Warum Vergangenheitsbewältigung so wichtig ist

Von Stefan Sasse
Die Forderung, endlich einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zu ziehen und mit der fast obsessionshaften Beschäftigung mit der "Vergangenheit, die nicht vergehen will" aufzuhören, kommt in Deutschland mit schöner Regelmäßigkeit immer wieder hoch. Bislang hat die Forderung, obwohl grundsätzlich populär, jedoch keinen bleibenden Einfluss erwirken können. Weder die Totalitarismusdiskussion des Historikerstreits in den 1980er Jahren, noch die Forderung nach der Historifizierung des Nationalsozialismus, noch die Wiedervereinigung konnten dem grundsätzlichen deutschen Konsens etwas anhaben, dass Deutschland eine furchtbare Schuld auf sich geladen hat, die es nicht einfach wird abschütteln können und der es sich stets aufs Neue zu stellen hat. Was passiert, wenn ein solcher Konsens nicht existiert, lässt sich immer wieder in Japan beobachten. 
Die Beziehungen Japans mit China und Korea bleiben wegen des ungeklärten Verhältnisses zur Vergangenheit des Zweiten Weltkriegs noch immer gespannt. Sowohl Korea als auch China litten unter japanischer Besatzung und besonders im Fall Chinas der Verübung brutaler Kriegsverbrechen, etwa im Nanking-Massaker (siehe auch im Beitrag "Das blutige 20. Jahrhundert"). Offiziell entschuldigt hat sich Japan nie, und noch heute stehen Schreine für die Kriegsgefallenen, inklusive der Kamikazepiloten, ohne Unterscheidung überall in Japan. Der Besuch dieser Schreine gehört vor allem für konservative Politiker noch zur politischen Routine und belastet die Beziehungen zu den Opfern japanischer Aggression bis heute. Für die Japaner ist es undenkbar, einen Vergangenheitsbewältigungskurs wie Deutschland einzuschlagen. Für sie ist der verlorene Krieg eben ein verlorener Krieg, ein falscher Krieg vielleicht, aber nichts, das eine ernsthafte Auseinandersetzung erfordern würde. Angesichts des Ausmaßes japanischer Verbrechen im Krieg selbst ist diese Haltung kaum nachvollziehbar, doch das Beharren auf der "nationalen Ehre" macht eine Umkehr dieses Kurses extrem schwierig.
Aus dieser Geisteshaltung ist es auch zu erklären, wie der konservative Bürgermeister von Osaka, Toru Hashimoto, auf die Idee kommt, die Einrichtung des Systems der "Trostfrauen" als notwendig zu verteidigen. Die "Trostfrauen" waren vor allem chinesische und koreanische Frauen, die im Krieg zur Zwangsprostitution an japanischen Soldaten gezwungen worden waren, denen sie "Trost" spenden sollten. Auch bei ihnen hat Japan sich bis heute nicht entschuldigt. Hashimoto erklärte, die "Trostfrauen" seien notwendig gewesen, um die Disziplin aufrechtzuerhalten und den Soldaten, die "ihr Leben riskierten eine Pause zu ermöglichen". Warum über 200.000 Frauen für die Pause der japanischen Aggressoren leiden mussten, erklärt Hashimoto leider nicht.

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