Warum muss nicht nur der Kapitän des vor der Insel Giglio havarierten Luxusliners...

PICT3364"Übermut tut selten gut" . Dieses alte, fast banal klingende Sprichwort scheint sich auch bei dem Schiffsunglück vor der toskanischen Küste zu bewahrheiten. Einen 290 Meter langen und 36 Meter breiten Luxusliner mit 15 Knoten durch eine nur 60 Meter breite Passage zu steuern bedarf es eines "ganzen Kerls". In Seemannskreisen wird das jedenfalls als ein Beweis für besonderen Mut und professionelles Können angesehen. Tatsächlich entspricht das von Kapitän Schettino durchgeführte, als "Inchino" (=Verneigung) bekannte Manöver einer gängigen Praxis, die von den Hafenbehörden stillschweigend geduldet und von den Küstenbewohnern sogar begrüsst wird. Das gleiche gilt wohl für den Reeder , der diesen Brauch als "kostenlose" (sie hat vermutlich über 30 Tote gekostet) PR-Aktion nutzt und sich deshalb nicht auf Unkenntnis berufen kann. Dass es sich um keine offziell "saubere" Angelegenheit handelt, geht aus der Tatsache hervor , dass dabei regelmässig das satellitengesteuerte Tracing-System Ais ausgeschaltet wird, um keine technisch nachweisbare Spuren zu hinterlassen. Nicht ohne Grund hat die Reederei die auf ihrem Blog als "unvergessliches Urlaubserlebnis auf futuristischen Kreuzfahrtschiff" gepriesene Verneigungs-Zerimonie sofort nach dem Unglück von ihrem Blog verschwinden lassen. Die Schuld gänzlich auf den Kapitan abzuwälzen scheint jedenfalls nicht korrekt , auch wenn Art und Ausmass des Abweichens von der vorgesehenen Route in dessen alleiniger Beurteilung liegt. Noch bedenklicher sind die Vorgänge nach Eintreten der Havarie : Zum Vorschein kommt dabei die von allen Reedern praktizierte Regel, die Geschehnise nach Möglichkeit (hier als reinen Stromausfall) zu verharmlosen und nur bei einer offensichtlich sich anbahnender Katastrophe den Einsatz der Küstenwache anzufordern. Denn das hat selbst bei kleinster Ursache eine Bordinspektion zur Folge , die bis zu acht Stunden in Anspruch und mehrere hunderttausend Euro kosten kann. Dies wäre - neben den bisher unbestätigten Mutmassungen über die Rolle von Alkoholgenuss und Damenbesuch - eine plausible Erklärung für die beharrliche Zögerlichkeit , mit der der Kapitän nach dem Auflaufen des Schiffs vorgegangen ist. Ebenfalls unangenehme Fragen gefallen lassen müssen sich viele Regierungen dieser Welt, die im Namen der Wirtschaftlichkeit den Bau immer grösserer Kreuzfahrtschiffe zulassen . Mehr als 4.200 Passagiere und Bordangehörige (in einer finnischen Werft wird gerade ein Luxusliner für 6.200 Personen gebaut) zu evakuieren , ist kein Kinderspiel - geschweige denn auf offener See bei hohem Wellengang und Schlechtwetterbedingungen . Glück im Unglück für die Passagiere der bereits bei ihrer Jungfernfahrt unglücklichen Costa Concordia (der traditionelle Sektflaschenwurf war erfolglos) . Doch was geschieht, wenn die überwiegend aus Schweröl bestehenden 2.400 Tonnen Treibstoff vor der unter Naturschutz stehenden Inselwelt auslaufen ?

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