Warum Informationen wichtig sind: Qualitätsmängel bei der Behandlung von Patienten mit schweren Depressionen

Eine große Untersuchung der Bertelsmann Stiftung mit mehr als 6 Millionen Versicherten deckt relevante Qualitätsmängel bei der Diagnostik und Behandlung von Depressionen auf: Denn: “drei Viertel der Patienten mit schweren Depressionen werden nicht nach dem aktuellen Standard versorgt.

Nur ein Viertel der Patienten erhielt die von der Nationalen Leitlinie empfohlene Behandlung.” (Faktencheck Gesundheit: Depressionen der Bertelsmann Stiftung, April 2014).

In den Nationalen Versorgungsleitlinien zur Behandlung von Depressionen werden je nach Schweregrad der Erkrankung unterschiedliche Behandlungen empfohlen. Siehe dazu auch den Vortrag zu Depressionen und die Patientenfassung der Nationalen Versorgungsleitlinie in diesem Blog).

Hier zwei Informationen vorneweg:

1. Leitlinien und Versorgungsleitlinien: Leitlinien sollen dazu dienen, Ärzte und Patienten über die aktuell beste Diagnostik und Behandlung von Erkrankungen zu informieren. Dazu werden in der Regel alle Experteninformationen und wissenschaftlichen Untersuchungen zusammengetragen, die Fachgesellschaften befragt und Empfehlungen zu Behandlungen zusammengestellt.

In Deutschland werden diese Informationen bei der AWMF (Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften) zusammengetragen und veröffentlicht. Zu den meisten Empfehlungen gibt es auch sehr gute und verständliche Patientenversionen.

2. In der Leitlinie zur Diagnostik und Behandlung von schweren unipolaren Depressionen aus dem Jahre 2012 wird von allen Experten und Dachgesellschaften, belegt durch zahlreiche Untersuchungen, empfohlen, eine Kombinationsbehandlung aus medikamentöser Behandlung (Antidepressiva) und Psychotherapie) durchgeführt werden sollte.

In der grossen Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung mit über 6 Millionen Versicherten wurde jetzt jedoch nachgewiesen, dass

  • nur 12 % der Patienten die empfohlene Kombinationsbehandlung bekamen (in Bayern nur 7%)
  • 57% der Patienten erhielten lediglich Medikamente
  • 18 % der Patienten gar nicht behandelt wurde (während der drei jährigen Untersuchung)
  • 25% der über 60-jährigen Patienten mit schweren Depressionen erhalten gar keine Behandlung
  • es große regionale Unterschiede bei der Behandlung von schweren Depressionen gibt
  • in Bayern, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein gibt des den höchsten Anteil chronisch verlaufender Depressionen
  • “Kreise mit besonders niedrigen Behandlungsraten (Psychotherapie) liegen in ländlichen Bereichen in Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Bayern.”

Die Ursachen der regionalen Unterschiede sind unklar. Es werden Stadt-, Landunterschiede, Über- und Unterdiagnostik, unterschiedliche Arzt- und Psychotherapeutendichte und auch unterschiedliche Krankheitshäufigkeit diskutiert.

Was aber insgesamt verwundert und erschreckt, ist die geringe Häufigkeit von notwendigen und bedarfsgerechten Psychotherapien bei diesen schweren Erkrankungen.

Das deckt sich auch mit unseren Erfahrungen im Osten von München: immer wieder kommen zu uns Patienten mit schweren Depressionen und zahlreichen Problemen und Konflikten, die jahrelang nur mit Medikamenten behandelt worden sind, obwohl sie dringend eine Therapie gebraucht hätten.

Was sind die Folgerungen aus diesen erschreckenden Zahlen und Ergebnissen?

  • die ärztliche und psychotherapeutische Versorgung in ländlichen Regionen muss verbessert werden (Stichwort: Bedarfsplanung)
  • Ärzte müssen die Erkrankung frühzeitiger erkennen und eine adäquate, leitlinienorientierte Behandlung einleiten
  • die Wartezeiten bei Fachärzten und Psychotherapeuten müssen verkürzt werden
  • Wir brauchen vernetzte und besser koordinierte Versorgungsmodelle und bessere Zusammenarbeit zwischen Kliniken und ambulanten Ärzten
  • Patienten und Angehörige sollten sich selbst informieren und die Behandlungsstandards und Leitlinien kennen.
  • Sie sollten die behandelnden Ärzte fragen, warum bei ihnen eine andere Behandlung gewählt wurde, als in den Leitlinien empfohlen wurde.
  • Patienten sollten eine Zweitmeinung bei einem anderen Experten einholen.

Ziele sollte sein, den Menschen besser und schneller zu helfen, die das oft nicht mehr alleine können oder die sich davor fürchten, professionelle Hilfe und Behandlung in Anspruch zu nehmen.


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