Warum Seminare und Schulungen oft zu wenig bringen.

Von Rkoppwichmann

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Welche Seminare sind die richtigen? Methoden- oder Persönlichkeitsseminare? Und welches Angebot passt jetzt für diesen Mitarbeiter am besten? Wäre ein Coaching nicht überhaupt besser als ein Seminar?

Mit diese Fragen haben Führungskräfte und Personaler, die ihre Mitarbeiter unterstützen wollen, immer wieder zu tun. Doch selbst wenn man einen Seminartyp gewählt hat, ist die Auswahl riesig. Und was da genau „trainiert“ wird, bleibt oft unklar. Denn die Angebotsbeschreibungen sind oft unklar, die erreichbaren Ziele dagegen sehr präzise – und reichlich optimistisch.

Was tun?

Ich arbeite seit dreißig Jahren als Trainer. Zwanzig Jahre davon als Methodentrainer („Verkaufen lernen in 3 Tagen!“). Die letzten zehn Jahre leite ich nur noch Persönlichkeitsseminare.

Warum?

Letztlich sind es die Erfahrungen aus meinen eigenen Trainings und der Austausch mit befreundeten Trainer-Kollegen, die zu meiner Kehrtwendung geführt haben. Dabei sind mir diese drei Punkte wichtig:

1. Verhalten kann in Seminaren nicht verändert werden.

Verhalten verändert sich – wenn überhaupt – nur über oder in einem längeren Prozess. Und den berücksichtigen die meisten Trainings überhaupt nicht. Zudem ist der Seminarteilnehmer nach einer Maßnahme meist auf sich allein gestellt.

Außerdem: Die meisten Menschen wollen sich ja gar nicht ändern. Sie wollen sich vor allem besser fühlen. Klick um zu Tweeten

Doch zum „besser fühlen“ muss man fast immer irgendetwas anders machen. Also schlechte Gewohnheiten reduzieren oder aufgeben – und neue Gewohnheiten aufbauen. Das ist mühsam, anstrengend und manchmal auch beängstigend. Also alles außerhalb der Komfortzone.

Und das beste Training wirkt leider nicht wie ein Aspirin oder eine Spritze. Kurzfristig kann es einen Motivationsschub bringen. Doch der Mitarbeiter kommt ja zurück an seinen Arbeitsplatz. Findet dort dieselben Strukturen vor: Im schlimmsten Fall schwerfällige, umständliche Organisationen, unfähige Vorgesetzte und veränderungsunwillige, frustrierte Kollegen.

2. Geschickte Teilnehmer sind oft im Widerstand.

Oft wird teures Bildungsgeld zum Fenster hinausgeschmissen, weil mit dem Mitarbeiter nicht oder zu wenig darüber gesprochen wurde, warum er jetzt dieses Seminar besuchen soll.

Das gilt auch für interne Pflichtveranstaltungen, wo eine ganze Abteilung zum Seminar abkommandiert wird. Ich habe jahrelang die Vertriebsmannschaft bei DEUTZ AG trainiert. Da saßen dann in der Eröffnungsrunde zwanzig gestandene Verkäufer mit verschränkten Armen und auf ihrer Stirn konnte ich lesen: „Was willst du uns denn noch zum Verkaufen beibringen? Noch dazu als Psychologe.“

Immer wieder höre ich auch von Teilnehmern, die per Mail zu einem Seminar geschickt wurden und dies als Kritik an ihrer Arbeit oder Persönlichkeit interpretieren und dementsprechend mufflig im Seminar sitzen. Trainer und Teilnehmer kriegen dann mitunter einen Ärger ab, der eigentlich woanders hingehört.

Die gewünschte Veränderung des Mitarbeiters tritt auch erst schrittweise ein. Und auch nur dann, wenn die Bedingungen dafür günstig sind  – das heißt vor allem, ein kontinuierliches Feedback vom Chef und den Kollegen.

3. Die Idee vom Nürnberger Trichter ist immer noch in den Köpfen.

Nicht nur in denen der Teilnehmer, sondern auch in denen der Chefs und manchmal der Personaler. Das merke ich zum Beispiel am Trend, Trainingsveranstaltungen immer kürzer zu schneidern.

Ich habe früher bei ComTeam und JANUS fünftägige Seminare geleitet. Mittlerweile geht der Trend zu ein-, zwei-, selten dreitägigen Formaten. Ich habe aber auch schon Anfragen bekommen, ob ich nicht in drei Stunden (!) die Service-Mitarbeiter auf Kundenorientierung „einschwören“ könne.

Das sind natürlich Illusionen, aber wer das Internet durchsucht, sieht, dass es für fast jedes illusionäre Ziel einen Anbieter gibt, der genau das verspricht.

Wenn ich Seminarbeschreibungen anschaue, lese ich meist die unterschwellige Botschaft: „Schnell, intensiv, an nur einem Tag durchführbar.“ Das ist ja auch kein Wunder. Ähnlich wie beim Abnehm-Bestseller „Schlank werden im Schlaf!“ will man die Leute (Entscheider wie Teilnehmer) dort abholen wo sie sind: Es soll schnell gehen, keine Arbeit machen, hochwirksam sein und auch noch Spaß machen.

Willkommen im Phantasialand!

Trainer sollen Muster im Denken, Fühlen und Verhalten ändern, die sich bei diesem Menschen über Jahrzehnte eingeschliffen haben, weil er unterm Strich gut mit ihnen gefahren ist. Diese Muster, die ja auch neuronal fest „verdrahtet“ sind, ändert man nicht an zwei Tagen, nicht mal im Ansatz.

Schulungen und Seminare sollten deshalb nicht dafür konzipiert sein, im Unternehmen etwas zu verändern. Verändern kann sich allenfalls der einzelne Mensch und das kann sich als Reaktion im Unternehmen niederschlagen. Allerdings auch nur dann, wenn es vom Management und der Unternehmenskultur gewollt und unterstützt wird.


Warum Persönlichkeitsseminare oft besser sind.

Eine der wichtigsten Fragen, die sich Menschen stellen, die etwas verändern wollen und es nicht schaffen, lautet: „Warum schaffe ich das nicht?“

  • Die fachlich hervorragende Führungskraft, Frau A., wird nicht weiterbefördert, weil ihr angeblich „Empathie“ fehlt und sie nicht gut mit Menschen könne.
  • Der kompetente Abteilungsleiter, Herr F., ist vor jeder Präsentation enorm aufgeregt und fürchtet, einen Blackout zu erleben.
  • Die selbständige Fotografin, Frau T., schafft es kaum, zu einem Kundentermin pünktlich zu kommen. Etliche Aufträge sind dadurch schon geplatzt. Ihr Verhalten ist ihr ein Rätsel.
  • Der kompetente Abteilungsleiter, Herr F., ist vor jeder Präsentation enorm aufgeregt und fürchtet, einen Blackout zu erleben.

Will man jetzt solchen Menschen im Training helfen, nutzen Theorien über Selbstbewusstsein, schöne Powerpoint-Folien, Rollenspiele oder Tipps und Ratschläge den Teilnehmern wenig.

Was einen Menschen blockiert, ihre Wünsche und Ziele zu erreichen, sind seine Ängste.

Sie sind es, die ihn antreiben oder hindern, etwas zu denken, zu tun oder zu lassen. Veränderungen im Verhalten sind aber nur möglich, wenn man herausfindet, wie man sich bisher hindert und im Wege steht.

Erst wenn Du weißt, was du tust, kannst du tun, was du willst. (Moshe Feldenkrais) Klick um zu Tweeten

Doch die wenigsten Menschen wissen, was in bestimmten Momenten in ihnen abläuft. Stattdessen greifen sie zu Worthülsen wie:

  • „Da war ich halt im Stress.“
  • „Auf der Bühne zu stehen liegt mir einfach nicht.“
  • „Ich war schon immer nicht die Pünktlichste“.

Doch verändern kann man sich nur, wenn man erforscht, wie man den unerwünschten Zustand herbeiführt.

Deshalb lasse ich meine Seminarteilnehmer mittels Innerer Achtsamkeit erforschen, wie sie durch entsprechende halbbewusste Gedanken den unerwünschten Zustand herbeiführen. Dabei kann jemand, der unter „mangelndem“ Selbstbewusstsein leidet, entdecken, mit welchen ungünstigen Gedanken er sich vor einer Präsentation quält:

  • „Ich weiß nicht, ob ich das schaffe!“
  • „Wenn ich da einen Fehler mache, zeigt das meine Inkompetenz.“
  • „Die anderen können das immer ganz lässig.“
  • „Meine Chefin wartet bestimmt darauf, dass ich steckenbleibe wie letztes Mal.“

Deshalb ist meine Trainingsmaxime: Selbstbewusstsein kann man nicht trainieren.
Aber wir können herausfinden, wie Sie es schaffen, Ihr Selbstbewusstsein zu untergraben. Und zwar gründlich.

Das klingt ziemlich paradox, ist aber ein besserer Ansatz als alle Bemühungen, den unerwünschten Zustand wegzuwünschen. („Ich habe mal gelesen, dass man Ängste weghypnotisieren kann. Machen Sie sowas?“) oder die üblichen Empfehlungen auf entsprechenden Internetseiten zum Thema „Tipps für ein starkes Selbstbewusstsein“.


Jeder Mensch hat Glaubenssätze, die sein Denken und Handeln bestimmen.

Diese Glaubenssätze, die wie Filter unsere Wahrnehmung und unsere Interpretation der Welt beeinflussen, haben Denk- und Handlungsmuster zur Folge, denen wir, solange wir sie nicht kennen, ausgeliefert sind.

Deshalb kann man den Ängsten ja oft auch nicht mit Tatsachen beikommen:

  • Wer Flugangst hat, dem hilft keine Statistik über sichere Verkehrsmittel.
  • Wer Angst vor Flüchtlingen hat, will nicht hören, dass die Zuwanderungszahlen sinken.
  • Wer Angst vor Keimen hat, wird selbst in Deutschland kein Leitungswasser trinken.

Also, jede Veränderung beginnt bei sich selbst und kann erst dann auf Andere wirken. Doch bei sich selbst schauen ist gar nicht so einfach. Das zeigt diese kleine Geschichte von Sogyal Rinpoche:

Das Loch in der Straße

Ich gehe eine Straße entlang.

Da ist ein tiefes Loch.

Ich falle hinein.

Ich bin verloren.

Ich bin ohne Hoffnung.

Es ist nicht meine Schuld.

Es dauert endlos, wieder hinauszukommen.

Ich gehe dieselbe Straße entlang.

Da ist ein tiefes Loch.

Ich falle wieder hinein.

Ich kann nicht glauben, schon wieder am gleichen Ort zu sein.

Aber es ist nicht meine Schuld.

Immer noch dauert es sehr lange, herauszukommen.

Ich gehe dieselbe Straße entlang.

Da ist ein tiefes Loch.

Ich falle schon wieder hinein…

aus Gewohnheit.

Meine Augen sind offen.

Ich weiß, wo ich bin.

Es ist meine Schuld.

Ich komme auch sofort wieder heraus.

Ich gehe dieselbe Straße entlang.

Da ist ein tiefes Loch.

Ich gehe darum herum.

Ich gehe eine andere Straße.


Wollen Sie etwas ändern, müssen Sie Ihre Glaubenssätze erkennen und verändern.

Dazu muss man sich mit seiner inneren Selbstorganisation beschäftigen. Konkret heißt das, seine Gedanken mittels innerer Achtsamkeit in verschiedenen Situationen beobachten – und nicht einfach zu glauben.

Leider haben diese Fähigkeit nur wenige Menschen entwickelt. Die meisten Menschen glauben, was sie denken. Das heißt, sie sind ihrem inneren Zwang zu logischem Denken, dem Glauben an Daten und Fakten, also dem bewussten Verstand ausgeliefert.

Doch wissen wir mittlerweile, dass ca. 95 % der Informationen unbewusst aufgenommen werden und nur ein Bruchteil davon verarbeitet wird. Doch der enorme Einfluss der Gefühle und vor allem der unbewussten Ängste bleiben dabei völlig unberücksichtigt.


Einsicht verändert nichts.

Das war mein Aha-Erlebnis vor zehn Jahren, als ich rauskriegen wollte, warum Verkäufer am liebsten immer gleich mit der Produktpräsentation loslegen wollen- anstatt erst einmal eine längere Bedarfsanalyse zu machen, bei der man eben viele Fragen stellt.

Stutzig machte mich, dass das nur den männlichen Verkäufern schwerfiel, was heißt, sie vergaßen die Bedarfsanalyse immer wieder. Die weiblichen Verkaufskräfte machten das gern und ausgiebig. Beim Untersuchen dieses Verhaltens kam raus, dass die Männer glaubten, dass wenn sie dem Kunden zu Beginn viele Fragen stellten, er denken könnte, sie hätten keine Ahnung oder wären ganz neu hier.

Logisch machte das keinen Sinn, denn Kunden mögen es, erst einmal gefragt zu werden und erzählen zu können. Es war die Angst der Männer vor dem Fragen, die ihnen aber unbewusst war.

Einsicht verändert nichts. Für Veränderung braucht es eine starke gefühlsmäßige Beteiligung zu dem Thema. Klick um zu Tweeten

Der Neurobiologe Gerald Hüther betont immer wieder, wie mühsam es ist, bestehende Verschaltungsmuster zu verändern. Denn das geschieht nicht über Fakten und den Verstand, sondern wenn überhaupt über eine eigene emotionale Betroffenheit zu dem Thema. Die Information muss unter die Haut gehen!

Bild: www.darmkrebs.de

Das nebenstehende Bild haben Sie bestimmt schon öfter als Anzeige oder Plakat gesehen. Doch nur rund 20 Prozent der Anspruchsberechtigten haben diese lebenswichtige Untersuchung machen lassen.

Erst wenn man erlebt, dass es unter den jährlich 26.000 Todesfällen auch einen Menschen aus dem Freundeskreis getroffen hat, ändert sich möglicherweise die eigene Einstellung zu der Untersuchung.

Nicht aufgrund von Fakten (rund 63.000 Neuerkrankungen/Jahr), sondern wegen der emotionalen Betroffenheit.


Deshalb mache ich nur noch Persönlichkeitsseminare.

Als mir vor zehn Jahren klar wurde, warum der Transfer vom Seminar in das Alltagsleben der Teilnehmer so bescheiden war und gute Absichten am letzten Seminartag schneller verflogen als die jährlichen Vorsätze an Silvester, stellte ich meine Seminare komplett um:

  • Nur sechs Teilnehmer. Dauer: 2 1/2 Tage. Ein Coach.
  • Alles weglassen, was man an Theorien, Modellen und Methoden in Büchern oder im Internet nachlesen kann.
  • Kein Powerpoint, sondern nur ein Flipchart.
  • Kein unruhiges Hotel, sondern eigene Seminarräume.
  • Keine Tipps und Ratschläge. Keine Rollenspiele.
  • Stattdessen kurze Einführung von Achtsamkeit als Mittel zur Bewusstmachung von eigenen Denk- und Verhaltensmustern.
  • Informationen geben, wie der Mensch „funktioniert“, d. h. wie Lernen und Veränderung passiert.
    Hier vor allem neurobiologische Konzepte wie Amygdala als Angstzentrale, Autopilot als Sammlung von bewährten Überlebensstrategien.
  • Aufspüren des inneren Engpasses, der bisher das Erreichen der individuellen Verhaltensziele verhinderte.
  • Bearbeiten des persönlichen Lebensthemas, wie es sich im Beruf und Privatleben durchgängig zeigt.
  • Erarbeiten eines Maßnahmenkatalogs im Seminar, welche Verhaltensänderungen ausprobiert werden sollen.
  • Vorsorge treffen, was einem nach dem Seminar an Hindernissen begegnen kann, sodass man in alte Muster fallen könnte.
  • Bilden von Lerngruppen über das Seminar hinaus zum telefonischen Austausch über die vereinbarten Maßnahmen.

Und was sagt die Wissenschaft zur Frage der Wirksamkeit?

In dem lesenswerten Buch von Gerhard Roth und Alica Ryba (2016) Coaching, Beratung und Gehirn. Neurobiologische Grundlagen wirksamer Veränderungskonzepte“ kommen die Autoren zu folgendem Fazit.

Für Veränderungen in Beratung und Coaching sind wichtig:

  • Die Beziehung zwischen Coach und Klient.
    Dieser Faktor ist noch wichtiger als die vom Coach jeweils eingesetzten Methoden.
    (Deshalb arbeite ich nur mit 6 Teilnehmern in einer Gruppe und mache ein Einzelcoaching mit jedem vor der Gruppe.)
  • Die Problemaktualisierung, d.h. die Arbeit an konkreten Veränderungsanliegen und Problemkonstellationen. Diese müssen unmittelbar erfahrbar gemacht werden.
    (Deshalb arbeite ich mit Achtsamkeit, Storytelling, Imaginationsübungen u.a.)
  • Die motivationale Klärung.
    Der Coach hilft dem Klienten, die Ursachen, Hintergründe und aufrechterhaltende Faktoren seines Erlebens und Verhaltens zu verstehen.
    (Deshalb teste ich meine Hypothesen mit dem Klienten, siehe in dieser Fallgeschichte)
  • Die Problembewältigung:
    Der Schwerpunkt liegt hier weniger in konkretem Rat, sondern in der Ermöglichung positiver Bewältigungserfahrungen. Dies geschieht parallel über das Erklären und über das Ersetzen belastender Erfahrungen durch positive Erfahrungen.
    (Das erreiche ich durch das Ausprobieren neuer „positiver“ Sätze und dem Kontakt mit bisher verdrängten Gefühlen (lesen Sie dazu diese Fallgeschichte.)

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