Warum ich jetzt noch einmal etwas zu Naika Foroutan schreibe

von Thomas Baader

Ich dachte ja eigentlich, zum Buschkowsky-Artikel von Naika Foroutan im SPIEGEL hätte ich alles Wesentliche gesagt. Da mich nun einige Nachfragen und Bitten um Konkretisierung erreicht haben, muss ich wohl etwas weiter ausholen.

Auf gerade mal zwei Seiten Text verwendet Naika Foroutan neunmal das Wort "rassistisch" bzw. "Rassismus". Im Sinne einer klassischen Textanalyse würde man wohl sagen, dass Foroutan durch ständiges Wiederholen bestimmter Schlüsselbegriffe den Leser auf einer emotionalen Ebene ansprechen und somit von der Dürftigkeit ihrer Argumentation ablenken möchte. Wer so schreibt wie Foroutan, will keine Debatte führen, sondern diffamieren. Buschkowsky ist ein Rassist. Das ist die Botschaft, die hängen bleiben soll.

Und irgendwann kommt der absurde Vergleich zwischen Ehrenmorden und Kindesmissbrauch. Die Deutschen sind ja nicht schließlich alle Kinderschänder und die Türken daher auch nicht alle Ehrenmörder. Letzteres hat natürlich auch niemals irgendjemand behauptet. Foroutan tut aber ganz gerne mal so, als ob.

Dass allerdings das Phänomen Ehrenmord in bestimmten Einwanderergruppen verbreitet ist und in anderen eben nicht, hätte auch Naika Foroutan stutzig werden lassen können. Dabei hätte sie das Wesentliche zu dem Thema auch bei Deniz Yücel in der taz nachlesen können: "[...] dass Geschwister oder Väter einen Mord begehen, weil sie einen archaischen Ehrenkodex verletzt sehen, ist im 21. Jahrhundert nur in bestimmten Kulturkreisen verbreitet – und in anderen nicht." Oder anders ausgedrückt: Kennt Naika Foroutan irgendwelche Internetforen, in denen Deutsche den letzten Fall von Kindesmissbrauch feiern und sich darüber auslassen, dass dies dem Opfer recht geschieht, ja sogar ankündigen, demnächst selbst zu Täter zu werden? Nein, es gibt keine Solidarität mit dem Kinderschänder und auch nicht mit dem Verursacher eines Familiendramas. Der Täter ist isoliert.

Was es aber gibt, ist die unbändige Freude über einen vollzogenen Ehrenmord - und das, Frau Foroutan, gibt es eben leider nur bei bestimmten Bevölkerungsgruppen. Vietnamesische Ehrenmord-Fans werden Sie nicht finden.

Dafür aber das hier... afganischstämmige Internetnutzer schrieben nach den Ehrenmord an Morsal Obeidi in Hamburg: ""hat der gut gemacht und jetzt was wollt ihr machen"; "du scheiß deutscher du verstehst nicht die kultur der afghaner du bastard sie hat aus den schlägen nichts gelernt"; "Wenn ich mit einen Jungen gesehen werden würde, würde mir vielleicht das selbe zustoßen"; "bin selbst ein Bruder und würde das selbe machen wenn meine Schwester was falsches begehen würde".

Mehr O-Töne gefällig? Jesidische Nutzer nach dem Mord an Arzu Özmen: "Wenn meine Schwestern sowas machen sind die TOT .so ist das bei uns yeziden"; "arzu hat es teilweise auch selbst provoziert"; "was für ein stück dreck,hat nicht nur ihr leben zerstört sondern das von 5"; "wie kann man nur eine tochter haben die so viel unheil über einen bringt".

Das ist nur eine sehr kleine Auswahl aus einer Flut gut dokumentierter Aussagen. Sie belegen vor allem eines: dass die Soziologin Naika Foroutan das Phänomen Ehrenmord nicht versteht. Der Freiburger Psychologie-Professor Jan Ilhan Kizilhan, der im Gegensatz zu Foroutan im Bereich Ehrenmorde umfangreiche Forschungen betrieben hat, kommt richtigerweise zu dem Schluss: "Es dreht sich alles um die Frage: Was denken die Verwandten? Sind wir schwach?" Und somit sollte klar sein: Kindesmissbauch IST überall. Er kommt in allen Kulturen vor. Und Ehrenmord nun einmal nicht.

Doch im Fall von Naika Foroutan erzeugt das Weltbild die Wahrnehmung anstatt umgekehrt. So fragt sie etwa, warum es eine Plakataktion gegen Salafisten gebe, aber keine vergleichbare Plakataktion gegen Rechtsextremisten. An der Stelle fragt man sich wirklich, in welchem Land Foroutan lebt. An Schulen und in Vereinen sind ständig und in großer Zahl Aktivitäten gegen Rechtsextremismus üblich, während man vergleichbare Projekte zum Thema Islamismus mit der Lupe suchen muss. Und wäre die achtzehnjährige Jesidin Arzu Özmen in Detmold von Rechtsextremen ermordet worden statt von ihren eigenen Verwanden, so darf man annehmen, dass der Trauermarsch von allerhöchster Parteiprominenz begleitet worden wäre anstatt von B- und C-Politikern.

Aber wo Schwarz-Weiß-Denken vorherrscht, kommt man natürlich auch zu die Realität massiv verkennenden Behauptungen wie: "Wir leben in einem Land, in dem viele glauben, muslimische Männer würde hier ihre Frauen unters Kopftuch zwingen." Aber wer wie ich seit Jahren aktiv in einem Verein arbeitet, der muslimische Opfer patriarchalischer Strukturen betreut, der glaubt nicht nur, der weiß um den Kopftuchzwang, den es hierzulande gibt. Ich vermute, dass Naika Foroutan selbst niemals mit solchen Betroffenen gesprochen hat. Geschichten von jungen Frauen, die im Grundschulalter irgendwann gesagt bekommen haben "Jetzt wird es langsam aber mal Zeit, dass du ein Kopftuch trägst", interessieren sie vermutlich auch nicht. In diesem Bereich gibt es viel zu erforschen und zu dokumentieren. Man muss es nur wollen.

Vor diesem Hintergrund ist es mir auch zu mühselig, auf all die kleinen Absurditäten und Logikschwächen des Foroutan-Textes einzugehen. Dass sie beim Blick auf Migranten einen Mangel an Differenzierung beklagt und hier und da selbst ein allzu pauschales und verallgemeinerndes Bild von der Mehrheitsbevölkerung entwirft, muss ja nicht unbedingt ich weiter erörtern. Dass es Unsinn ist, Buschkowsky, der seit Jahren alles tut, um die Verhältnisse in seinem Bezirk zu verbessern und darüber in jeder Talkshow spricht, nun auch noch vorzuwerfen, dass unter seiner Zuständigkeit nichts unternommen worden wäre - darüber soll ein anderer schreiben. Ein anderer kann sich auch darüber den Kopf zerbrechen, warum Foroutan auf der ersten Seite ihres Textes schreibt, dass die Zahl der Muslime in Deutschland bis 2030 nicht signifikant steigen wird, aber auf der zweiten Seite davon spricht, dass irgendwann die Hälfte der eingeschulten Kinder einen Migrationshintergrund haben wird. Und ob es Wohlwollen ist, mit dem Foroutan zur Kenntnis nimmt, dass manche Migranten lieber gefürchtet werden wollen als verachtet, soll ebenfalls ein anderer ergründen. Ich bin es leid. Ich bin es leid, dass meinen Mitstreitern und mir, die wir Opfer betreuen, für Unterbringung sorgen und sogar von Zwangsheirat und Ehrenmord bedrohten Musliminnen aktive Fluchthilfe leisten - dass wir uns bei diesem Kampf um Menschenrechte ständig von einer promovierten Berufsrelativiererin Knüppel zwischen die Beine werfen lassen müssen. Den Schwächsten unter den Einwanderern, die irgendwann selbstbestimmt und mit Würde leben wollen, hilft Naika Foroutan auf diese Art gewiss nicht.


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