Die Küstenstadt Nha Trang galt einmal als das "Nizza des Ostens". Doch heute dominieren dort Hoteltürme, nur ein paar alte Heiligtümer gibt es noch.
Der Mensch zieht immer Vergleiche, damit er nicht überfordert wird. Das gilt auch für touristische Ziele. Nha Trang zum Beispiel, die Küstenstadt Vietnams am südchinesischen Meer, galt den französischen Kolonialherren als „Nizza des Ostens". So erklärt es der Reiseführer gleich im ersten Satz zu der Stadt. Ob man also will oder nicht - die Assoziation ist gesetzt: Nha Trang, das ist irgendwie Nizza.
Vergleiche sind immer schwierig. Einerseits sind sie selten wirklich korrekt, weil auf dieser Welt grundsätzlich kaum ein Fall (Mensch, Stadt, Situation) dem anderen gleicht. Andererseits sind wir auf sie angewiesen, weil wir sonst orientierungslos durch unser Leben stolpern würden. In jedem Fall sind Vergleiche unvermeidlich, man kann sich kaum von ihnen freimachen.
Nha Trang verdankt seinen Ruf als Nizza des Ostens seiner rund fünf Kilometer langen, von Palmen gesäumten Strandpromenade. Fern der mediterranen Heimat wussten die europäischen Besatzer das Klima und die Topografie dieses Ortes zu schätzen. Es ist das ganze Jahr über warm, der Sand gleißend-weiß und müllfrei, tatsächlich also ein bisschen Nizza. Der Strand ist nun allerdings der einzige Vorzug Nha Trangs.
Backpacker kommen in der Regel in einem kleinen Viertel südlich des Zentrums unter, das in etwa von der Nguyen Tih Minh Khai im Norden und der Tue Tinh im Süden begrenzt wird. Und hier fängt das Problem an. Die Unterkünfte sind recht spartanisch, was an sich völlig in Ordnung ist, sie sind aber auch ziemlich seelenlos. Man geht dunkle, schmucklose Treppenhäuser hinauf, das Zimmer sieht nicht anders aus. Niemand hat hier offenbar Gedanken an so etwas wie eine Einrichtung verschwendet. Ich komme mir mehr vor wie in einem Stundenhotel als in einer Traveller-Absteige.
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Die nähere Umgebung verfügt über Restaurants, in denen in aller Regel nur Touristen essen (was immer ein schlechtes Zeichen ist). Über allem liegt eine Geschäftigkeit, die vielleicht auch in anderen Touristenvierteln vorherrschend ist, aber in der Backpacker-Meile von Nha Trang nicht einmal versucht wird zu kaschieren. Es beschleicht einen ständig das Gefühl: Das Essen könnte besser sein und dafür günstiger - und schon kommt man sich wie ein deutscher Spießbürger vor, der im Urlaub nichts Besseres zu tun hat als sich über die Speiskarte zu beschweren. Furchtbar, also schnell diesen Ort verlassen.
Wir schlendern die Promenade entlang mit diesem leichten Zweifel, ob genau dieser Akt des Flanierens nun einen Ausflug nach Nha Trang gerechtfertigt haben könnte. Irgendwie nicht. Natürlich, die Sonne scheint, das Wasser liegt vor uns (gerade um die Mittagszeit ist es zu heiß zum Schwimmen), und das erlaubt erst einmal eine gewisse Vergnüglichkeit. Doch die Hoteltürme direkt an der corniche erinnern daran, dass der Strand nicht zu einer einsamen Bucht gehört, sondern als touristisches Massenprodukt vermarktet wird, vor allem für russischen Gäste übrigens.
Aber Moment, kann man jetzt einwenden, das ist doch am Mittelmeer auch nicht anders! Das stimmt. Aber nach Nizza fährt man nicht zum Baden, sondern für ein savoir vivre zwischen nachmittäglichem Kaffee und abendlichem Wein - für die Illusion also, dass man der stumpfen Routine des Alltages irgendwie eine natürliche Erhabenheit des Genießens entgegensetzen kann. Womit wir wieder in Nha Trang wären.
Das Meer ist natürlich schön, um sich abzukühlen, aber man verreist ja auch deshalb, weil man das Prinzip des Strandurlaubs mit seinem Herumliegen und Braunwerden aus nachvollziehbaren Gründen ablehnt. Was also hat Nha Trang zu bieten, wenn die Haare nach einem Sprung ins Meer wieder getrocknet sind?
Das Stadtbild selbst ist leider nicht sehr ansprechend. Funktionale Wohnblocks, Motorbike-Verkehr, Stromkabel über den Straßen. Gleichzeitig fehlt die Größe und Urbanität einer Stadt wie Saigon. Ich fühle mich mutmaßlich so inspiriert wie ein asiatischer Tourist, der am Dienstagmittag durch die Fußgängerzone von Gelsenkirchen läuft. Okay, und jetzt?
Zum Glück hat der Reiseführer noch zwei Ausflugs-Tipps parat - genauer gesagt: die kulturellen Top-Sehenswürdigkeiten Nha Trangs. Wir folgen der Promenade nach Norden über die große Hafenbrücke, um uns Po Nagar anzugucken, einen hinduistischen Tempel des Cham-Volkes, die heute eine ethnische Minderheit in Vietnam stellen. Der Haupttempel wurde, nachdem er zuvor bereits schon einmal zerstört worden war, im 11. Jahrhundert neu errichtet. Es ist das letzte große Bauwerk der Cham, der Ziegelbau ist erstaunlich gut erhalten. Nha Trang stimmt uns ein wenig milde.
Einen zweiten Stopp an diesem Monsuntag machen wir bei der Long-Son-Pagode mit ihrer weißen Buddha-Statue auf der Spitze eines kleinen Hügels. Wir können uns nicht entscheiden, ob wir die Anlage nun besonders beeindruckend finden sollen, laufen aber erst einmal umher mit dem Gestus von Leuten, die ihr ernsthaftes Interesse für ein kulturgeschichtlich interessantes Thema auch irgendwie durch die Züge in ihrem Gesicht zum Ausdruck bringen wollen. Aber so richtig springt der Funke nicht über. Womöglich ist jetzt die Zeit, um zum Strand zurückzufahren und noch einmal zu schwimmen.
Nizza des Ostens, dieser Vergleich schien wohl vor hundert Jahren noch angemessener als heute. Die Stadt muss damals ein kleiner Fischerort gewesen sein, dem die Kolonialherren aus Frankreich ihren kulturellen Stempel aufdrückten. Heute überragen die Hoteltürme das Meer, es herrscht touristische Geschäftigkeit, und doch bewegt sich die Zeit für den Besucher schleppend voran wie ein Verdurstender in der Wüste. Der Gedanke: Es wäre schön, mal wieder nach Nizza zu fahren.
Vietnam liegt in zwei Klimazonen. Der Süden ist tropisch-feucht, der Norden gemäßigter und kühler. Wer das ganze Land sehen möchte, sollte in den trockenen Monaten von November bis Januar verreisen. In den Sommermonaten bringt der Südostmonsun im Süden des Landes viel Regen, dafür kann es im Winter im Norden frisch werden.
Mit einer Zwischenlandung von Deutschland aus nach Saigon. Emirates fliegt über Dubai, Etihad über Abu Dhabi, Air France über Paris.
Ja. Reisende aus Deutschland müssen das Visum online unter http://visa.mofa.gov.vn bei der vietnamesischen Auslandsvertretung beantragen. Es gibt Single-Entry-Visa für die einmalige Einreise und Multi-Entry-Visa für die mehrfache Einreise.
Übernachtungsmöglichkeiten gibt es für jeden Geldbeutel. In Saigon und Hanoi gibt es luxuriöse Sternehotels, in der Mittelklasse ein großes Angebot. Individualreisende können im ganzen Land auf ein dichtes Netz an einfachen Hostels zurückgreifen, in denen die Übernachtung selten mehr als 15 US-Dollar kostet. Wer sich etwas mehr Komfort gönnen möchte, geht in ein Boutique-Hotel (ab etwa 30-40 US-Dollar pro Nacht).
Vietnam ist ein sicheres Reiseland. Touristen können sich frei bewegen. Taschendiebstähle sind - wie überall auf der Welt - möglich und lassen sich durch einfache Vorsichtsmaßnahmen verhindern.
Vietnam ist immer noch ein sehr günstiges Reiseland. Wer mit wenig Budget reist, braucht nicht mehr als 30 US-Dollar am Tag (10 für Essen, 10 für Übernachtung, 10 für Transport).