Historiker sind sich uneins: War es die hoffnungslose Lage im Krieg gegen die Alemannen, die den vor 1500 Jahren gestorbenen heidnischen Frankenkönig Chlodwig 496/8 zum Christen werden ließ – oder wollte er mit dem Bekenntnis sein gerade erobertes Reich stabilisieren?
Aus: epoc, 6/2011
In den Wirren der Völkerwanderungszeit entstand ein neues Europa: Das weströmische Reich war 476 untergegangen, während der oströmische Kaiser von Konstantinopel aus nur noch wenig Einfluss auf Westeuropa ausüben konnte. Dort, im heutigen Belgien, hatte der erst 16-jährige Frankenkönig Chlodwig 481/82 den Thron bestiegen und erweiterte fortan geschickt sein Herrschaftsgebiet. Wie ihm sein Bekenntnis zum katholischen Glauben dabei half, beschreibt Wissenschaftsjournalist Stephan Scholz in der neuen Ausgabe von epoc (6/2011). Anlässlich des 1500. Todestags des Merowingerkönigs gibt Scholz Einblick in die aktuelle Forschung und lässt den Mediävisten und Chlodwigexperten Matthias Becher zu Wort kommen.
Im Jahr 496/98 hatte sich der heidnische Chlodwig während einer aussichtslosen Schlacht gegen die Alemannen zu der neuen Religion bekannt: Er bat den christlichen Gott mit dem Versprechen um Hilfe, sich nach errungenem Sieg taufen zu lassen. Die Schlacht wurde gewonnen und der Merowinger empfing wenig später das Taufsakrament. Doch nach Ansicht von Becher nutzte der Frankenkönig die Taufe als politischen Schachzug, der seinem neuen Reich Stabilität verleihen sollte, gleichzeitig aber auch den Anstoß für die Ausbreitung des katholischen Glaubens im mittelalterlichen Europa gab: Franken und katholische Gallorömer aus den eroberten Gebieten rückten näher zusammen – eine bedeutsame Voraussetzung für die etwa 300 Jahre spätere Erneuerung des weströmischen Reichs durch Karl den Großen.