Am 21. Februar wurden bei der szenischen Lesung „An der Feigheit krankt die Welt“ von und mit Susanne Eisenkolb im MuTh tiefe Einblicke in Leben und Wirken der ehemaligen Comtesse Kinsky von Wchinitz und Tettau gegeben.
Sie wissen nicht, wer das war? Hier einige hilfreiche Informationen: Es handelt sich um eine der bedeutendsten Persönlichkeiten rund um die vorige Jahrhundertwende, Nobelpreisträgerin, Weltbestseller-Autorin, leidenschaftliche Pazifistin, eine der ersten politischen Journalistinnen. Sie ziert die Rückseite der österreichischen 2-Euro-Münze und ist trotz alledem leider immer noch viel zu wenigen ein Begriff. Die Rede ist von Bertha von Suttner (1843 – 1914), die zur Ikone der Friedensforschung avancierte und zur ihrer Zeit eine der einflussreichsten Frauen der Welt war.
Gemeinsam mit ihrem Bühnenpartner Christoph Schobesberger trat Eisenkolb, nach einem zu Beginn projizierten Filmausschnitt von Harald Brauns Suttner-Filmbiografie „Herz der Welt“ (1952), als Bertha von Suttner im historischen Kostüm vom Zuschauerraum aus auf die Bühne des MuTh. Mit viel Witz und Ironie stellte sie ihrem Partner mit einem Augenzwinkern in Richtung Publikum die rhetorische Frage: „Ob die das wissen, dass ich es dem Nobel eingeredet hab‘ mit dem Preis?“ Sehr einfühlsam, jedoch stets mit einem kräftigen Schuss Humor, wurden nicht nur aus Tagebuch-Eintragungen sehr persönliche Erlebnisse geschildert (u.a. ihre schwärmerische, erste Liebe zu Kaiser Franz Josef, oder aber auch ihre gescheiterte Gesangskarriere), sondern auch aus Korrespondenzen vorgelesen, die sie mit so bedeutenden Persönlichkeiten wie Alfred Nobel, Leo Tolstoi und Theodor Herzl führte. Ein kleines Lese-Tischchen, ein Klavier mit darauf platzierten Werken der Schriftstellerin, sowie ein großes Bukett roter Rosen lieferten einen authentischen Rahmen.
An der Feigheit krankt die Welt, Chorus Viennensis (c) privat
Neben Schobesberger, der auch immer wieder ans Klavier wechselte und die Lesung mit Werken von Schubert, Chopin und Schumann begleitete, wurde das Programm musikalisch wunderbar vom Männerchor ehemaliger Wiener Sängerknaben, dem Chorus Viennensis, unter der Leitung von Florian Maierl gestaltet. Als besonderes Schmankerl der dargebotenen Gesangsnummern ist das von Franz von Suppé komponierte „Die Waffen nieder!“ zu nennen. 1892 anlässlich des Berner Friedenskongresses uraufgeführt, ist es von Bertha von Suttners gleichnamigem, erstem Weltbestseller inspiriert und heute selten zu hören. Die Zeit des Umbruchs, in die Bertha von Suttner geboren wurde, das ständige Aufrüsten und Säbelrasseln, wurde mit der Auswahl an Musikstücken, bis zu einem fast schon schmerzlichen Realismus, mitgetragen. Richard Strauss‘ „Schlachtgesang“ oder Herwig Reiters „Vater, komm erzähl` vom Krieg“ waren dafür zwei Beispiele. Die Blauäugigkeit der Gesellschaft im Umgang mit einem bevorstehenden Krieg, von Bertha von Suttner in „Die Waffen nieder!“ entlarvt, fasste Susanne Eisenkolb prägnant und ironisch zusammen. Die Doppelmoral der Familien, die ihre Söhne voller Stolz in den Krieg schickten, um danach inbrünstig für ihr Leben zu beten, entlarvte sie mit der Zitat: „Dass [sic!] der Tod zugleich bestimmt und durch Gebete abzuwenden sein könne, ist in seiner Widersprüchlichkeit schon fast lachhaft.“
Susanne Eisenkolb und Christoph Schobesberger (beide verkörperten abwechselnd mehrere Personen aus Bertha von Suttners Umfeld) brachten die beklemmende Atmosphäre rund um die vorige Jahrhundertwende einfühlsam auf die Bühne. Es ist beängstigend, wie aktuell mehr als einhundert Jahre später, diese Texte sind. „Warum tut ihr nichts, ihr jungen Leute“ rief Bertha von Suttner 1913 auf der Straße dem jungen Stefan Zweig entgegen, die hässliche Fratze des Ersten Weltkriegs erahnend. Ihr Wunsch nach einer friedlichen Welt wäre, wie dieser später formulierte, „der einzig wichtige unserer Epoche gewesen“. Suttner, Verfechterin von Charles Darwins Evolutionstheorie, musste erkennen, dass die Zeiten, in denen der Krieg als ein mit der hohen Kultur unvereinbares Gräuel angesehen wird, in unabsehbare Ferne gerückt waren. Ein Umstand, der sich bis heute noch nicht verändert hat und Veranstaltungen wie dieser enorme Brisanz verleihen.