"Warum schweigt die deutsche Politik zur miserablen Lage politischer Gefangenen im Iran?"

11.07.2016Menschenrechte im IranAktionen

mehriran.de - Interview mit Parviz Mokhtary, Menschenrechtler, Exiliraner, Wirt, Sprecher der Hamburger Gruppe Verein für Menschenrechte und Demokratie für Iran aus Anlass eines bevorstehenden Hungerstreiks aus Verzweiflung über die Lage vieler politischen Gefangenen im Iran und die Sprachlosigkeit deutscher Politiker darüber.

Menschenrechtsanwältin Narges Mohammadi

mehriran.de: „Herr Mokhtary, Sie leben bereits einige Jahrzehnte in Hamburg. Ihre Wurzeln sind im Iran, dem Land aus dem sie als politisch Verfolgter geflohen sind und wohin sie immer noch viele Kontakte unterhalten und die Lage der Zivilbevölkerung ganz gut einschätzen können. Wir führen das Interview aus Anlass des Hungerstreiks der Sprecherin des Zentrums für Menschenrechtsverteidiger im Iran, Narges Mohammadi. Wie steht es gegenwärtig um die politischen Gefangenen im Iran?“

Parviz Mokhtary: „Die Situation ist miserabel. Es gibt zahlreiche politische Gefangene, die ihr Leben riskieren, um ihre Rechte zu erlangen. Iran gehört zu den Staaten, die eine UNO Konvention für die Rechte von Gefangenen unterschrieben haben. Iran hält sich aber nicht daran. Viele politische Gefangenen werden in Gefängnissen festgehalten ohne einen Prozess bekommen zu haben und ohne Respekt für ihre Rechte. Es gibt jetzt einige, die mit Hungerstreiks diese Rechte einfordern. Es passiert aber nichts, man lässt sie auflaufen. Darum rufen mehrere Organisationen zu Aktionen weltweit auf. In einigen Städten wird es Aktivisten geben, die einen Hungerstreik an Öffentlichkeit wirksamen Plätzen durchführen werden.“


Heshmatollah Tabarzadi, Journalist im Hungerstreik im Iran

mehriran.de: „Welche Chancen geben Sie einem weltweiten Hungerstreik einiger Aktivisten im Ausland im Iran etwas zu bewirken?“

Parviz Mokhtary: „Der Atomstreit mit den westlichen Mächten ist einigermaßen beigelegt. Die Menschenrechte werden seither unter den Tisch gekehrt. Politiker reisen mit Wirtschaftsdelegationen in den Iran und kommen mit vollen Auftragsbüchern zurück. Das ist eine Schande. Zwar behaupten sie auch die Menschenrechte anzusprechen, aber Ernst kann das niemand nehmen. Das sind Reden, um uns zu beruhigen. Deutliche und ernste Wörte werden nicht ausgesprochen. Amnesty International sendet dringende Appelle an Politiker sich einzusetzen, Reporter ohne Grenzen hat erst kürzlich einen Bericht veröffentlicht. Wenn man uns Exiliraner nicht glaubt, sollte man den Sondern  Beauftragten der UN für die Menschenrechte im Iran, Ahmed Shaheed, befragen! Aber es passiert nichts! Uns bleiben an dieser Stelle, wo wir kein Gehör finden, nur noch Verzweiflungstaten. Wir wissen keine anderen Mittel mehr auf die Menschenrechtslage im Iran aufmerksam zu machen und um Hilfe zu bitten. Es haben sich jetzt 29 Organisationen aus den USA und Europa zu einem Solidaritätsrat für Demokratie und Menschenrechte im Iran zusammen getan. Alle Organisationen sind unabhängig. Der Rat bekommt Aktionsvorschläge und verbreitet sie zwischen Mitgeliedern und Koordiniert die Aktionen. Für die Zeit vom 22.-24. Juli werden einige Organisationen den Hungerstreik mitmachen, andere werden auf die Straße gehen. Bisher wissen wir, dass in Paris, Göteborg, Montreal,  Atlanta, Fresno, Dallas, Calgary und Hamburg Hungerstreikende sich an prominenten Stellen in den Städten durch spektakuläre Aktionen ins Rampenlicht bringen werden, um auf das Schicksal der politischen Gefangenen im Iran aufmerksam zu machen.“


Jafar Azimzadeh im roten Hemd

„Eurer Meinung nach bin ich eine Verbrecherin, aber warum bestraft ihr die Kinder?“

mehriran.de: „Welche konkreten Fälle politischer Gefangenen können Sie vorbringen?“

Parviz Mokhtary: „Es gibt viele Geschichten, sie sind allesamt traurig, unwürdig und Wert erzählt zu werden. Ich greife einige wenige heraus. Da ist der vielfach bekannte Fall des Physikers Omid Kokabi, der nicht mit dem Regime am Bau einer Nuklear Bombe mitwirken wollte und seither mit dem Vorwurf ein Verräter zu sein, im Gefängnis sitzt. Es geht ihm schlecht, eine Niere musste ihm entnommen werden. Der Zugang zu wichtigen Medikamenten wurde ihm verwehrt. Da sind Fälle von politischen Gefangenen, die urplötzlich nach Radschai-Shar verlegt werden, in ein Gefängnis für gewalttätige und skrupellose Verbrecher. Was haben politische Gefangene dort verloren? Es ist ein weiteres Druckmittel des Regimes, um sie gefügig zu machen. Ein bekannter Dichter Spitznamens  Halou Khalouwurde für mehrere Monate dorthin verlegt, wo er schon mit Messerstichen und Schnittwunden traktiert wurde. Drei Männer, Afshin Osanloo, Mitglied der Busfahrergewerkschaft, Shahab Tabrizi, Mitglied der Malergewerkschaft, und Hoda Saber, Journalist und Freund  und Parteigenossen des Ehemanns von Narges Mohammadi, sind während ihres Hungerstreiks in den Gefängnissen verstorben. Herz Stillstand, heisst es. Ehsan Mazandarani , Journalist, ist seit über 42 Tagen im Hungerstreik. Er müsste ins Krankenhaus zur Behandlung.  Afshin Sohrabzadeh, Student, ist hat Krebs. Er müsste dringend ins Krankenhaus aber die Gefängnisleitung verlangt mehrere Millionen Tuman als Sicherheit.  Die Familie kann das Geld aber nicht aufbringen, der Vater war sogar bereit eine Niere zu spenden, um zu Geld zu kommen, alle Haushaltsgeräte wurden verkauft. Der Mann wird von den Wärtern geschlagen, um ihn zum Aufgeben zu zwingen. Weitere Menschen sind aktuell im Hungerstreik. Jaffar Azimzadeh, Metallarbeiter, der versucht hat eine unabhängige Gewerkschaft zu gründen, war über 63 Tage im Hungerstreik und sehr schwach. Er ist vor kurzem zur Behandlung in einem Krankenhaus beurlaubt worden und nach viel Widerwillen des Staatsanwalts wurde ihm auch ein juristisches Verfahren zugesichert.


Mohammad Sadiq Kabudvand

mehriran.de: „Was sagt das Regime zu den Vorwürfen, die sie vorbringen?“

Parviz Mokhtary: „Das Traurige ist, der Westen fällt auf die süßen Worte eines Herrn Rohani herein, wenn er in New York  (Genf  falsch) öffentlich erklärt, es gäbe keine politischen Gefangenen im Iran und schon gar nicht Journalisten. Und wenn ein Journalist im Gefängnis sei, habe das nichts mit seinem Beruf zu tun. Dasselbe Erklärungsmuster wird auf die gefangenen Baha’i angewandt, dasselbe Erklärungsmuster hat schon Mahmoud Ahmadinedschad vorgebracht und andere Vertreter der I.R.I., aber ich erinnere an Issa Saharkhiz, er ist Journalist, er hat sich keines Verbrechens schuldig gemacht. Er ist seinem Beruf nachgekommen! Er sitzt unschuldig im Gefängnis und keiner tut etwas."


Narges Mohammadi, Mutter, Journalistin, Menschenrechtsaktivistin

mehriran.de: „Was können Sie von Narges Mohammadi erzählen?“

Parviz Mokhtary: „Der Fall von Narges Mohammadi  ist eine weitere Schande für I.R.I Iran und für die Weltgemeinschaft, die diese Situation zulässt. Frau Mohammadi ist Journalistin, Sprecherin des Zentrums für Menschenrechtsverteidiger im Iran und Mutter von Zwillingen. Ihr Mann, Taghi Rahmani, ist auch lange Zeit politisch aktiv und hat viele Jahre in den Kerkern der Islamischen Republik verbracht. Er ist inzwischen aus dem Iran geflohen und lebt mit den Zwillingen in Frankreich. Narges ist schwer krank und gehört medizinisch angemessen versorgt. Sie wurde misshandelt und gefoltert und hatte mehrere Zusammenbrüche und einen Schlaganfall. Dazu ist sie seit zwei Wochen im Hungerstreik. Man stelle sich diese Verzweiflung und diesen Mut vor! Sie protestiert mit dem Hungerstreik dagegen, dass man ihr verwehrt mit ihren Kindern zu telefonieren. In einem offenen Brief an die Verantwortlichen schreibt sie unter anderem: „Eurer Meinung nach bin ich eine Verbrecherin, aber warum bestraft ihr die Kinder?“ Wenn unsere Politiker es nicht schaffen diese eklatanten Verhältnisse im Iran auf die Waagschale zu werfen und die Augen schliessen, um Geschäfte machen zu können, sind wir in unserem Zivilisierungsprozess ziemlich armselig."

Interview vom 9.07.2017 © mehriran.de (Helmut N. Gabel)

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