Warum Highspeed-Videos vor Verletzungen schützen könnten

Von Doxidox

Jeder von euch hat sicher schonmal eines dieser tollen Highspeed-Videos gesehen, in denen man in Super-Zeitlupe einen Ballon platzen oder das Abfeuern einer Kanonenkugel sieht. Diese Aufnahmen werden jetzt auch immer öfter bei Sportübertragungen im Fernsehen (z.B. Turmspringen, Leichtathletik, usw.) oder in Extremsportvideos eingesetzt, um dem Zuschauer noch spektakulärere Aufnahmen bieten zu können. Aber auch in der Sportwissenschaft eröffnen Zeitlupenaufnahmen viele neue Möglichkeiten der Bewegungsanalyse.

Wozu Bewegungsanalyse?

Will man wissen welche Kräfte bzw. Beschleunigungen während einer gewissen sportlichen Bewegung auftreten, so kann man das in manchen Fällen mit Kraftmessplatten, Bewegungserfassungs-Systemen oder Beschleunigungssensoren bewerkstelligen. Mal abgesehen davon, dass komplexe Bewegungen prinzipiell sehr schwierig zu erfassen sind, funktionieren diese Methoden aber sowieso nur im Labor bzw. bei speziellen Einheiten im Training. Kein Sportler dieser Welt würde schließlich komplett verkabelt bei einem Wettkampf antreten, nur dass sein Trainer gute und realistische Daten erhält.

Die einzige Möglichkeit ist also, den Wettkampf auf Kamera aufzunehmen und im Nachhinein anhand des Videomaterials Größen wie Geschwindigkeiten, Beschleunigungen und Kräfte auszurechnen.

Videoanalysen zur Verletzungsprophylaxe

In der Sportwissenschaft geht es jetzt aber nicht immer nur darum die Leistung von Spitzensportlern zu verbessern, viele Wissenschafter beschäftigen sich eher damit Verletzungen im Sport zu analysieren um damit Empfehlungen abgeben zu können, wie man diese am besten verhindern kann.

Dazu ist es aber genau so wie im Leistungssport wichtig, genaue kinematische Daten (Kraft, Beschleunigung, usw.) über den Verletzungshergang zu bekommen, damit man die genauen Bewegungen bestimmen kann, die eine bestimmte Verletzung auslösen. Da man das natürlich nicht “kontrolliert” im Labor untersuchen kann, ist man dabei zu 100% auf die Analyse von Videoaufnahmen von Verletzungen angewiesen.

Einige Forscher haben deshalb in den letzten Jahren sehr komplexe und interessante Methoden entwickelt, um möglichst genaue Daten aus Videos ableiten zu können. So entwickelte zum Beispiel eine Forschergruppe des „Oslo Sports Trauma Research Center“ ein Verfahren, um anhand von mehreren synchronisierten Videoaufnahmen des Verletzungsherganges ein 3D Computermodell des Sportlers und seiner Umgebung zu erstellen. Damit gelang es zu wesentlich genaueren Daten bezüglich der vorhandenen Gelenkswinkel und vorherrschenden Kräfte als im Vergleich zu einer normalen Videoanalyse zu kommen (Krosshaug 2005 & 2007; Koga 2010).

Die Bildfrequenz als Genauigkeitsproblem

Eine große Schwachstelle stellt in all diesen Studien aber immer noch die Bildfrequenz der verwendeten Fernsehaufnahmen dar: Die realen Belastungsspitzen von schnellen Bewegungen lassen sich hierbei durch die relativ geringe zeitliche Auflösung von Fernsehaufnahmen (50 bzw. 60 Bilder pro Sekunde) nicht sehr gut bestimmen, da es sehr leicht vorkommen kann, dass diese genau zwischen zwei aufgezeichneten Bildern liegen und der Maximalwert so nicht gemessen werden kann.

Hätte man also Highspeed-Videoaufnahmen von Verletzungsvorgängen zur Verfügung, könnten Verletzungsvorgänge wesentlich genauer analysiert werden und es wäre eventuell möglich, bessere Schlüsse über die Vermeidung von Verletzungen zu ziehen.

Leider gibt es keine (oder vielleicht sehr sehr wenige) zufällige Super-Zeitlupenaufnahmen von Verletzungen, weshalb diese Überlegung erst einmal relativ sinnlos erscheint.

Moderne Videobearbeitungsverfahren machen es möglich

Beschäftigt man sich aber ein wenig mit moderner Videobearbeitung, so ist man vielleicht schon einmal auf Highspeed-Videos gestoßen, die “künstlich” erstellt wurden. Das bedeutet, sie wurden nicht wirklich mit mehreren hundert oder tausend Bildern pro Sekunde aufgenommen (was natürlich nur sehr teure professionelle Kameras schaffen), sondern mit der normalen Fernsehfrequenz von 60 Bildern pro Sekunde und danach wurden mithilfe eines Computerprogramms künstlich errechnete Bilder zwischen die aufgenommenen Bilder eingefügt.

Dass so etwas durchaus sehr realistisch aussehen kann, zeigt zum Beispiel dieses Video:

Dabei stellt sich natürlich die Frage, wie genau solche Computerprogramme arbeiten bzw. wie genau die künstlichen Bilder die Realität abbilden können. Schließlich muss jede Bewegung, die künstlich verlangsamt wird, vom Programm geschätzt werden, indem es die Pixelbewegungen der aufgenommenen Bilder untersucht.

Da man aber optisch sehr wenige Unterschiede zu echten Highspeed-Videos erkennt wäre es natürlich sehr interessant, ob solche künstlich verlangsamten Videos auch in der sportwissenschaftlichen Bewegungsanalyse verwendet werden könnten um wie oben beschrieben Verletzungsmechanismen besser untersuchen zu können.

Diesen zwei Fragen sind wir in einer wissenschaftlichen Untersuchung nachgegangen, die unseres Erachtens nach sehr verblüffende Ergebnisse geliefert hat.

Da diese jedoch den Rahmen dieses Artikels sprengen würden und auch die Interpretation der Ergbnisse recht umfangreich ist, empfehle ich jedem Interessierten sich die ganze Studie einmal durchzulesen.

Fragen bzw. Anregungen könnt ihr natürlich gerne in den Kommentaren posten.

Bildquelle / Header:
http://youtu.be/_HNve7bekeM

Videoquelle:
http://youtu.be/_ts8U9CJ0N8

Literaturverzeichnis:

Koga, H.; Nakamae, A.; Shima, Y.; Iwasa, J.; Myklebust, G.; Engebretsen, L. et al. (2010): Mechanisms for Noncontact Anterior Cruciate Ligament Injuries: Knee Joint Kinematics in 10 Injury Situations From Female Team Handball and Basketball. In: The American Journal of Sports Medicine 38 (11), S. 2218–2225,

Krosshaug, Tron; Bahr, Roald (2005): A model-based image-matching technique for three-dimensional reconstruction of human motion from uncalibrated video sequences. In: Journal of Biomechanics 38 (4), S. 919–929,

Krosshaug, T.; Slauterbeck, J. R.; Engebretsen, L.; Bahr, R. (2007): Biomechanical analysis of anterior cruciate ligament injury mechanisms: three-dimensional motion reconstruction from video sequences. In: Scandinavian Journal of Medicine & Science in Sports 17 (5), S. 508–519,