Zum 1. März erhöhen 91 Versorger ihre Preise für Haushaltsstrom, zum 1. April weitere 62. Bereits in den Vormonaten hatten über 200 Grundversorger Preissteigerungen verkündet, so das Stromvergleichsportal Verivox. Im Durchschnitt nehmen die Preise um rund 3,4 Prozent zu. Einigen Versorgern dient der Ausbau der Erneuerbaren Energien als Begründung für Erhöhung, obwohl die EEG-Umlage im Vergleich zu 2011 nur um 0,06 Cent je Kilowattstunde gestiegen ist.
„Wenn Energieversorger die Preise aktuell anheben, lässt sich das nicht auf die Erneuerbaren Energien schieben“, sagt Philipp Vohrer, Geschäftsführer der Agentur für Erneuerbare Energien. „Neben betriebswirtschaftlichen Gründen liegt es an steigenden Beschaffungskosten für fossile Energieträger und vor allem an steigenden Netznutzungsentgelten.“ Davon betroffen sind besonders Privathaushalte und der Mittelstand, die – im Gegensatz zur energieintensiven Industrie – nicht bei den Netzentgelten begünstigt sind.
Mit dem Netzentgelt wird die Nutzung des Netzes abgegolten. Das Prinzip: Die Stromverbraucher, die das Netz in Anspruch nehmen, kommen für die Infrastruktur auf. Demnach müssten Verbraucher mit einem hohen Stromverbrauch mehr Netzentgelte zahlen. Dieser Grundsatz ist jedoch seit August 2011 aufgehoben. Die Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) regelt, dass Großstromverbraucher von der Zahlung der Netzentgelte zu einem großen Teil befreit sind. Dieses Privileg hatte die Regierung der energieintensiven Industrie im Zuge des Atomausstiegs zugebilligt, um die im internationalen Wettbewerb stehenden Unternehmen zu entlasten.
Nun gilt: Wer viel Strom verbraucht und daher die Netze intensiv nutzt, kommt nicht mehr für deren Instandhaltung auf. „Selbst vor dem Hintergrund, den Industriestandort Deutschland schützen zu wollen, wirkt es bizarr, dass der Mittelstand und Privathaushalte allein für die Kosten aufkommen müssen“, bilanziert Vohrer. Eben diesen stehen in den kommenden Wochen Strompreiserhöhungen ins Haus.
Erneuerbare Energien dämpfen den Börsenstrompreis
Kostensenkend wirken hingegen die Erneuerbaren Energien auf den Strompreis an der Strombörse. Der Bundesverband Erneuerbare Energie hat die Entwicklung der vergangenen Monate an der Strombörse ausgewertet und kommt zu dem Schluss: Der Preis am Spotmarkt (Baseload) lag im windreichen Dezember maximal bei 50 Euro pro Megawattstunde und war damit rund 15 Euro günstiger als in den Vormonaten. Gesunken sind auch die Kosten für Terminkontrakte für die nächsten drei Jahre (Futures). Sie haben sich unter dem Vor-Fukushima-Niveau eingependelt.
Von diesem Effekt haben Privatpersonen allerdings kaum etwas, da die Stromversorger die gesunkenen Beschaffungskosten nur selten bzw. nur teilweise und zeitverzögert an ihre Kunden weitergeben. Lediglich Industrieunternehmen, die ihren Strom an der Börse kaufen und gleichzeitig über die „Besondere Ausgleichsregelung“ weitgehend von der EEG-Umlage befreit sind, profitieren vom günstigen Börsenstrompreis durch Erneuerbare. „Die energieintensive Industrie erlebt also schon heute die Vorteile der Erneuerbaren“, so Vohrer. „Sie hat also einen dreifachen Nutzen: Niedrige Börsenstrompreise, kaum EEG-Umlage, kaum Netzentgelte – so langsam fehlt der Drohung von der Deindustrialisierung Deutschlands jedwede Grundlage.“
ö