“Warum willst du überhaupt eine Diagnose?”, fragte neulich jemand, als wir darauf zu reden kamen, dass beim FeuerwehrRitterRömerPiraten einige Dinge anders sind als bei anderen Kindern. “Er ist halt einfach der FeuerwehrRitterRömerPirat mit all seinen liebenswerten und auch einigen schwierigen Seiten. Nehmt ihn doch einfach, wie er ist und verzichtet auf die Abklärungen”, meinte die Person und ich hätte ihr nur zu gerne beigepflichtet.
Eigentlich hat sie ja recht. Wozu soll so ein Etikett gut sein, das man dem Kind anheftet? Sind die Menschen denn nicht in der Lage, ein Kind einfach so zu nehmen, wie es nun mal ist? Mit ihm unterwegs zu sein und ihm zu helfen, die wunderbaren Dinge, die in ihm drin stecken, zu Tage zu befördern? Die Geduld aufzubringen, mit ihm manches, was bei anderen mit zunehmendem Alter ganz von selbst kommt, Schritt für Schritt zu erlernen?
Nein, das sind sie ganz offensichtlich nicht, oder zumindest lässt das System ihnen nur sehr wenig Spielraum, diese Geduld aufzubringen. Ein Kind hat gefälligst so zu funktionieren, wie die Mehrheit der Kinder in einem bestimmten Alter funktioniert und wenn es das nicht tut, unterstellt man ihm schnell einmal Unwilligkeit. Alle seine Fähigkeiten und liebenswerten Eigenschaften spielen plötzlich keine Rolle mehr, es ist nur noch das Kind, das nicht liefert, was man glaubt, von ihm erwarten zu können.
Wie schwierig es ist, für ein solches Kind nur schon ein Minimum an Unterstützung zu bekommen, habe ich an anderer Stelle schon zur Genüge beschrieben. Erweist sich dann aber das Minimum, das man dem Kind irgendwann doch noch zugestanden hat, als zu wenig, läuft ohne präzise Diagnose überhaupt nichts mehr. Also hast du die Wahl: Entweder, du lässt die Experten an dein Kind heran, die herausfinden, wo der Grund für die Schwierigkeiten liegt, oder du lässt dein Kind untergehen. (Ja, ich weiss, einige würden jetzt für Homeschooling plädieren, aber aus Gründen, die nicht hierher gehören, geht das im Falle des FeuerwehrRitterRömerPiraten nicht.)
Mit etwas Glück gerätst du nach langer Suche endlich an eine kompetente Fachperson, die herausfindet, wo der Hase im Pfeffer liegt und diese Fachperson darf dann mit der Diagnose in der Hand für die nötige Unterstützung kämpfen. Sogar dann, wenn sich – wie Gott sei Dank in unserem Fall – die Schule nach ihren Erläuterungen willig zeigt, dem Kind zu geben, was es braucht, muss das noch lange nichts heissen. Das letzte Wort hat nämlich die Bildungspolitik und die hat ja trotz verankertem Recht auf Bildung in erster Linie die Finanzen im Blick. Die Diagnose ist also noch lange keine Garantie auf echte Unterstützung – vielleicht weicht sie ja einen halben Millimeter von dem ab, was noch durchgeht -, aber immerhin öffnet sie dir die Tür einen Spalt breit, damit wieder ein Schimmer Hoffnung auf das trübe Szenario von Versagensängsten, Überforderung und Schulfrust scheint.
Und weil der FeuerwehrRitterRömerPirat diesen Hoffnungsschimmer ganz dringend braucht, sind wir ganz froh, nach vielen unnötigen Umwegen endlich eine Diagnose zu haben (die sich übrigens voll und ganz mit dem deckt, was wir selber beobachtet haben, aber jetzt hat das Kind auch einen Namen).