Warum wird Fußball nicht mit Helm gespielt?

Sebastian Prödl: Kieferbruch. Benedikt Höwedes: Jochbeinbruch. Neven Subotic: Mittelgesichtsbruch. Sven Bender: Kieferbruch. Klaas-Jan Huntelaar: Nasenbeinbruch. Sebastian Kehl: Jochbeinbruch.

Allein von November vergangenen Jahres bis zum ersten Bundesligaspieltag der Rückrunde erlitten sechs Bundesligaprofis Frakturen im Gesicht. Am vergangenen Spieltag traf Kaiserslauterns Dorge Kouemaha Prödl mit dem Stollenschuh mitten ins Gesicht; Höwedes wurde unabsichtlich von seinem eigenen Mannschaftskameraden Marco Höger ausgeknockt.

«Es ist schon auffällig, wie häufig sich Spieler derzeit im Gesicht verletzen», sagt Klaus Eder, Physiotherapeut der deutschen Nationalmannschaft der Welt. Die Gründe für das immer riskantere Spiel: «Es bleibt kaum noch Zeit, den Ball anzunehmen. Die hohe Spielgeschwindigkeit kann ein Grund dafür sein, dass unachtsamer gespielt wird.»

Die Beine sind geschützt, aber nicht der Kopf

Auch Herbert Fandel, Schiedsrichter-Boss beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) macht sich Sorgen: «Gerade Ellbogenvergehen haben wir seit geraumer Zeit auf der Agenda. Davon wird recht rücksichtslos Gebrauch gemacht.» Bereits vor der Saison gab der DFB seinen Schiedsrichtern mit auf den Weg, vor allem Angriffe auf das Gesicht härter zu ahnden.

Absurd ist dabei, dass sich Fußballer die Beine durch Schienbeinprotektoren schützen, den Kopf jedoch nicht – abgesehen von Ausnahmen wie dem tschechischen Torhüter Petr Čech. News.de erkundigte sich bei Lutz-Michael Fröhlich, Abteilungsleiter Schiedsrichter beim DFB, ob sich die Kicker auf dem Platz mit Nasen- oder Kopfschutz überhaupt ohne weiteres vor gefährlichen Harakiri-Aktionen schützen dürften. «Wenn keine Gefährdung für den Spieler oder für andere Spieler von dem Schutzgegenstand, zum Beispiel einem Helm oder einer Maske ausgeht, spricht nichts dagegen», sagt Fröhlich. Es gelten dabei die Bestimmungen der Regel vier des Regelwerks, Ausrüstung der Spieler.

Schlechtes Gedächtnis für Spieler mit guter Kopfballrate

Wissenschaftler schlagen wegen des hohen Risikos beim Kopfballsspiels schon lange Alarm. Dr. Michael 
Lipton vom Albert Einstein College of Medicine in New York untersuchte die Gehirne von 34 Amateurspielern und stellte dabei fest, dass die Auswirkungen von 1000 bis 1500 Kopfbällen pro Jahr denen einer Gehirnerschütterung gleichen. Die Fußballer mit der höchsten Kopfballrate schnitten bei Tests des verbalen Gedächtnisses am schlechtesten ab und lagen auch bei der psychomotorischen Geschwindigkeit hinter den anderen Probanden.

Nach der Betrachtung des blutigen Zusammenstoßes zwischen Prödl und Kouemaha sagte Lipton: «Die Art der heftigen Verletzungen könnte durch diverse Typen von Helmen oder Kopfschützern entschärft werden.» In den vergangenen Jahren seien auch im harten American Football keine Helme benutzt worden. «In dieser Zeit», so Lipton, «waren Knochenbrüche und Hirnblutungen nicht selten  – zum Teil mit fatalen Auswirkungen. Die Einführung der Helme hat diese Verletzungen reduziert.»

Für dauerhafte, leichtere Verletzungen, wie sie im American Football und auch im Fußball und Rugby vorkämen, seien Helme oder Kopfschütze ohnehin keine Lösung, weil diese Stöße selbst mit Schutz nur unzureichend abgefedert werden können. Durch häufige Kopfstöße und -verletzungen erkrankten zahlreiche Spieler der National Football League (NFL) an chronisch traumatischer Enzephalopathie (CTE). Ex-Spieler wie Chris Henry oder Dave Duerson kamen in Folge der CTE-Erkrankung gar ums Leben.

Doch um zumindest Knochenbrüche, wie zuletzt bei Prödl oder Höwedes, zu vermeiden beziehungsweise junge Fußballer am Kopf zu schützen, sollte man sich der Einführung eines Kopfprotektors nicht verschließen. Der schweizer Klub Grasshoppers Zürich testete Stirnschützer bereits 2008 bei den Junioren. Auch Schiedsrichter-Chef Lutz-Michael Fröhlich sagt: «Das müsste man sich mal genauer anschauen.»

Quelle:
News -
Sport News -
Blutende Schädel – Warum wird Fußball nicht mit Helm gespielt?

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