Unübersehbar empfinden Gauck und Merkel einander als Zumutung. Die Spekulation über die Gründe dafür ist keine allzu große Denksportaufgabe. Gauck verkörpert Geist und Mut, vor allem wohl Freiheit. Merkel von allem das Gegenteil. Und man sieht ihr die Zitrone, die sie am Tage schlucken musste, an. Gauck muss hier wie alle improvisieren. Dennoch gelingen ihm erste Spitzen gegen Merkel: "Sie Frau Bundeskanzlerin haben mir auch versichert, dass Sie auch in anderen Zeiten mir gegenüber Hochachtung und Zuneigung empfunden haben." Und: ".. die Wiedervereinigung, die Sie dankenswerterweise erwähnt haben.."
Das wird sicher spannend werden, ich freue mich da jetzt schon drauf. Welch ein Unterschied zu den Wulffs und ihrer vulgären, mitnehmerischen Interpretation eines aufgestiegenen Berufspolitikers. Und zu Merkel selbst, die keine Probleme mit einem der Korruption verdächtigen Bundespräsidenten oder dem akademischen Hochstapler Guttenberg hatte, wohl aber mit einem Bürgerrechtler aus ihrer früheren DDR.
Abends und tagsdrauf aber zeigt Merkels Apparat bei der Verdrehung der Wahrheit dann, wie wenig Hemmungen er hat, hier für Merkel noch etwas rauszuholen. In einem Maß, das selbst für Merkels Kader überrascht. Peter Altmaier und Steffen Seibert veröffentlichen auf Twitter, dass Gauck ein Vorschlag Merkels gewesen sei. Man fühlt sich erinnert an frühere Pressemitteilungen des Zentralkomittees der SED. Es war doch genau dieser Werteverfall, zu dem auch die bewusste Unwahrheit (um bösere Worte zu vermeiden) gehört, der Wulff zwei Tage vorher zu Fall gebracht hatte.