Was darf man an Leistung von einem Boxer erwarten?

Bei den meisten Berufen ist es sehr einfach. Da weiß man ganz genau, was man an Leistung erwarten kann. Wenn man sich in ein Taxi setzt, erwartet man, dass der Taxifahrer einen auf dem kürzesten Weg zum angegebenen Ziel chauffiert. Bei einem Profiboxer ist es viel schwieriger zu definieren, was man an Leistung von ihm erwarten kann. Man kann wohl auch nicht von allen Profiboxern prinzipiell die gleiche Leistung erwarten. Daher ist es auch sinnvoll, von den verschiedenen Boxern Unterschiedliches zu erwarten bzw. auch einzufordern.
Von einem Boxer, der in einer Kleinstveranstaltung für 100 oder 150 Euro Pauschale in den Ring steigt, kann man nicht viel erwarten. Man bekommt das, was der Boxer bereit ist zu geben. Mehr kann man auch nicht erwarten, denn für solch eine kleine Gage riskiert er immerhin seine Gesundheit. Man kann vor jedem dieser Boxer nur den Hut ziehen. Alle zeigen sie in der Regel sehr viel mehr an Leistung, als sie dafür an Gegenwert, in Form von Geld, erhalten.
Auf der anderen Seite der Preisskala sind die großen Boxstars, die mit lukrativen Fernsehverträgen hart daran arbeiten, Millionär oder Multimillionär zu werden. Bei ihnen gilt es dann vor allem eine Unterscheidung zu treffen zwischen Boxern, die im öffentlich rechtlichen Fernsehn zu sehen sind und solchen, die bei einem Privatsender die Ausführung ihres Handwerks zeigen dürfen.
Ein Boxer, der bei einem großen Privatsender unter Vertrag steht, ist in erster Linie der Quote verpflichtet. Es mag ja vielleicht ärgerlich sein, wenn ein Felix Sturm immerzu beteuert, er wolle die Besten boxen, um sich dann aber nur Boxer aus der zweiten Reihe kommen zu lassen. Aber letztlich ist das etwas, was er mit sich selber und mit dem Publikum ausmachen muss. So lange die Fernsehzuschauer ihm die nicht eingelösten Versprechungen nicht übel nehmen und nicht mehr einschalten, ist sein Verhalten, nämlich das Nichterbringen einer versprochenen Leistung, zwar ärgerlich für den Boxfan, aber durchaus legitim für den Boxer. Wieso sollte er auch mehr Leistung bringen, wenn die meisten Zuschauer den Unterschied zwischen guten und schlechten Gegnern sowieso nicht merken?
Bei Boxern, die durch Gelder der öffentlich rechtlichen Sendeanstalten wohlhabend werden, sieht die Situation m. E. doch noch einmal anders aus. Aufgrund der Tatsache, dass sie ihr Geld aus dem Topf der Fernsehgebühren bekommen, die zwangsweise von jedem Haushalt in der Bundesrepublik Deutschland erhoben werden, haben sie auch eine Verantwortung gegenüber jedem Bürger, egal ob dieser sich für Boxen interessiert oder nicht. Der Bürger hat ein Recht auf Leistung. Sehen wir dafür die Gallionsfigur des öffentlich rechtlichen Boxens, den amtierenden Weltmeister im Cruisergewicht nach Version WBO, Muamer Hukic alias Marco Huck (34 Kämpfe, 33 Siege, 24 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO) einmal näher an.
Wenn ich mich recht entsinne, sagte Henry Maske beim Kommentar zu Hucks letztem Kampf am 16.07.2011 in München gegen Hugo Hernan Garay (40 Kämpfe, 34 Sieg, 18 durch KO, 6 Niederlagen, 2 durch KO), dieser hätte hier den besten Kampf seit Langem gezeigt. Das sehe ich genauso. Huck zeigte einen schönen und unterhaltsamen Kampf. Es war sein bester seit langer Zeit, und das gegen einen Gegner, der in der unabhängigen Weltrangliste auf Position Nummer 31 stand. Das ist gar nicht schlecht. Auch ein Weltmeister kann nicht immer gegen die Besten boxen, auch wenn uns einige dies vorgaukeln wollen. Nur davor hat er am 02.04.2011 in Halle/Westfalen gegen ein gewissen Ran Nakash geboxt, der sich damals immerhin auf Rang 25 befand, und dabei eine, wie ich finde, durchwachsene Leistung gezeigt. Noch einen Kampf vorher musste er am 19.12.2010 in Berlin gegen Denis Lebedev ran, gegen den er sich so schwach schlug, dass er nur mit der massiven Unterstützung von zwei Punktrichtern seinen Titel behalten durfte.
Wie sieht also die Leistungsbilanz von Muamer Hukic alias Marco Huck gegenüber den Gebührenzahlern aus? Da haben wir zunächst einen Kampf, den er, nach nahezu einhelliger Meinung aller, verloren hat und in dem der Ruf des Sports massiv beschädigt wurde. Es folgte ein recht schwacher Kampf gegen einen zweitklassigen Boxer. Und nun konnten wir einen guten Kampf gegen einen noch schwächeren Boxer sehen. Würde Huck bei einem Privatfernsehn boxen, würden dadurch seine Leistungen zwar nicht besser, aber man dürfte auch nicht so viel von ihm erwarten. Wenn jemand aber durch zwangsweise eingezogene Fernsehgebühren reich wird, hat jeder einzelne Gebührenzahler einen Anspruch auf Leistung. Ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, dass hier doch etwas zu wenig gezeigt wurde.
© Uwe Betker



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