Ich weiß, dass ich nichts weiß
Bevor ich meine Gründe für diesen Meinungswandel aufzeige, will ich zuerst deutlich machen, wie unbefriedigend ich die aktuelle Informationssituation finde. Bis gestern konnte ich noch mit einer gewissen Ironie feststellen, dass das Thema zwar seit drei Wochen permanent in den Schlagzeilen ist, ich aber nicht die geringste Ahnung habe, ob das Virus gefährlich ist. An dieser Unsicherheit hat sich nichts Grundlegendes geändert. Und das ist ein erster Grund ernsthafter Beunruhigung.Unser Mediensystem ist nicht in der Lage, trotz einer dauerhaften Berichterstattung die Kerninformationen verlässlich herüberzubringen. Die Neigung, grundsätzlich mehrere Seiten zu Wort kommen zu lassen und nicht abschließend zu werten, sondern dies den Zuschauern zu überlassen, ist in einer Demokratie sicherlich bei normalen politischen Streitthemen ein guter Instinkt. In diesem Fall aber ist der "He said she said"-Bothsidermismus ein echtes Problem, weil keinerlei verlässliche Informationen zu haben sind. Stattdessen breiten sich permanent neue Gerüchtewellen aus, entstehen überall lokale Cluster von Halbwissen, Hausrezepten und Best-Practice-Varianten, die alle richtig oder falsch oder (wahrscheinlich) ein bisschen was von beidem sein können. Die Neigung des Internets, nichts ernst zu nehmen und Witze über alles und jeden zu reißen trägt mit der zentralen Rolle der Sozialen Netzwerke nicht gerade dazu bei, dieses Problem kleiner zu machen.
Aber diese Unsicherheit hatte mich mehr amüsiert als beunruhigt. Schließlich hörte man ja, dass nur alte Menschen wirklich gefährdet sind, dass es sich um eine Grippe handle (je nach Quelle weniger schlimm oder schlimmer als die normale oder saisonale Grippe, auch hier wiederum: völlige Unklarheit und willkürliche Informationslage je nach sozialem Umfeld). Wie schlimm soll es schon werden? Schweinegrippe und Co waren schließlich auch harmlos, obwohl so viel Aufhebens gemacht wurde, nicht wahr?
Letzte Woche wurde die Lage absurder. Plötzlich waren in vielen Supermärkten Handreinigungsmittel, Konserven, Nudeln und Toilettenpapier ausverkauft - zumindest hier im schwäbischen Raum. Mich ließ die Entwicklung recht kalt; ich bin eh ein Vorratskäufer. Warum eine Dose Kidney-Bohnen kaufen wenn man auch eine Palette von 24 Stück in den Keller stellen kann? Die Dinger halten sich ja. Ich war von daher eh gerüstet, kein Grund zur Panik, eher zu Kopfschütteln (vor allem in den Sozialen Netzwerken und im direkten sozialen Umfeld, selbstverständlich). Höhö, Corona, die Leute drehen völlig durch, pffffft.
Dann las ich vor vier Tagen zum ersten Mal, dass die Todesrate von Corona (wo auch immer) um 4% betrage. Das ließ mich aufhorchen. Ich hatte ja erst jüngst ein Buch über die Spanische Grippe gelesen, der schlimmsten Pandemie seit der Großen Pest. Die Todesrate der Spanischen Grippe betrug 2%. Wenn es wahr sein sollte, dass Corona 4% beträgt - 100 Jahre nach der Spanischen Grippe - dann hätten wir ein ernstes Problem an der Hand. Da ich aber außer der vereinzelten Meldung (vermutlich über Twitter aufgeschnappt) nichts darüber las, ging das wieder zurück ins Unterbewusstsein.
In den letzten Tagen häuften sich dann die Meldungen, dass nicht nur Nudeln, Klopapier (und, aus welchen Gründen auch immer, Eier) ausverkauft waren, sondern Desinfektionsmittel, Atemschutzmasken und andere eher dem medizinischen Bereich zuzuordnende Mittel. Die Konsequenzen waren für manche Betroffene, die auf diese Teile angewiesen waren, dramatisch. In diesem Fall waren die Sozialen Medien sehr nützliche Verstärker, weil Leute direkt berichten konnten, wie diese dämlichen Hamsterkäufe sie beeinträchtigten. Auch Berichte von ArbeiterInnen aus Notaufnahmen, die wegen Corona-Infizierten, die sich nicht an die Aufforderungen hielten diese keinesfalls zu betreten komplett abgeschottet werden mussten, trugen nicht gerade dazu bei, meine Stimmung aufzuhellen.
Die grundsätzliche Unsicherheit, die ich von Beginn an verspürt hatte - dieses "Ich weiß nicht, ob Corona tatsächlich gefährlich ist" - war immer noch da. Sie ist so groß wie vorher. Ich weiß es immer noch nicht. Aber sie wurde deutlich intensiver, zunehmend unterfüttert von einem sehr flauen Gefühl in der Magengrube, das nichts mit dem Virus selbst zu tun hatte.
Das heißt, bis heute. Manchmal, wenngleich auch selten, kann man seinen Meinungswandel auf einen bestimmten Punkt hin verfolgen. Bei mir war das gestern, mit der Lektüre dieses ausführlichen Artikels in Medium. Ich habe keine Ahnung, wie korrekt dieser Artikel ist. Es klingt alles sehr glaubhaft, sehr informiert, aber das muss nichts heißen. Bei einem Thema, bei dem praktisch niemand Bescheid weiß, informierter zu klingen als 95% der Bevölkerung (und schlimmer, der Journalisten und Politiker) braucht nur ein YouTube-Video. Diese Dynamik befeuert Verschwörungstheorien und Fake News seit zwei Dekaden.
Die Aussagen des Artikels allerdings sind dazu angetan, das bestehende Unbehagen in ein extrem flaues Gefühl umschlagen zu lassen. Denn es klingt wesentlich überzeugender und kohärenter als alles, was ich bisher gelesen habe. Das muss, erneut, nichts heißen. Diese Unsicherheit wird sich auch durch entsprechende Kommentare und ergänzende Quellen nicht fundamental ändern. Denn wenn ich die Berichterstattung der letzten Wochen nicht einzuordnen in der Lage war...Weitere Testimonials aus den Sozialen Netzwerken, wie der viral gegangene Zusammenbruch einer iranischen Krankenschwester, der die Patienten unter den Händen wegsterben, tragen da wenig zur Beruhigung bei, egal, wie anekdotisch sie sind.
Keine der vielen Nachrichten, die gestern rund um den Virus bekannt wurden, konnte weiter beruhigend wirken. Ein europäisches Land nach dem anderen riegelt sich komplett ab. Italien. Frankreich. Irland. Belgien. Die Liste geht weiter. Und dennoch. Mir fehlt jedes Wissen darüber, wie bedrohlich das Virus ist. Mir bleibt persönlich nur, mich an dem zu orientieren, was man sieht und hört. Und das ist mehr als chaotisch und sorgt zunehmend für ein aufsteigendes Gefühl von...nicht Panik, aber etwas, das sich wie die Vorstufe anfühlt. Eine tiefe Beunruhigung. Und die hat nicht nur mit dem Virus selbst zu tun, das für meine Demographie nach allem, was man hört, keine allzu große Bedrohung darstellt (vielleicht?).
Die systemische Krise
Aber die innere Unruhe, die ich seit etwa einer Woche verspürte, hatte relativ wenig mit dem Virus selbst zu tun. Viel problematischer ist die systemische Krise, die hier offenbar wird. Konkret: Wir lebten bisher in einem Schönwettersystem. Und jetzt geraten wir zum ersten Mal in eine Schlechtwetterzone.Die Bedrohung von Corona liegt nicht einmal zwingend in der direkten gesundheitlichen Gefahr (wobei dies dazu kommen könnte; erneut, ich sehe mich außerstande, das richtig einzuschätzen). Was wir gerade erleben ist nicht nur eine Pandemie für die Menschen; es ist auch die erste Pandemie der Globalisierung.
Die Globalisierung hat in den letzten vier Dekaden für eine nie dagewesene Vernetzung und Verschränkung der Gesellschaften und Volkswirtschaften eines Großteils der Welt geführt. Zunehmende Spezialisierung und komparative Kostenvorteile ermöglichten einen Konsum und eine Freiheit, die in der Geschichte der Menschheit beispiellos sind. Doch neben den allseits bekannten Schattenseiten durch Ungleichheit, Ausbeutung und Umweltverschmutzung gesellt sich nun auch noch ein neues Problem hinzu.
Eine Pandemie in einer chinesischen Provinz ist, ungeachtet unserer immer noch zu selbstbezogenen Wahrnehmung, kein lokales Problem. Die Interdependenzen einer globalen Welt garantieren, dass wir die Auswirkungen zu spüren bekommen. Selbst wenn es der KPCH gelungen wäre, die Region Wubei komplett zu isolieren (und sie waren nah dran) hätten die Auswirkungen uns erreicht.
90% aller Wirkstoffe für Generika - jene billigen Medikamente, die deutlich Preisdruck aus dem Gesundheutssektor nehmen - werden in China hergestellt, ein großer Teil davon ausgerechnet in den Wirtschaftsclustern in Wubei, der Region, in der die Stadt Wuhan liegt, das Epizentrum der Pandemie. Die Abriegelung der Region, bei der die chinesische Regierung effektiv mehrere zehn Millionen Menschen unter wochenlangen Hausarrest stellte (eine Maßnahme, die im demokratischen Westen völlig unvorstellbar ist), brahcte auch ihre Wirtschaftstätigkeit zum Erliegen.
Das ist in einer in höchstem Grade arbeitsteiligen, globalisierten Wirtschaft ein gigantisches Problem. Denn die Herstellung teilweise zentraler Güter - etwa Medikamente oder medizinische Gerätschaften - ist ohne globale Lieferketten überhaupt nicht mehr vorstellbar. Die Idee, eine Epidemie könnte auch bei einer lokalen Begrenzung ohne Folgen für uns bleiben, wird als reine Illusion entlarvt.
Da soziale Isolation die einzig wirksame Schutzmaßnahme gegen eine Pandemie darstellt - eine Schutzmaßnahme übrigens, wie sie nur von Regierungen in all ihrer Machtfülle bereitgestellt werden kann - bedeutet dies zwangsläufig auch ein Einbrechen der Wirtschaft. Bereits jetzt können wir in den Supermärkten sehen, welche Auswirkungen auch nur geringe Unsicherheit in der Bevölkerung haben kann. Zu dem Zeitpunkt, als sich die Regale leerten, gab es in Deutschland noch nicht einen bestätigten Corona-Fall.
Was wird hier los sein, wenn die Pandemie tatsächlich ankommt? Ist es überhaupt vorstellbar, dass die freie Marktwirtschaft, in der ich im Supermarkt kaufen kann, was vorhanden ist und ich mir leisten kann, erhalten bleibt? Oder werden Rationierungen eingeführt werden? Corona mag insgesamt eine eher harmlose Pandemie bleiben; ich hoffe wirklich, dass es so kommt. Aber sie legt systemische Verwundbarkeiten offen, über die in Deutschland seit den 1950er Jahren nicht mehr nachgedacht wurde und für die kein institutionelles Gedächtnis besteht.
Sollte eine Krise wie eine gefährliche Pandemie wirklich auf uns durchschlagen, ob dieses Jahr mit Corona oder irgendwann zu einem späteren Zeitpunkt, so werden wir uns spätestens dann mit Gedanken wie Ausgangssperren, Checkpoints, der Rationierung von Lebensmitteln und Sanitärgütern und ähnlichen Themen beschäftigen müssen, die uns allenfalls aus Guido Knopps sanft-gruseliger Zweiter-Weltkriegs-Nostalgie im ZDF bekannt sind. Unser Selbstverständnis als Bürger einer Demokratie würde auf eine mehr als harte Probe gestellt. Es schlüge die Stunde der Exekutive.
Stunde der Entscheidung
In einer Krise wie einer Pandemie bleibt den Bürgern eines Landes überhaupt keine andere Wahl mehr, als sich auf die Regierung zu verlassen. Eine Pandemie ist so allumfassend, dass die Reaktionen des Einzelnen wenig bedeutsam sind. Ob ich als Individuum soziale Distanz halte, ist praktisch irrelevant, wenn der Rest es nicht auch tut. Die Verbreitung des Virus' muss überall gestoppt werden, sonst bleibt mir nur, mich monatelang einzuschließen. Und das hat wenig Erfolgsaussichten. Peter Nicholas fasste es für den Atlantic in einer knackigen Überschrift zusammen: There Are No Libertarians in an Epidemic. Maßnahmen müssen zwingend von oben kommen. Entscheidungen müssen getroffen werden.An dieser Stelle ist es elementar, dass die Regierung kompetent und vertrauenswürdig ist. Beide Faktoren sind auf ihre eigene Art problematisch. Wir haben bereits im Rahmen der Serie über das politische System Deutschlands die Bedeutung angesprochen, die Vertrauen in die Regierungsarbeit hat. Wenn die BürgerInnen überzeugt sind, dass ihre Regierung nicht vertrauenswürdig ist, sind Notmaßnahmen praktisch unmöglich. Sie würden unterlaufen, ignoriert, vielleicht sogar aktiv opponiert.
Deutschland steht hier besser da als manch andere Nation. Mit Angela Merkel haben wir jemanden an der Spitze, der zwar nicht gerade dadurch auffällt, Maßnahmen zu treffen bevor sie unbedingt notwendig sind. Aber Merkel ist auch jemand, die sich ohne falsche Eitelkeit von Experten beraten lassen wird. Die informierte Entscheidungen treffen wird. Die vergleichsweise unabhängig agiert. Die ehrlich ist - schon vor Tagen hat Merkel erklärt, dass 60-70% der Bevölkerung das Virus bis zum Ende des Jahres bekommen werden, eine mehr als sinnvolle Krisenkommunikation. Und die ein Gefühl für die Verantwortung hat, die gerade in ihren Händen liegt. Das ist mehr, als einige andere Länder von sich behaupten können.
Das heißt nicht, dass das deutsche Krisenmanagment hervorragend oder gar perfekt wäre. Weit davon entfernt. Der Föderalismus beißt uns in den Hintern und verlangsamt entscheidende Prozesse oder reibt sie - Thema Schulschließungen - zwischen eifersüchtig gehüteten Besitzständen der Bundesländer auf. Es wird so getan, als kümmere sich das Virus um die Grenzen der Bundesländer. Und so weiter. Aber ich fühle ein Grundvertrauen in eine CDU-SPD-Regierung, das alle meine Meinungsverschiedenheiten über konkrete Policy mit dieser Regierung überlagert.
Denn das ist das Entscheidende für die Exekutive. In Krisenzeiten zeigt sich, wer Verantwortungsgefühl und Entscheidungsfähigkeit besitzt. Und wir könnten es sicherlich sehr viel schlechter getroffen haben als mit Angela Merkel und ihren Ministern auf der einen und einer ohnehin bis zur Selbstaufgabe verantwortungsvollen SPD und ihren Ministern auf der anderen Seite. Mein Vertrauen in Christian Lindner jedenfalls wäre geringer als das in Olaf Scholz, so viel steht fest. Ich kann Scholz nicht ab, aber ich bin froh, dass er in der Regierung sitzt. Das ist auch so eine Perspektive, die man durch eine Krise bekommen kann.
Im Clownwagen
Um den maximalen Kontrast aufzumachen, müssen wir einen Blick in die USA werfen. Hier sehen wir ein Kaleidoskop von Inkompetenz, mutwilliger Sabotage und Ignoranz. Allein das Drama um die praktisch nicht vorhandenen Tests in den USA ist eine eigene Betrachtung wert; wer da mehr dazu lesen möchte, sei auf diesen Artikel verwiesen.In vielen Bundesstaaten sind Tests nicht verfügbar, wurden Notfallmaßnahmen weder vorbereitet noch diskutiert. Stattdessen werden nun, nachdem der Handlungsdruck unerträglich wurde, widersprüchliche Reisebegrenzungen verordnet. So verbot Trump die Einreise aus EU-Ländern, aber nicht aus dem Vereinigten Königreich, ungeachtet dessen, dass Letzteres mehr bestätigte Fälle hatte und von der EU problemlos erreichbar ist.
Versehentlich sorgte Trump auch für eine Mini-Rezession, als er in einer Rede einen Satz falsch vom Teleprompter ablas und einen Importstopp aller europäischen Güter verkündete. Anstatt den Fehler zu korrigieren, versteifte er sich, fügte einige unsinnige Sätze hinzu und weigerte sich zuzugeben, ihn gemacht zu haben.
Aber diese Inkompetenzen in der Umsetzung sind etwas, an das man sich in der Trump-Administration ja mittlerweile gewöhnt hat. Viel schlimmer ist die mutwillige Sabotage von Maßnahmen. Von Beginn an gab Trump die Losung aus, dass es sich bei dem Virus um Fake News handle. Wie üblich nahmen alle anderen Mitglieder der rechtsextremen Blase den Faden sofort auf:
- FOX News sendete Segment um Segment, das wahlweise den Experten, den ausländischen Regierungen und der demokratischen Opposition vorwarf, zu übertreiben und den USA schaden zu wollen. Gleichzeitig inszenierte der Sender die übliche Identitätspolitik und konstruierte neue soziale Normen. So geben sich Republicans bewusst die Hand, umarmen sich und treffen sich, um zu zeigen, wie wenig sie von den Fake News halten. Die Unverantwortlichkeit allein dieses Akteurs ist atemberaubend.
- Der republikanische Kongressabgeodnete Matt Gaetz machte sich, als die Democrats in üblichem Verantwortungsbewusstsein am 4. März (!) ein Gesetz für Sofortmaßnahmen gegen die Verbreitung des Virus ins Repräsentantenhaus einbrachten, durch das Tragen einer Gasmaske über die Vorstellung lustig, es bestehe ein Problem. In einem seltenen Fall von kosmischer Gerechtigkeit war es Matt Gaetz, der am 10. März als erster bestätigter Corona-Fall unter den Abgeordneten in Quarantäne musste.
- Rush Limbaugh erklärte, der Präsident und das Land seien das Opfer von "Virus-Terrorismus". In einer gewaltigen Verschwörung hätten ausländische Mächte - namentlich Chinesen und Italiener - sich zusammengetan und die Viren in die USA infiltriert.
- Trump selbst sprach von einem "hoax", spielte die Bedeutung herunter, erklärte vor laufenden Kameras, dass man innerhalb von zwei Wochen ein Virus gefunden haben werde - nachdem der neben ihm sitzende, von ihm eingesetzte Chef des CDC eine Minute vorher erklärt habe, dies werde ein bis anderthalb Jahre dauern - und tat auch sonst alles, um die Bedeutung der Krise herunterzuspielen.
David Frum fasst es gut zusammen:
More people will get sick because of his presidency than if somebody else were in charge. More people will suffer the financial hardship of sickness because of his presidency than if somebody else were in charge. The medical crisis will arrive faster and last longer than if somebody else were in charge. So, too, the economic crisis. More people will lose their jobs than if somebody else were in charge. More businesses will be pushed into bankruptcy than if somebody else were in charge. More savers will lose more savings than if somebody else were in charge. The damage to America’s global leadership will be greater than if somebody else were in charge. There is always something malign in Trump’s incompetence. He has no care or concern for others; he cannot absorb the trouble and suffering of others as real. He monotones his way through words of love and compassion, but those words plainly have no content or meaning for him. The only thing that is real is his squalid vanity. This virus threatens to pierce that vanity, so he denied it as long as he could. What he refuses to acknowledge cannot be real, can it? And even now that he has acknowledged the crisis, he still cannot act, because he does not know what to do. His only goal now is to shove blame onto others. Americans have to face the fact that in the grip of this pandemic, the Oval Office is for all practical purposes as empty as the glazed eyes of the man who spoke from that office tonight.
Globaler Föderalismus
Meine eingänglich geäußerte Kritik am deutschen Föderalismus, dessen Zerfaserung der Kompetenzen jegliche Entscheidung erschwert, lässt sich problemlos auf die ganze Welt skalieren. Wir sehen von Staat zu Staat völlig unterschiedliche Herangehensweisen an die Bewältigung der Pandemie, als ob das Virus sich von Ländergrenzen abhalten ließe. Südkorea etwa hat eine große Zahl von Infizierten, weil es sich (wie Deutschland) lange weigerte, die Politik der sozialen Isolation seiner Nachbarn mitzumachen. Inzwischen hat es das nachgeholt und ein beispielhaftes Testregime etabliert; nirgendwo wird so schnell und effizient getestet wie in Südkorea.Japan und Taiwan, zwei andere Nachbarn Chinas, haben von Beginn an rigoros auf Quarantäne und Isolation gesetzt. Die Zahl der Fälle blieb extrem niedrig, die Länder sind (bisher) sehr gut durch die Krise gekommen. Ihre Regierungen reagierten schnell, besonnen und kompetent. Es ist ein gutes Zeichen, dass demokratische Staaten auch dazu fähig sind; wer glaubt, nur brutale Autokratien wie China könnten effektiv reagieren, wird eines besseren belehrt.
Ein Beispiel für katastrophales Krisenmanagment, das an die USA erinnert, ist ausgerechnet der Iran. Durch Zufall wurde das Land besonders heftig von Corona getroffen, und wie in den USA weigerte sich die Regierung, das Problem anzuerkennen und leugnete es auf allen Kanälen der Regierungspropaganda. Die Pandemie breitete sich rasend aus, überwältigte das Gesundheitssystem und sorgt dafür, dass die Todeszahlen im Iran jedes andere Land überschatten und ein menschengemachtes Desaster von epischen Proportionen bilden.
In Europa entschieden sich in den vergangenen Tagen von Italien über Frankreich nach Belgien und über die ganze EU immer mehr Länder zu einer Abriegelung. Ich nehme an, dass wir ihnen über das Wochenende folgen und bis Montag das Land ebenfalls weitgehend herunterfahren werden. Einen anderen Ansatz fährt die britische Regierung; sie vertraut den Verhaltenswissenschaftlern und auf ihre Fähigkeit, den richtigen Moment zum Eingreifen exakt vorherbestimmen zu können. Wenn die Regierung diese Kompetenz beweist, wäre das eine herausragende Leistung. Die Tatsache, dass Boris Johnson dafür verantwortlich ist, lässt einen nicht unbedingt zuversichtlich auf die Insel blicken.
Fazit
Meine Hoffnung (und aktuell auch meine Erwartung) ist, dass Corona sich letztlich als ein großer Übungslauf erwarten wird. Wir alle - individuell, als Gesellschaft und vor allem unsere Institutionen - müssen Erfahrungen sammeln für das nächste Mal. Denn es wird ein nächstes Mal geben. Deswegen ist es entscheidend, dass jetzt beobachtet wird, welche Maßnahmen sich als effektiv erweisen und welche nicht. Denn das wird uns beim nächsten Mal helfen, Probleme zu vermeiden und den Schaden gering zu halten.Und wer weiß, vielleicht schaffen wir es dann ja sogar, als Menschheit etwas koordinierter vorzugehen. Vielleicht wird Corona ein Anstoß, globale Maßnahmen zu koordinieren und näher zusammenzurücken - wenn auch nur, um ein Regime der sozialen Distanz zu etablieren.
Man wird ja noch hoffen dürfen.
---
Post Skriptum: Die Ereignisse bewegen sich gerade so schnell, dass als ich diesen Artikel vor zwei Tagen zu schreiben begonnen habe, meine Zielsetzung war, den Teil über die systemische Krise als theoretischen Problemgegenstand zu beschreiben. Es fiel in eine Zeit, als Corona noch als Scherz gehandelt wurde. Das ist jetzt vorbei - und ein krasses Beispiel dafür, wie einen die Ereignisse in Echtzeit überholen.