Warum ich niemals schimpfe. Oder: Lügen-Verhinderungs-Maßnahmen.

Also meistens.

Doch beginnen wir mit einer Definition:

Schimpfen ist:

“Sich laut und emotional über etwas aufregen, was das Kind verbrochen hat, ohne das Kind zu Wort kommen zu lassen. Schlimmstenfalls wird das Kind dabei noch heruntergeputzt. Noch schlimmstenfaller vor anderen Leuten.”

Rege ich mich nie auf? oder: Was ist die Alternative?

Ja, ich rege mich auf. Ich rege mich darüber auf, dass Sohni mit MEINEN Terrassenpflanzen Zaubersuppe gekocht hat. Ich rege mich darüber auf, dass MAXE das Grünzeug gekillt hat, aber es bleibt im Rahmen, denn gleichzeitig freue ich mich über ihre Kreativität und ihren Gemeinsinn. Ich will das Positive sehen.

Ich schaue in Maxes grüne Augen und sage: “Bitte nicht mehr meine Blumen!”

Und dann gebe ich ihm eine gangbare Alternative: “Pflück das nächste Mal das Grün vom Nachbarn, Maxe, ok?”

Maxe kaut auf seinen Lippen und nickt, verschämt grinsend. Sache erledigt.

Wenn Sohni den Koboldmaki macht.

Lasse ich meine Kinder nie nicht zu Wort kommen?

Manchmal nicht. Wenn ich gerade so schön am Herummeckern bin. Warum ich immer alles erst zehnmal sagen muss, bevor die Herren sich bequemen, sich die Beißerchen zu schrubben. Warum ich immer erst mit dem Weißen Hai drohen muss, bevor sie aufräumen. Und – hundert heulende Hund – warum zum Geier können sie ihre Jacken nicht mal OHNE meine verbale Aufmerksamkeit an den Haken hängen zum KUCKUCK!

Im Meckerstimmung ernte ich meist einen schrägen Blick des großen Riesensohnes, und Maxe kommt mit gespitzten Lippen auf mich zu und macht: “Hmhm!” was bedeuten soll: Mama, beug dich mal runter zu mir, ich will dich küssen und dann ist deine schlechte Laune verflogen. Sohni macht derweil den Koboldmaki. (<- Video, ab Sekunde 10)

Putze ich meine Kinder vor anderen herunter?

Ich hoffe nicht. Niemals kann ich nicht sagen. Ich bin auch nur ein Mensch. Aber ich schleife meine Kinder nicht zu einem anderen Kind und sage: “Du musst dich jetzt entschuldigen!”

Ich weiß, wie schwer Entschuldigen ist. Ich finde das immer noch schwer, und ich bin schon erwachsen. Um ihnen das Entschuldigen zu erleichtern, mache ich es ihnen vor, wenn ich etwas an ihnen verbrochen habe. Und biete ihnen mehrere Möglichkeiten, sich bei ihren Brüdern zu entschuldigen. Streicheln zum Beispiel, das machen wir dann zusammen, seine kleine Hand auf meiner. Oder zu nicken, wenn ich sage, dass sie es bitte  nicht noch einmal machen.

Versprochen?

Warum ich schimpfen blöd finde.

Ich mag nicht gerne aus- oder beschimpft werden. Ich fühle mich erniedrigt und bloßgestellt. Kein Wunder, dass man einem Geschimpfe aus dem Weg gehen will. Notfalls mit Lügen. “Nein, ich war das nicht!” ist noch das harmloseste, “ich war es nicht, der da!” ist schon schlimmer. Ich weiß noch, was für ein schlechtes Gewissen ich hatte, als ich an dem Gerät zur Schwangerschaftsverhütung meiner Schwester herumgespielt hatte. Noah ist jetzt elf Jahre alt.

Lügen macht Vertrauen schwer. Vertrauen ist aber die Basis von Beziehungen. Also sage ich meinen Kindern, dass sie mir bitte immer sofort sagen sollen, wenn was passiert ist. Egal was, egal, wer der Verursacher war. Weil ich das wissen muss, um zu entscheiden, wie es weitergeht. Weil ich wissen muss, was passiert ist, bevor ich zum Arzt fahre.

Denn die wenigsten Dinge geschehen mit Vorsatz.

Ich vertraue darauf, dass meine Kinder schon im Gefühl haben, wenn sie Mist gebaut haben.

Da muss ich nicht noch schimpfen.

Vorsätzlich schlimme Dinge zu machen, halte ich für das Endergebnis  von unterdrückten Wutgefühlen, Ohnmachtsgefühlen oder dem temporären Umbau von Gehirnarealen. Also beuge ich vor. Ich versuche, meinen Kindern einen adäquaten Umgang mit Gefühlen beizubringen. Was tue ich bei Wut? Bei Trauer?

Gefühle sind wichtig, man kann sie nicht verdrängen, sie zeigen einem den Weg und man darf ihnen niemals das Recht absprechen zu existieren.

“Du bist jetzt ganz schön wütend, oder?” Ist dann so eine Frage, aber niemals: “Jetzt stell dich nicht so an.”

Einmal voll, bitte.

Ich liebe das Bild vom Liebestank, den jeder Mensch hat. Leider läuft er so schnell von selber leer. Also müssen wir ihn füllen. Das gilt für den Ehetank genauso wie für die Beziehungen zu meinen Kindern. Wir machen Quatsch, spielen und lesen vor und machen gemeinsam Dinge, die allen Spaß machen. Und abends wird gekuschelt (es sei denn, ich schlafe vorher ein).

Wenn der Liebestank allseits gefüllt ist, ist das die beste vertrauensbildende Maßnahme, die ich kenne. Und die beste Vorbeugung gegen Aggressivität und Blödsinn, also ich meine natürlich schlimmen Blödsinn.

Lügen-Verhinderungsmaßnahmen

Ich will nicht, dass meine Kinder Süßigkeiten von Fremden annehmen. Also sage ich ihnen, dass ich ihnen genau das besorge, was ein Fremder ihnen angeboten hat. Oder sie vorher mich fragen sollen.

Bei Unfällen, die beim Toben, Spielen oder Abendbrot passieren, frage ich nicht nach dem Täter. Das lässt sich sowieso kaum rekonstruieren. Wir überlegen dann, wie man solche Situationen in Zukunft verhindern kann, oder ich stelle einfache Regeln auf wie “Niemals mit den Füßen kitzeln!” oder: “Komm, wir schneiden mal deine Fingernägel.”

Mara in Utopia

In meinem Leben gab es Gott sei Dank immer wieder Menschen, dir mir großmütig meine weniger lichten Momente verziehen haben. Die Verständnis gezeigt haben und mit mir auf Augenhöhe waren, auch wenn ich Mist gebaut habe.

Diesen Personen fühle ich mich immer noch nahe. Und das möchte ich auch gerne mit meinen Kindern so halten.

Wenn doch etwas arg schief gegangen ist, setzen wir uns zusammen und reden ernst miteinander. Ich sage ihnen, dass ich ihnen glaube. Und wenn doch etwas passiert ist, das man mit anderen Menschen klären muss, sage ich ihnen, was ich an ihrer Stelle machen würde. Bei den Kleinen gehe ich dann mit. Und je größer sie werden, desto mehr will ich ihnen zutrauen, ihre Konflikt auch selber zu lösen.

Soweit meine Utopie, und ich, immer auf dem Weg dahin.



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