„Warum unsere Studenten so angepasst sind“


Angepasstsein – zwei Seiten einer Medaille. Die Machthaber, wer auch immer, als auch die Ausführenden. In diesem Fall die Studenten. Christiane Florin weiß, wovon sie erzählt. Sie ist seit über zehn Jahren Lehrbeauftragte am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Universität Bonn. Sie lehrt Medienpolitik und Medienkultur. Bis 2010 leitete sie das Feuilleton des „Rheinischen Merkur“, heute ist sie die Redaktionsleiterin von „Christ und Welt“ in der „Zeit“.

Warum unsere Studenten so angepasst sind

Die Umstände sind es, die das Denken und Handeln der Studenten in eine Richtung lenken, die alles andere als kreativ und verändernd auf die Gesellschaft wirken. So liest man im Buch mit Schrecken von dem Unwillen vieler, Neues entdecken zu wollen, von dem einzigen Interesse, die Rohstoff-Menge an Lehrmaterial in der festgelegten Zeit zu bewältigen, von der Ablehnung von Diskursen, die ja altmodisch seien, von der Anspruchslosigkeit, was Inhalte betrifft, von der Abneigung politischen Denkens, von der Geübtheit, die Anforderungen des Arbeitsmarktes zu berücksichtigen, geleitet von dem Motiv, zur Leistungsgesellschaft dazuzugehören. Was bleibt? Die Intelligenz im Gleichschritt mit einer Macht, die wiederholt die Welt in Kriege getrieben hat und nun deren „Neuvermessung“ anstrebt.

Ergänzend hierzu eine Überlegung von Samira Manthey im Augustheft der Monatszeitschrift RotFuchs: Politik sei unnütz. Man müsse sich also gar nicht informieren. Man achtet weder auf Fakten noch auf Gerechtigkeit. So werde ein Verständnis der aktuellen Weltlage nicht erreicht. „Es werden die vielfältigen Erscheinungsformen betrachtet, die man nach ihrer Meinung so oder so bewerten kann, aber die Fähigkeit, Zusammenhänge auf der Basis des Nicht-Gelogenen zu erkennen, geht schon in meiner Generation verloren.“

Dieser Druck des Marktes, sich verkaufen zu müssen, der ist es, der Blüten der Absonderlichkeiten treibt. Mehr scheinen zu wollen als zu sein, jegliche äußere Statements zu bedienen, an den Beruf mit dem Slogan „Irgendwas – mit Management tun zu haben“, das eigene Ich in den Mittelpunkt zu stellen, das Private, keine Fragen stellen zu wollen, das Bemühen um ein eigenes Urteil als lästig zu empfinden, die Überschätzung der sogenannten Selbstverwirklichung, die fast minütlich erfolgende Erkundung der eigenen Befindlichkeit, das Shoppen als das eigentlich Politische zu betrachten, die Erwartung vom Lehrkörper, er möge bitteschön eine fertige „Welterklärung“ liefern. Die Autorin zitiert auf Seite 40 eine Studentin mit Namen Jukiane Löffler mit folgenden Worten: „Die Zukunftsangst meiner Generation ist zum Motor unserer standardisierten Leistungsbereitschaft geworden“.

Bleibt die Frage: Wofür und warum sollen sich die Studenten danach strecken, Urteilsfähigkeit, Selbstständigkeit und Kreativität zu erlangen, wenn deren Sinn und Denken des Existenzkampfes unter ausschließlich Marktbedingungen getrimmt wird, mithalten zu können im Kampf um das große und kleine Geld? Wer von Zeitvertrag zu Zeitvertrag stolpern muss, bleibt angepasst (S. 68). Wer stellt da noch Fragen nach dem Sinn des Lebens? Nach Inhalten? Die Ursachen liegen tiefer. So schreibt Werner Seppmann in der „jungen welt“ vom 10.08.2012: „Es wird ein Menschenbild negiert, das als Gegenprinzip zur Welt der Entfremdung und Verdinglichung dienen könnte. Die theoretische Abwertung des Menschen korrespondiert mit der Weigerung, sich überhaupt noch mit den gesellschaftlichen Verhältnissen und den von ihnen produzierten Entfremdungsformen jenseits symbolischer Beschwörungsrituale auseinanderzusetzen.“

Die Autorin vermisst nicht die Ideologien, sondern die Ideen, nicht die Meinungsstärke, sondern die Urteilskraft. Sie wünsche sich einen „Wissenschaftsbetrieb, der Platz lässt für Abseitiges, Originelles, Widerborstiges“. (S. 79) Ist dies nicht zu eng gedacht? Worauf läuft dann dieses Nichtanpassen hinaus? Bei unveränderten kapitalistischen Produktionsverhältnissen darauf, die Barbarei, die Machtverhältnisse, die ja von den Studenten akzeptiert und auch kritisiert werden, zu perfektionieren. Für wen und wofür solle man sich kreativ verhalten?

Der Jurist Glenn Greenwald, er gilt als einer der einflussreichsten politischen Kommentatoren in den USA, wurde in der „jungen welt“ – Beilage vom 27. August 2014 mit folgenden Worten zum Angepasstsein zitiert: Man habe (…) als mutige Journalisten zwei Möglichkeiten -, „Anpassung an die institutionelle Autorität oder radikalen Widerspruch dagegen“. Nicht das Letztere sei Zeichen einer Persönlichkeitsstörung, wie mitunter behauptet werde, sondern die Weigerung, Einspruch zu erheben sei Zeichen einer Charakterschwäche oder moralischen Versagens. Ich meine, wenn man weiß wofür und wogegen. Besser, man kehre die Sache um: Vom ICH zum WIR…“

Quelle und gesamter Text: http://www.nachdenkseiten.de/?p=23128


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