Warum perfekte Erziehung schädlich ist.

Oder warum sie erst dann perfekt ist, wenn sie nicht perfekt ist.

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Beginnen wir den Artikel mit einer Begriffsklärung: 

Was ist schon perfekt?

Als ich in den Mütter-Club eintrat, war ich voller guter Vorsätze: Nie wollte ich mein Kind anschreien, es nie hauen, hassen oder gegen die Wand klatschen.

Wenn es ein Buch anschleppen sollte, so nahm ich mir vor, würde ich nie ablehnen, es zu lesen. Ich wollte ihm niemals die Schokolade stehlen. Ich wollte immer geduldig sein, alle Fragen beantworten und den Fernseher ausgeschaltet lassen, bis das Kind das dritte Lebensjahr vollendet haben würde.

So stellte ich mir eine perfekte Erziehung vor.

Bis auf Punkt 4 und 9 Punkt habe ich allerdings nichts davon geschafft.

Es gibt sie aber, diese Mütter. Die immer geduldig sind, nicht schreien, auch wenn das Kind tobt und rotzfrech ist. Die nachsichtig sind, die die Wut ihres Kindern galant überspielen. Die ihren Kindern alles nachräumen, um ihnen eine schöne Kindheit zu ermöglichen. Die sind engagiert, dieses Mütter. Sie wollen das beste für ihr Kind. Sie wollen ein Vorbild sein. Eines aber sind sie nicht: authentisch.

Warum braucht ein Kind authentische Eltern?

Eltern sind auch nur Menschen.

Menschen machen Fehler.

Menschen haben Emotionen. Sie können genervt, enttäuscht, wütend oder traurig sein ebenso wie albern, fröhlich, witzig oder aus vollem Halse lachend.

Eltern haben Grundbedürfnisse. Sie brauchen Pause, Schlaf, ein warmes Mittagessen und mindestens einen heißen Kaffee jeden Tag.

Auch Kinder sind Menschen.

Kinder machen Fehler.

Kinder können genervt, enttäuscht, wütend oder traurig sein ebenso wie albern, fröhlich, witzig oder aus vollem Halse lachend.

Kinder haben Grundbedürfnisse. Sie brauchen Pausen, Schlaf, ein warmes Mittagessen und mindestens einen Kakao jeden Tag.

Wenn das Kind merkt, dass die Eltern keine Menschen sind, sondern perfekt – was macht das dann mit dem Kind?

Kinder brauchen authentische Eltern aus zwei Gründen:

Der erste Grund:

Sie lernen auf diese Weise, wie Freundschaften, Beziehungen und Familien funktionieren.

Sie fühlen sich ernst genommen in ihren eigenen Gefühlen. Gefühle kommen raus, so oder so, aber es gibt konstruktive Wege oder Wege, die dies eben nicht sind.

Sie lernen, dass andere Menschen Grenzen haben (“Kinder, ich bin jetzt müde, ich lese heute nichts mehr vor.”) und dass man diese Grenzen beachten sollte.

Sie lernen, dass Emotionen nichts Schlechtes sind und dass es angemessene Wege gibt, Emotionen zu zeigen, und weniger angemessene Wege. Sie lernen, dass Menschen Fehler machen.

Als ich vor einigen Jahren einen Teller auf dem Wohnzimmerboden zerdepperte, ermahnte mich der damals noch kleine Riesensohn, dass dies ein falscher Umgang mit Emotionen wäre. “Mama, wenn du wütend bist, dann darfst du ins Kissen boxen oder brüllen, aber doch nichts kaputt machen!! Wieso hast du den Teller kaputt gemacht?”

“Damit ich dich nicht haue”, antwortete ich ehrlich und: “Es tut mir leid, kleiner Riesensohn, dass ich dir solche Angst gemacht habe.”

Der zweite Grund:

Wenn man/frau/mama/papa Geduld, Freundlichkeit, Gelassenheit nur vorspielt und möglicherweise nicht auf die eigenen Bedürfnisse achtet, dann steigt das Risiko, irgendwann zu explodieren, eventuell angestaute Wut auf einmal herauszulassen, dem Kind Dinge vorzuwerfen, für die man eigentlich selber verantwortlich ist: “Immer schleppe ich dir ALLES hinterher! NIE räumst du deine Socken selber auf! Nie habe ich Zeit für MICH! Ich tue alles nur für DICH! Und DU bist so UNDANKBAR!”

Kinder haben feine Antennen.

Kinder spüren, wann jemand echt ist. Sie haben feine Antennen dafür, ob jemand es wirklich so meint. Wenn es eine Kluft gibt zwischen dem, was gesagt wird, und dem, was geschieht, geraten Kinder in einen Konflikt:

Mama/Papa sind die großen Vorbilder. Was sie sagen, ist Gesetz, unumstößlich und stimmt immer. Im Zweifel vermuten Kinder, dass etwas mit ihrer eigenen Wahrnehmung nicht stimmt oder dass mit ihnen selbst etwas nicht stimmt.

Gewöhnlich fehlen ihnen auch die Worte dazu, diese Kluft greifbar zu machen.

Wenn Kinder etwas spüren, dass es “offiziell” nicht gibt, dann ist dies eine Quelle für Unsicherheit, Selbstzweifel und kann in psychischen Erkrankungen münden.

Der Vorteil von Authentizität:

Wenn wir uns entschuldigen, geben wir unseren Kinder ein Beispiel dafür, wie wir mit unserer nicht vorhandenen Perfektion umgehen. Sie wissen, dass Mama/Papa Schwächen und Stärken haben – so wie sie selbst. Und ehrlich: Jemand, der sich bei uns entschuldigt, haben wir dafür umso mehr lieb, oder? Einfach weil derjenige menschlich ist.

Wir stärken ihr Vertrauen in ihre eigene Wahrnehmung: “Du hast ganz recht. Ich habe mich eben nicht gut benommen. Ich war wütend auf deinen Vater, weil … Aber Streit gehört zum Leben dazu. Wir haben uns wieder vertragen, wir lieben uns und werden uns nicht trennen.”

So zu sein, wie man ist, kostet weniger Kraft. Dem Kind beizubringen, dass nicht jeder von unseren innersten Nöten wissen darf oder muss oder sollte, ist auch etwas, das man dem Kinde beibringt.

Irgendwie ist das Leben zu kurz, um uns ständig gegenseitig etwas vorzuspielen.

Finde ich.



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