Warum Kinder schneller lernen als Erwachsene. - Und was wir deshalb von Kindern lernen können.

Und was wir deshalb von Kindern lernen können.

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Der Mann war dabei, auf seinem Tablet Musik zu hören. Aber dann konnte er die Musik nicht mehr abstellen. Er schaltete das Tablet aus und wieder ein. Die Musik spielte weiter. Da kam seine 7-jährige Nichte herein, hörte ihren Opa über die Musik grummeln.

"Warum drückst du nicht einfach den Pause-Knopf?"
"Pause-Knopf?" "Ja, Pause-Knopf."

Offenbar hatte das Kind die Lösung zu dem Problem. Was bedeutet, dass in manchen Feldern Kinder schneller lernen als Erwachsene, weil ihr Gehirn irgendwie anders funktioniert. Aber Kinder haben noch mehr Fähigkeiten, die uns Erwachsenen abhanden gekommen sind:

  1. Für Kinder gibt es keine Zeit.
  2. Kinder analysieren sich nicht.
  3. Kinder vertrauen blind.
  4. Kinder spielen viel.

Ich will das näher erklären.

1.  Für Kinder gibt es keine Zeit.

Wenn ein Erwachsener eine neue Fähigkeit lernen will, beispielsweise  mit dem neuen Videoschnittprogramm umgehen, Saxofon spielen oder endlich Italienisch lernen etc. steht meist eine Frage ganz am Anfang: "Wie lange dauert das?" Und das ist schon der erste und wichtige Unterschied zwischen einem Kind und einem Erwachsenen.

Stellen Sie sich ein Kind vor, das sprechen lernen und gehen lernen will.

Das Kind krabbelt drauflos, schaut Sie aber nicht an, als wollte es sagen: "Hey, ich kann gut krabbeln. Und ich weiß, dass du willst, dass ich noch Chinesisch lerne. Und in derselben Zeit soll ich noch aufrecht gehen lernen. Kannst du mir ein Inhaltsverzeichnis geben und einen Zeitplan? Gibt's einen bestimmten Termin, bis ich das alles können muß?"

Nein, Kinder haben keinen Zeitplan. Weil Zeit nicht existiert.

Bis zum Alter von fünf Jahren oder sogar später versteht Kinder nicht das Konzept von gestern, morgen oder nächster Woche. Und schon gar nicht, was "in sechs Wochen" bedeuten soll. So stapfen sie einfach drauflos, lernen neue Worte oder fallen tausendmal hin, wenn sie laufen lernen. Aber irgendwie lernen sie dann Chinesisch oder Französisch oder Deutsch. Oder alle drei Sprachen gleichzeitig.

Aber das ist nur der erste Vorteil.

2. Kinder analysieren sich nicht.

Wenn Kinder etwas lernen, wissen sie nicht oder sie kümmern sich nicht darum, ob sie es richtig machen oder falsch. Und das erlaubt es ihnen, naiv zu sein. Sie kümmern sich nicht darum, ob sie das Wort richtig aussprechen oder immer wieder hinfallen.

Das Kind sitzt nicht da und nörgelt an sich herum, warum es das Wort immer noch nicht richtig ausspricht. Oder warum es noch so wacklig auf zwei Beinen steht. Oder warum es zum siebenhundertfünften Mal hinfällt.

Dem Kind ist es auch egal, wenn der Erwachsene sieht, dass es zum Aufstehen sich am Sessel oder an der Couch hochzieht. Es fehlt jede Selbstbeurteilung, es gibt noch nicht mal einen täglichen oder wöchentlichen Fortschrittsbericht.

Was uns zum nächsten Punkt bringt.

3. Kinder vertrauen Blind.

Als unsere Tochter drei Jahre alt war, warf ich sie manchmal in die Luft hoch und fing sie wieder auf. Jedes Mal wenn wir das machten, jauchzte sie vor Vergnügen und forderte mich auf: "Nochmalmachen!"

Einmal war ich neugierig, was da in ihrem Kopf vorging, und fragte sie: "Hast du keine Angst, dass ich dich mal nicht auffange?"

Ihre Antwort kam sofort: "Nein, du lässt mich nicht fallen."

Das ist das blinde Vertrauen, das ein Kind in Erwachsene hat. So kann ein Erwachsener seinem Kind Türkisch beibringen, obwohl jeder in dem Land Deutsch spricht und das Kind folgt blind. Der Erwachsene bringt ihm vielleicht bei, wie man das Wort richtig ausspricht - und wieder ist da dieses unbedingte, blinde Vertrauen des Kindes.

Und das bringt uns zum letzten Punkt.

4. Kinder spielen viel.

Spielen bedeutet, dass es keinen Raum für Fehler gibt. Spielen bedeutet, das der Geist des Kindes offen ist für jedes Szenario. Und "Fehler" sind Teil des Prozesses. Und dieses Spielen macht sie unendlich zufrieden - bis ein neues Bedürfnis auftaucht. Essen, trinken, schlafen.

Erwachsene haben da ganz andere Gewohnheiten.

Erwachsene wollen alles hinterfragen. Sie mögen dies nicht und das nicht. Sie haben Stimmungen, wenn sie etwas lernen wollen: "Entschuldigung, warum soll ich das lernen? Sie müssen mir schon erklären, wozu das gut sein soll."

Stellen Sie sich ein Kind vor, das jede Handlung hinterfragen würde. Wie viel würde dieses Kind lernen, vor allem in diesem frühen Stadium? Das bedeutet nicht, dass man nicht hinterfragen soll. Aber in einem frühen Lernstadium sind Sie immer ein Anfänger, der nicht wissen kann, was richtig oder falsch ist. Und warum man es auf diese Weise lernen soll.

Und was ist mit dem Zeitplan für Ihre Lernfortschritte?

Das ist auch Unsinn, weil alles ist schwierig - bevor es einfacher wird. Und alles was leicht fällt, brauchte Zeit und Mühe, bis Sie die Kontrolle darüber hatten. Zeitpläne zu haben klingt nett, für den Lehrer wie für die Schüler, aber allzu schnell wird daraus ein Damoklesschwert über unseren Köpfen. Die Uhr fängt an zu ticken und die Frustration wächst. Und je frustrierter wir werden, umso eher verlieren wir die spielerische Einstellung.

Hier ein schönes Beispiel aus dem Film Karate-Kid.

Der 15-jährige Daniel will bei Meister Myagi Kampfkunst lernen. Dieser beschäftigt ihn aber zuerst wochenlang mit sinnlosen Arbeiten, wie Daniel findet. Er muss den ganz langen Zaun um das Haus des Meistern streichen und dessen Auto wachsen und polieren. In dieser Szene hinterfragt Daniel, was denn der ganze Unsinn mit Karate zu tun haben soll.

Und der Meister zeigt es ihm.

Außerhalb des Spielmodus wird alles zu Arbeit.

Aber nicht zur spielerischen Arbeit, sondern zur schieren Plackerei. Ein Punkt auf unserer To-Do-Liste, den wir hassen. Und wir kriegen üble Laune und versuchen, den lästigen Punkt von unserer To-Do-Liste zu streichen.

Und das ist der Moment, wenn der Tsunami der Selbstzweifel in unser Gehirn strömt. Plötzlich wollen wir perfekt sein. Plötzlich wollen wir keine Fehler mehr tolerieren. Wir sind siebenhundertmal als Kind hingefallen aber jetzt, wo wir eine ähnlich schwierige Aufgabe vollbringen wollen, erwarten wir das Ergebnis in einer festgesetzten Zeit von x Tagen.

Und keine Fehler machen? Blindes Vertrauen? Können wir komplett vergessen.

So bereitet man den Boden fürs Versagen.

Unsere Informationsverarbeitung ist so viel größer als die eines Kindes. Wir haben einen großen Schatz von Erinnerungen und Gefühlen. Und den können wir nutzen, um immer wieder zum Kind zu werden. Oder erwachsen.

PS:Dieser Artikel entstand aus etlichen Konversationen mit Alison, meiner neuseeländischen Mentorin des Cartoon-Kurses, den ich seit September letzten Jahres absolviere.

Ehrgeizig wie ich bin, wollte ich alles schnell lernen, Fehler vermeiden und beurteilte alle meine Hausaufgaben mit meiner verzerrten Wahrnehmung. Wenn Alison meine Fortschritte lobte, lächelte ich milde - und glaubte ihr kein Wort. Aber es ging nicht so recht voran. Ich wurde immer frustrierter, wollte schon den Kurs abbrechen.

Und dann entschied ich mich, wieder Kind zu sein.

Fing an, in Pausen zu kritzeln. Beim Fernsehen, beim Telefonieren. Kümmerte mich immer weniger um Ergebnisse und versuchte, alles leichter zu nehmen und zu machen. Natürlich machte ich jede Menge "Fehler", warf viele Zeichnungen weg oder löschte sie gleich auf dem Tablet.

Das tat ich jeden Tag. Denn darauf hatte Alison bestanden: "Sketch everyday, Roland, at least half an hour. Don't think about the results. Sketch - but don't draw."

Es war nicht leicht, meinen Ehrgeiz immer wieder an die Seite zu schieben aber ich hatte volles Vertrauen in Alison, dass sie wusste, was sie empfahl.

Und dann verstand ich, warum es wichtig, in bestimmten Bereichen des Lebens immer wieder den Schalter umzulegen:

Im Kind-Modus bin ich begierig zu lernen.
Im Erwachsenen-Modus will ich immer schon etwas können.

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Bild: © www.cartoon4you.de

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Hier schreibt: Roland Kopp-Wichmann

Bloggt hier wöchentlich seit Juli 2005. Leitet intensive Persönlichkeitsseminare: 6 TN, 3 Tage, 1 Coach. Schreibt Bücher, eBooks und eMail-Kurse. Zeichnet jetzt sogar Cartoons.

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