in die Hand drücken, mit der man eine Gesellschaft in diese oder jene Richtung umstellen kann. Das ist eine linke Theorie, die am Schreibtisch gut funktioniert, wo man eine Vernunft herbeiräsonieren kann, die es geben sollte, aber leider nicht (mehr?) gibt. Die Weisheit der Vielen indes, die auf Francis Galton zurückgeht und die besagt, dass die Masse immer klüger agiere, ist was für Ochsen-Gewicht-Schätz-Wettbewerbe, allerdings nicht für komplexe politische Entscheidungen. Denn genau bei so einem Wettbewerb kam Galton auf seine Theorie. Die Vielen können vielleicht gut schätzen, abrunden, ein bisschen dem Bauchgefühl frönen. Aber politischer und gesellschaftlicher Reformbedarf ist keine Sache der Laune oder des Ungefähr.
Ein für Populismus anfälliges Volk, und anfällig in dieser Sache scheinen die Völker Europas mehr oder weniger alle zu sein, ist kein basisdemokratischer Hoffnungsschimmer. Vor Jahren schrieb ich bereits, dass man zunächst die »Bild« enteignen müsste, um Referenden quasi in einem »reinen Raum« abhalten zu können. Solange bestimmte Medien die Stimmung mit ihrer Interessenspolitik vergiften, wäre eine Befragung immer nur das Spiegelbild der Meinungsmacher. Jetzt hat sich diese Sache insofern verschärft, dass die »Bild«-Mentalität eine eigene Partei ins Leben gerufen hat, die auch noch rege angenommen wird. Wenn ein Volk Urteile fällen soll, darf es nicht so voller Vorurteile sein. Die linke Idee von einer Basisdemokratie war nie unrealistischer als heute. Wer die Umsetzung immer noch fordert, der sagt damit auch, dass er nichts gegen die Beschleunigung des Rechtsruckes hätte.
Und ich gebe zu, dass das ein heikles Thema ist, in einer Zeit, da die Konservativen in Ländern, in denen es Referenden gibt, eine Abkehr von dieser Praxis fordern, weil ihre Völker in außenpolitischen Dingen nicht so handeln, wie sie es gerne hätten und sie einen Kontrollverlust wittern. Das ist ja gewissermaßen dieselbe Logik nur mit schwarzer Tünche. Das stimmt schon. Aber hieran sieht man letztlich, wie verfahren die Situation ist. Und wie unzureichend die demokratischen Systeme. Man sieht, dieses Konzept ist immer nur die beste Lösung von all den schlechten Ansätzen, die es sonst noch gibt.

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