20 LebenskundeschülerInnen fragen, 1 Politikerin antwortet
Im humanistischen Lebenskundeunterricht wird großer Wert auf eine ethische Erziehung gelegt, die ein selbstbestimmtes Leben und die Einhaltung der Menschenrechte als zentrale Werte vermittelt.
Was die Kinder durch eine Begegnung mit Menschen, die sich aktiv für genau diese Werte einsetzen, lernen können, lässt sich nicht ersetzen durch Arbeitsblätter und theoretische Texte. Im Idealfall ist eine solche Begegnung nachhaltig.
Für die SchülerInnen der Richard Grundschule in Neukölln ist es ein Teil ihrer Identität, als kleine BerlinerInnen ihr Parlament zu besuchen und im Gespräch mit einer PolitikerIn aus Neukölln zu sein.
Zwei Schulklassen der Richard Grundschule haben sich im Rahmen des Humanistischen Lebenskundeunterrichtes mit Frau Anja Kofbinger1 über das Leben als Politikerin, über Diskriminierung von Lesben und Schwulen und vor allem über die Bedeutung des internationalen Frauentages auseinandergesetzt.
Am 10. März war es soweit. Die SchülerInnen saßen mit ihren erarbeiteten Fragen an Frau Kofbinger im Lebenskunderaum:
Warum sind Sie Politikerin geworden?
Ich wollte was verändern!
Wer war Clara Zetkin?
Die Begründerin des Frauentages. Sie hat sich für die Rechte der Frauen eingesetzt: das Wahlrecht, freie Berufswahl und verbesserte Arbeitsbedingungen.
Warum finden Sie den Frauentag so wichtig?
Weil es ein Symbol ist, dafür, dass wir immer noch für die Rechte der Frauen kämpfen müssen.
Was haben Sie am Frauentag gemacht?
Ich habe mit einigen KollegInnen die Dorotheenstraße wieder in Clara Zetkin Straße umbenannt2.
Wann gibt es mal einen Männertag?
Ich glaube nicht, dass es einen Männertag geben wird, es geht ja darum, die Situation für die Frauen zu verbessern.
Kann man den Frauentag auch verschieben?
Nein, das wäre ungünstig. Der Frauentag am 8.März hat zu tun mit einem Streik von Arbeiterinnen, der bereits 1857 stattfand.
Das sind nur einige der Fragen samt der Antworten, die die Kinder sich auf ihre Zettel geschrieben haben und die von Anja Kofbinger morgens um 8 Uhr beantwortet wurden.
Vorausgegangen waren dem heutigen Besuch zwei Besuche im Parlament, in dem die Kinder eine kindgerechte Führung durch das Gebäude samt ansprechender Einführung in das demokratische Handeln in ihrer Heimatstadt Berlin erhielten.
Nach der Führung erwartete Frau Kofbinger die Kinder in einem kleinen Konferenzraum und beantwortete Fragen zu ihrer Person und ihrer Funktion. Die dabei entstandene Atmosphäre und das Gespräch bewirkte bei den SchülerInnen mehr, als es eine ganze Projektwoche zum Thema Antidiskriminierung vermocht hätte, z.B. als Frau Kofbinger über ihre Frau sprach, und wie stolz und zufrieden sie war, als es endlich, nach mehr als 10 jährigem Kampf die gleichgeschlechtliche Ehe gab.
Sie sprach auch offen darüber, wie zornig und betroffen sie ist, wenn Kinder sich auf dem Schulhof mit „du schwule Sau“ oder ähnlichen diskriminierenden Äußerungen beschimpfen. In das betretene Schweigen hinein erklärte sie dann, dass man natürlich etwas tun muss, wenn man Dinge verändern möchte und dass das einer der Gründe war, warum sie dann doch Politikerin geworden ist und nicht Astronautin.
Für die SchülerInnen war es hochinteressant, eine richtige Politikerin aus nächster Nähe zu sehen und zu befragen. Zumal eine, die offen und authentisch über so wichtige Themen wie Diskriminierung und was dagegen getan wird, sprechen kann.
Vorbereitet auf den großen Tag, an dem Frau Kofbinger dann zu Ihnen in den Lebenskundeunterricht kommt, haben sich die Kinder auf unkomplizierte und typisch lebenskundliche Art und Weise. Sie haben Poster erstellt, auf denen sie gerechte und ungerechte Dinge für Männer und Frauen notiert haben.
Themen waren: ungerechte Bezahlung, Männer verdienen mehr, Männer finden eher Arbeit, Frauen müssen Männer zuhause bedienen, Frauen können besser kochen, Kleidung für Männer ist teurer.
Diese Vorschläge wurden teilweise heftig in den Arbeitsgruppen diskutiert.
Satzergänzungen zu dem Satzanfang: Wenn ich Minister wäre… Wenn ich Ministerin wäre…… wurden formuliert und schließlich Fragen notiert, die sie Frau Kofbinger stellen.
Was die SchülerInnen aufgeschrieben haben deutet darauf hin, dass bereits Kinder der 6.Klasse durchaus sensibel für die täglichen Diskriminierungen sind:
Wenn ich MinisterIn wäre, würde ich…
…dafür sorgen, dass Frauen das gleiche Geld wie Männer kriegen.
…mehr Jobs für Frauen anbieten.
…es erlauben, dass Frauen mit Kopftuch auch überall arbeiten dürfen.
Frau Kofbinger war sichtlich erfreut, als sich einige Kinder meldeten auf die Frage, wer denn von ihnen später gerne PolitikerIn werden wolle?
Für viele der Eltern der SchülerInnen ist es leider noch immer nicht möglich, mitzuwählen, um so teilzunehmen an der Demokratie, die den Kindern im Parlament vorgestellt wurde.
Aber ich möchte Anja Kofbinger gerne zitieren: Lasst uns was verändern!
S.
- Sprecherin für Frauenpolitik und Lesben- und Schwulenpolitik, Mitglied im Petitionsausschuss, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ↩
- http://www.taz.de/1/berlin/artikel/1/zetkin-zurueck-aufs-schild/ ↩